Die katholische Kirche als Hauseigentümer

Geld geht über alles

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Das Haus in Karl-Marx-Straße 11, Berlin-Neukölln
Karl-Marx-Straße 11, Berlin-Neukölln

In Berlin-Neukölln gründeten rund 60 Bewohner eines typischen Berliner Mietshauses eine Genossenschaft, um das gesamte Haus erwerben zu können. 3,8 Millionen Euro bot die Genossenschaft dem Eigentümer, der katholischen Kirche. Der jedoch ist das zu wenig.

Darf man etwas verkaufen, das man zuvor geschenkt bekam? Ja, selbstverständlich!
Darf man das auch, wenn man zum Beispiel eine Immobilie vererbt bekommt, die mehrere Millionen Euro wert ist? Aber ja, auch das darf man!
Aber sollte man das tun, wenn man sonst lauthals öffentlich darüber redet, wie sozial engagiert man doch sei und dass man Menschen helfen möchte? Eher nicht, denn dann wird es ziemlich anrüchig und Gesagtes wirkt verlogen.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) berichtete zuerst darüber, dass die Mieter des Hauses Karl-Marx-Straße 11 in Berlin-Neukölln einen Brief bekamen, in dem ihnen vom Erzbistum Berlin mitgeteilt wurde, dass das Haus verkauft werden soll. Eine Immobilie, die das Erzbistum vor rund zehn Jahren von der früheren Eigentümerin vererbt bekam.

Die Kirche begründet ihren Entschluss auch damit, dass immer weniger Menschen der Kirche angehören und damit die Einnahmen aus der Kirchensteuer sinken. Deshalb prüfe das Erzbistum Berlin nun seine Immobilien und trenne sich von vielen.

Allerdings wird das Haus in der Karl-Marx-Straße von 22 Mietparteien bewohnt. Das bedeutet: Über 60 Personen leben hier. Der rbb berichtet, dass die Furcht vor Verdrängung nach einem Eigentümerwechsel die Mieter ängstige. "Deshalb beschlossen sie, eine Genossenschaft zu gründen und das Haus dem Erzbistum selbst abzukaufen." Das Angebot der Mietergenossenschaft über 3,8 Millionen Euro lehnte die Kirche jedoch ab. Das Erzbistum will an den Meistbietenden verkaufen. Unverblümt heißt es, "man wolle einen maximalen Erlös erzielen durch den Verkauf, um das Geld für die Anliegen der Kirche einzusetzen."

Eine Mieterin wird in dem Artikel mit den Worten zitiert: "Es geht hier [...] um Familien, um Leute, die es vielleicht nicht so einfach haben. Und es ist einfach richtig ungerecht." Die Kirche jedoch will aus einem Geschenk maximalen Profit herausschlagen.

Die katholische Kirche ist inzwischen auf Tauchstation gegangen. Auf Anfragen der Mietergenossenschaft antwortet das Erzbistum nicht einmal mehr. Und auch gegenüber dem Tagesspiegel wollte sich das Erzbistum nicht äußern. Der Sprecher des Bistums weist allerdings den Vorwurf zurück, dass die Kirche die Mieter*innen nicht transparent über den Prozess informiert habe. "Uns ist die soziale Verantwortung, die wir als Kirche tragen, sehr bewusst, und wir nehmen die Sorgen der Mieterinnen und Mieter ernst."

Jan Stiermann sitzt für Bündnis 90/Die Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Neukölln und hat bei Instagram ein deutliches Statement abgegeben und den Mietern Unterstützung angeboten. "Obwohl dieses Haus vor Jahren der Kirche geschenkt wurde, will sie es jetzt meistbietend verkaufen. Das geht so nicht, das ist nicht christlich." Er fordert das Erzbistum auf, Gemeinwohl vor Profitmaximierung zu setzen. Ein entsprechender Antrag in der BVV wurde jedoch mit den Stimmen von CDU und AfD abgelehnt.

Auch Neuköllns Baustadtrat Jochen Biedermann (Grüne) hat in der Debatte das Wort ergriffen. Er habe sich an das Bistum gewandt und darauf hingewiesen, dass der katholischen Kirche beim Verkauf ihrer Immobilie eine besondere Verantwortung zukommt. "Gerade soziale, kirchliche und karitative Organisationen dürfen nicht alleine anhand des Preises entscheiden", sagte Biedermann laut Tagesspiegel. Noch bestehe aus seiner Sicht die Chance, in dem Gebäude bezahlbare Mieten langfristig zu sichern. Er forderte das Erzbistum auf, diese zu ergreifen.

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