Eine Rückkehr Bangladeschs zum Säkularen

Die Gerüchte und die Realität

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Säkulare Aktivisten aus Bangladesch auf dem Bundesparteitag der Grünen: (v.l.n.r.) Ahmed Nadir, Mahmudul Haque Munshi, Arnab Goswami
Säkulare Blogger

Die Berichterstattung internationaler Medien über Bangladesch in der letzten Zeit war überwiegend negativ. Morde an Säkularisten, Unterdrückung von Minderheiten, willkürliche Hinrichtungen und die endlose Korruption der Regierung sorgen für allgemeine Kritik. Kürzlich aber kam Bangladesch mit der Absicht in die Schlagzeilen einiger prominenter Medien, Staat und Religion trennen zu wollen.

Dieses Gerücht entstand durch die Aussage von Dr. Abdur Razzak, einem Mitglied des Präsidialkommitees der herrschenden Partei, dass "der Islam nicht als Staatsreligion in der Verfassung Bangladeschs verankert sein sollte." Ich begrüße und schätze Dr. Razzaks Ansicht. Abraham Lincoln, ehemaliger Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sagte einst, eine Regierung solle "by the people, of the people, for the people" sein. Meines Wissens nach kann ein Land mit einer Staatsreligion das nicht erfüllen.

Tatsächlich ist die Verfolgung von Hindus und anderen Minderheiten im mehrheitlich muslimischen Bangladesch auf einem Höhepunkt. Alleine im November 2016 wurden mehr als 3000 Häuser und einige Tempel der Hindus und der eingeborenen Santalminderheit angesteckt, sowohl von islamischen Schlägern als auch von der Polizei. Weit in der Unterzahl versuchen die religiösen und ethnischen Minderheiten des Landes, die Repression zu ignorieren. Als aber dieses Jahr diese Tyrannei sprunghaft anstieg, baten sie um die Hilfe ihres lokalen Abgeordneten, Mr. Sayedul Haque, zudem der Minister für Viehzucht und Fischerei. Der Minister sagte unter Bezug auf diese Gräueltaten: "Ich sehe kein Problem. Die Ungläubigen reagieren über."

Bangladesch war immer erfolgreich damit, den Mythos zu verbreiten, dass das Land säkular sei und Harmonie unter den Religionen herrsche. Trotzdem lenkten soziale Medien die Aufmerksamkeit von Bangladeschs Nachbarn auf die Massaker. Leider ist es wahr, dass die Politik Bangladeschs von seinem großen Nachbar Indien abhängt. Als mehrheitlich hinduistisches Land wollte Indien wissen, was wirklich in Bangladesch passiert.

Am 12. November 2016 nahm Dr. Abdur Razzak an einem Treffen der "Bahrat (Indien)-Bangladesch-Kooperation zur Bekämpfung des Terrorismus" teil. Der frühere Minister für Ernährung und jetziges Mitglied des Präsidialkommitees bot seinem Publikum das, was es hören wollte. Er wollte nicht nur zeigen, dass Bangladesch sich bemüht, die Situation unter Kontrolle zu bekommen, sondern auch langfristig etwas zu erreichen. Er versicherte Indien, dass Bangladesch auf dem richtigen Weg sei.

Ich kenne Dr. Razzak nicht persönlich und kann deshalb nicht sagen, ob er tatsächlich für Säkularität einsteht. Ich weiß allerdings ganz sicher, dass er keine Position bekleidet, um diese Angelegenheit öffentlich zu klären. Auch wenn er ein Mitglied des Parlamentes und ein angesehenes Mitglied der regierenden Partei ist, gehört er zu keinem erwähnenswerten Regierungskomitee. Seine Rede auf diesem Treffen ist nicht von offizieller Bedeutung.

Tatsächlich waren alle offiziellen Aussagen und alle Aussagen der Parteiführung alles andere als säkular. Die Premierministerin selbst hat öffentlich geäußert, die erste Verfassung der saudischen Stadt Medina einführen zu wollen. Diese Verfassung ist besonders berüchtigt dafür, dass ausnahmslos allen religiösen Minderheiten, die in einem muslimischen Land leben, eine Sondersteuer auferlegt wird.

Zur weiteren Umsetzung der Verfassung aus Medina hat das Kabinett am 24. November 2016 ein neues Gesetz beschlossen, dass Ehen mit minderjährigen Mädchen erlaubt. Die Ministerien für Frauen- und Kinderangelegenheiten, Meher Afroze Chumki, stellte dazu klar, "falls die Eltern das wünschen, können sie ihre Tochter schon im frühen Alter mit 12 oder 15 verheiraten. Allerdings müssen sie vorher die Erlaubnis eines Gerichts einholen und es muss einen konkreten Grund für die Heirat geben. Zum Beispiel wenn das Mädchen schwanger würde vor dem aktuellen Mindestalter einer Heirat von 18 Jahren."

Dr. Razzak mag jedes Wort an diesem Tag so gemeint haben. Leider stellt das nicht die Regierungslinie dar noch berührt es das endlose Leiden der Minderheiten. Seit Bangladeschs Unabhängigkeit 1971 ist der Anteil an nicht-muslimischen Minderheiten der Bevölkerung von 23% auf magere 8% gefallen. Der bekannte Ökonom Abul Barkat befürchtet bereits, dass die Minderheiten in Bangladesch in den nächsten 20 bis 30 Jahren verschwinden.

Bangladesch wurde säkular geboren, aber zwischenzeitlich wurde der freidenkende Geist vom fundamentalistischen Islam erschlagen. Ich fürchte, dass die Regierung, nachdem sie durch einen Sieg in der manipulierten Wahl von 2013 weiter an der Macht ist, statt Frieden und religiöser Harmonie zu stiften weiterhin die radikalen Mullahs befriedigt, indem sie die Sharia tief in der Justiz verankert und die Minderheiten auslöscht.

(Übersetzung Arno Görne und Werner Hager)

Übernahme mit freundlicher Genehmigung von der Webseite des Arbeitskreises der Säkularen Grünen. Dort findet sich auch die englische Originalversion des Artikels.

Vgl. dazu auch: Säkulare Blogger aus Bangladesch - "Es war ein Albtraum"