Heiße Diskussionen und starke Emotionen

Macht – Roman von Karen Duve

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Literatur Spiegel Februar 2016: "Karen Duve führt in ihrem Roman 'Macht' ihre Poetologie der Hoffnungslosigkeit auf neue Gipfel"

BERLIN. (hpd) Als das Buch von Karen Duve in den Buchhandel kam, wurde es von ersten Rezensionen empfangen. Schnell landete der Roman auf Platz 15 der Spiegel-Besteller-Liste. Und die Wellen schlagen in ungewöhnlicher Weise hoch. "Richtig hoch", sagt der Verlag, es wird heiß diskutiert.

Das Buch lässt nicht kalt, es löst starke Emotionen aus. Der Verlag aktuell in seiner Stellungnahme: "Da gibt es die Stimmen, die den Roman äußerst gelungen finden: "Dieses radikale, literarische Experiment ist ein Wagnis von bestechender Präzision und Eindringlichkeit", meint Alexander Kosenina, in der FAZ. "Hochachtung vor diesem Buch. Ich finde, in seinem politischen Zugriff ist es eine Art deutscher Houellebecq", findet Eva Menasse. Volker Weidermann resümiert im Spiegel: "Einen minimal überspitzten Brutalrealismus hat sie zur Meisterschaft gebracht. […] Duve lässt das Elend leuchten." Sibylle Berg meint knapp und prägnant: "Fast die einzige zeitgenössische Autorin (Autoren sind mitgemeint), die ich lesen kann. Tolles Buch." 

"Karen Duve mutet uns einiges zu. Das liest sich teilweise sehr lustig, teilweise finster. Ihr Roman Macht beschäftigt mich immer noch", so Julia Westlake im NDR Kulturjournal. "Duve schreibt derart präzise und kühl, dass einem sehr kalt wird beim Lesen. Männer frieren doppelt", meint Stephan Draf im Stern.

Offenbar machte das Buch einige Rezensenten nicht nur frieren, es versetzt sie geradezu in Rage: "Warum Macht mit seinem grimmen Furor so misslungen ist, lässt sich einfach sagen: Der Protagonist und Ich-Erzähler ist nicht nur ein armes Würstchen, er ist vor allem ein Sadist. Also ein Fall für die Anstalt (…). Wenn aber die Gegenfigur zum Staatsfeminismus ein psychiatrischer Fall ist, dann gibt es keine moralischen Ambivalenzen. Dann gibt es nur gut oder böse. Beziehungsweise noch extremer: vernünftig oder krank", Ijoma Mangold (Die Zeit). Und Christoph Schröder auf Zeit Online: "Macht ist ein ins dünne Mäntelchen einer Handlung gekleidetes Pamphlet. Selbst dort, wo es nicht um die große Politik und die ökologisch korrekten Handlungsmaximen geht, […] bleibt der Roman berechenbar und statisch. […] Mit Macht hat Karen Duve nicht einfach nur einen schlechten Roman geschrieben. Sie hat sich, vorerst, von der Literatur verabschiedet." "Diesmal ist Karen Duve die Sache ziemlich schiefgegangen", ist Julia Enckes Urteil in der FAS.

Auch im Verlag war über Macht vor der Veröffentlichung sehr viel geredet worden. Das Buch wühlt auf, lässt einem den Atem stocken, ist in einigen Szenen kaum erträglich – und hat trotzdem fieserweise hochkomische Stellen. Es ist abgründig, schwarzhumorig, kurz: Eine bitterböse Satire auf die Gattung Mensch in unserer Zeit. Wem fällt es schon leicht, die von der Autorin über Jahre gesammelten und dem Protagonisten in den Mund gelegten Zitate aus Büchern, Pamphleten und Stammtischrunden zu lesen, schon allein, wenn sie sich mit Meinungen mischen, die man eigentlich gut nachvollziehbar findet. Welche Frau möchte sich mit einer naiven Umweltretterin identifizieren oder mit einer karrieresüchtigen Politikerin, die ihren Mann völlig in die Enge getrieben hat, und im Grunde nicht weniger machtversessen ist, als die Männer um sie herum?

Karen Duve hat eine verstörende Endzeitgroteske Swiftscher Prägung geschrieben, ein Buch, das unsere verstörende Zeit spiegelt. Man könnte es auch mit Thomas Böhm sagen: "Weil ich weiß, dass die Welt übermorgen untergeht, lese ich heute Karen Duve, damit ich weiß, was mir morgen blüht."