Kommentar

Mütter sind keine besseren Menschen

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Frau mit Kinderwagen

AfD-Chefin Frauke Petry macht Angela Merkels Kinderlosigkeit für deren aus AfD-Sicht falsche Politik verantwortlich. Das ließ sie am Mittwoch Journalisten der Zeitschrift Stern wissen.

Wissen Sie, ob Thomas de Maizière Kinder hat? Oder Frank-Walter Steinmeier? Oder Cem Özdemir? Wahrscheinlich wissen Sie es nicht. Es käme sicherlich auch niemand auf die Idee, diesen Politikern eine eventuell vorhandene Kinderlosigkeit vorzuwerfen und in ihr den Grund für politische Entscheidungen zu sehen. Ebenso wenig, wie sich jemand über ihre Frisuren oder den Schnitt ihrer Anzüge echauffieren würde.

Bei Frauen in der Politik sieht das anders aus. Ein unmoderner Haarschnitt oder ein unvorteilhafter Zweiteiler können da schnell zum Politikum werden. Wer würde schon einer Frau die Geschicke eines Landes anvertrauen, die nicht einmal Herrin über ihren Kleiderschrank ist? Männern hingegen würde man wahrscheinlich sogar dann tiefgreifende politische Entscheidungen zutrauen, wenn sie zwei unterschiedlich farbige Socken tragen.

Bei der Sache mit den Kindern sieht es mindestens ebenso finster aus. Während es bei Männern vollkommen egal zu sein scheint, ob sie Väter sind, erfahren Frauen offenbar durch Mutterschaft eine gesellschaftliche Aufwertung. Kinderlosigkeit hingegen wertet eine Frau ab. In Anlehnung an das Bonmot des polnischen Lyrikers Stanislaw Jerzy Lec "Ein Pferd ohne Reiter ist immer ein Pferd – ein Reiter ohne Pferd nur ein Mensch" könnte man sagen: Ein Mann ohne Kind ist immer ein Mann – eine Frau ohne Kind dagegen … nun ja.

Natürlich ist das kompletter Bullshit. Trotzdem hält sich dieses Bild der ohne Kinder unvollständigen Frau so hartnäckig, als ob es noch immer einen Führer gäbe, der Mutterkreuze verteilt. Am eifrigsten verteidigt wird dieses Bild von Müttern. Aus welchem Grund auch immer haben viele – nicht alle – Mütter das tiefsitzende Bedürfnis, sich selbst aufzuwerten, indem sie kinderlose Frauen abwerten.

Ein Beispiel par excellence hierfür ist Frauke Petrys jüngster Angriff auf Angela Merkel. Gegenüber dem stern verurteilte Petry Merkels – ihrer Meinung nach – verfehlte Politik und sagte wörtlich:

"Ich habe vier Kinder, Angela Merkel hat keine. Kinder veranlassen einen, über den eigenen Lebenshorizont hinaus zu sehen. Und das tut Merkel eben nicht."

Man mag über Angela Merkel und ihre Politik denken, was man will. Und sicherlich ist es auch interessant, darüber zu spekulieren, warum sie wann welche Entscheidungen trifft. Liegt es daran, dass ihr Vater Pfarrer war? Liegt es daran, dass sie Physikerin ist? Völlig überflüssige Spekulationen! Sie hat keine Kinder – also kann es nur daran liegen!

Noch schwindeliger als bei Frauke Petrys Äußerung selbst wird es einem jedoch, wenn man die Kommentare dazu liest. Selbst Frauen – selbstredend Mütter – die politisch weit von der AfD entfernt sind, stimmen Petrys Statement jubelnd zu: "Aber sie hat doch Recht!".

Es scheint mir daher an der Zeit etwas klarzustellen:

Liebe Frauke Petry, liebe Mütter in den Kommentarspalten! Es macht einen Menschen nicht per se zu einer höheren moralischen Instanz, wenn der Körper als Brutkasten für den eigenen biologischen Nachwuchs gedient hat. Freilich kann dieser Eindruck subjektiv entstehen, wenn frau sich jahrelang mit der Kindererziehung beschäftigt und dort als Stärkere immer im Recht ist. Im normalen Leben seid ihr jedoch nicht immer im Recht. Ihr seid für Menschen, die nicht in einem Kindschaftsverhältnis zu euch stehen, nicht automatisch eine höhere moralische Instanz. Ihr seid nicht automatisch bessere Menschen und ihr habt nicht automatisch mehr Weitblick als andere. Obwohl ihr Mütter seid. Schockierend, ich weiß.

Weitblick bekommt man nicht, indem man Kinder kriegt, sondern indem man weit blickt. Über das eigene Land, die eigene Zeit, das eigene Leben hinaus.

Eine Organisation, die für ihren Weitblick bekannt ist, ist beispielsweise der Club of Rome, "eine Vereinigung von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik aus allen Regionen unserer Erde (…) mit dem Ziel, sich für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einzusetzen." In seinem jüngst veröffentlichten Bericht benennt der Club of Rome das dramatische Bevölkerungswachstum als ein zentrales Problem für die Zukunft der Erde und empfiehlt, Frauen eine Belohnung zu zahlen, wenn sie kinderlos bleiben.

So geht "über den eigenen Lebenshorizont hinaussehen", Frau Petry.