Erstmals äußert sich Betroffener

Neuer Missbrauchsfall belastet katholische Kirche

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Karnevalswagen von Jacques Tilly (2011)
Karnevalswagen von Jacques Tilly (2011)

In dieser Woche will eine vom Erzbistum München-Freising beauftragte Rechtsanwaltskanzlei ein umfangreiches Gutachten zum Missbrauchsgeschehen im Erzbistum vorlegen. Dabei wird der Fall des Priesters Peter H., der trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen mehrfachen Kindesmissbrauchs weiter in der Seelsorge tätig war, eine zentrale Rolle spielen.

Die aktuelle Recherche von CORRECTIV und dem Bayerischen Rundfunk (BR) zeigt einen bisher unbekannten Missbrauchsfall. Demnach habe die Kirche den Priester trotz Kenntnis seiner früheren Straftaten nicht nur unbehelligt mit Kindern arbeiten lassen, sondern sie vertuschte Hinweise auf neue Übergriffe.

Ein Opfer berichtet erstmals gegenüber CORRECTIV und dem BR, wie er als Kind Anfang der 1990er-Jahre von Peter H. in der bayerischen Gemeinde Garching an der Alz über mehrere Jahre missbraucht wurde, obwohl der Priester zuvor von einem Gericht in Bayern wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden war. Der Fall H. zählt zu den gravierendsten Missbrauchs-Skandalen innerhalb der katholischen Kirche: Vorwürfe wegen sexualisierter Gewalt gegen Kinder gegen den aus Gelsenkirchen stammenden Geistlichen sind seit den späten 1970er-Jahren aktenkundig. Die katholische Kirche versetzte den Pfarrer mehrfach in immer neue Gemeinden.

Seiner Aufnahme im Erzbistum München-Freising stimmte 1980 auch der damalige Erzbischof und spätere Papst Joseph Ratzinger zu. Auf Nachfrage von CORRECTIV und BR bestreitet er jedoch, Kenntnis von den gegenüber H. erhobenen Vorwürfen gehabt zu haben.

Die Aussagen des Opfers gegenüber CORRECTIV und dem BR sind besonders brisant, da der Missbrauch stattfand, als H. unter Aufsicht eines pensionierten Weihbischofs stand. Der Bischof betreute sieben Jahre zusammen mit H. gemeinsam die Gemeinden Garching an der Alz und Engelsberg, war über die Gefährlichkeit des Priesters H. informiert, schützte aber offenbar nicht die Kinder, sondern den Täter. Der Weihbischof war ein langjähriger Freund von Ratzinger, der ihn auch einmal in der Gemeinde besuchte.

Im Gespräch mit CORRECTIV und dem BR sagt der Betroffene: "Das ist allen bekannt gewesen, auch in der Kirche. Diesen verurteilten und untherapierbaren Mann dann wieder in eine Gemeinde zu schicken und mit so vielen Kindern und Jugendlichen arbeiten zu lassen, das macht einen einfach nur fassungslos und ein Stück weit aggressiv."

In einem Kirchenurteil zu H., das CORRECTIV und dem BR vorliegt, werden die Taten dieses Priesters offen angesprochen, allerdings weithin bagatellisiert. Dokumentiert wird dort zwar das Mitwissen der Vorgesetzten bis hin zum damaligen Erzbischof Ratzinger über die Gefährlichkeit des Priesters. Allerdings verharmlost das Kirchenurteil Hinweise auf Taten in den 1990er-Jahren und es findet sich darin kein Hinweis auf die Rolle des bereits verstorbenen Weihbischofs, unter dessen Aufsicht der Täter stand.

Das Opfer hat nach eigenen Angaben auch mit der Münchner Rechtsanwaltskanzlei gesprochen, die im Auftrag des Erzbistums München und Freising das Gutachten erstellt. Der Anwalt des Opfers hat angekündigt, gegen die Bischöfe strafrechtlich vorgehen zu wollen.

Die komplette Recherche erschien auf correctiv.org.

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