Niedersächsische SPD-Fraktion übernimmt politische Patenschaft für inhaftierten iranischen Atheisten Soheil Arabi

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Symbolbild
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Der iranische Menschenrechtsaktivist, Atheist und Träger des Pressefreiheitspreises Soheil Arabi sitzt erneut im Gefängnis. Berichten zufolge wurde er bei seiner Verhaftung am 2. Januar derart schwer misshandelt, dass er zunächst in ein Krankenhaus gebracht werden musste. Daraufhin formierte sich eine internationale Koalition säkularer und freigeistiger Organisationen, die nachdrücklich Soheils Freilassung fordert. Auch die SPD-Fraktion im niedersächsischen Landtag versucht nun, durch eine politische Patenschaft Druck auf das iranische Regime auszuüben.

Die Entscheidung, eine politische Patenschaft für Soheil Arabi und seine Mutter Farangis Mazloum zu übernehmen, fiel nur wenige Wochen nach Soheils brutaler Inhaftierung. Mazloum wurde vom iranischen Regime ebenfalls der "Propaganda gegen den Staat" für schuldig befunden. Grund für ihre Verurteilung war ein Video, das sie im August 2021 im Rahmen der Präsidentschaftswahlen veröffentlicht hatte. Darin zeigte sich Farangis Mazloum ohne Hijab, forderte die Freilassung ihres Sohnes und rief die iranische Bevölkerung dazu auf, gegen die undemokratischen Scheinwahlen zu protestieren.

In einer Rede (S. 36 in der vorliegenden Fassung) vor dem niedersächsischen Landtag erklärte der Fraktionsvorsitzende Grant Hendrik Tonne: "Diese beiden Personen, für die wir als Fraktion die Patenschaft übernommen haben, stehen für viele andere im Iran, und das Vergehen, das ihnen vorgeworfen wird, ist: Sie setzen sich für demokratische Werte, für Menschenrechte, für Grundlegendes ein."

Die 57 Abgeordneten der SPD-Fraktion haben nun die Möglichkeit, punktuell auf das iranische Regime einzuwirken. "Im Rahmen der Patenschaft übernehmen wir die politische Interessensvertretung für die beiden inhaftierten Aktivist:innen. So haben wir in einem Schreiben an die iranische Botschaft die sofortige Freilassung gefordert und wollen dazu beitragen, den Druck auf das Regime weiter zu erhöhen", so der Pressesprecher der Fraktion, Daniel Voigt, gegegnüber dem hpd.

Soheil Arabi
Soheil Arabi (2014)
(Foto: Nano GoleSorkh via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY 3.0)

Dieser Schritt ist insofern bemerkenswert, als dass Soheil Arabi ein prominenter Vertreter der atheistischen Community des Iran ist. 2014 wurde er wegen Beleidigung des Propheten zum Tode verurteilt, musste aber glücklicherweise "nur" eine mehrjährige Haftstrafe absitzen. 2017 erhielt er den Pressefreiheitspreis von Reporter ohne Grenzen. Ein Jahr später wurde der Journalist erneut verhaftet und für drei Jahre inhaftiert, diesmal wegen "Propaganda gegen den Staat" und "Aufwiegelung der Öffentlichkeit". Soheil hatte zuvor in Sozialen Netzwerken die Tauglichkeit des Islam als Staatsdoktrin infrage gestellt.

Keine zwei Jahre später sitzt der Aktivist und Journalist nun erneut in einer der berüchtigten iranischen Haftanstalten. Dem Zentralrat der Ex-Muslime in Deutschland (ZdE) bereitet besonders Soheils Gesundheitszustand Sorgen. Es sei nicht gewährleistet, dass er Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten erhalte. Auch die professionelle Behandlung der Verletzungen, die ihm bei seiner Verhaftung beigebracht wurden, sei ungewiss. Berichte aus iranischen Gefängnissen, die von Gewalt und Isolationshaft bis hin zu Folter reichen, unterstreichen diese Befürchtungen.

Neben eindringlichen Briefen an die iranische Botschaft gibt es im Rahmen einer politischen Patenschaft auch noch andere Formen der Unterstützung. So können die Abgeordneten Kontakt mit Soheil Arabis Familie halten, um sich nach dem Zustand des Inhaftierten zu erkundigen. Auch materielle Unterstützung ist möglich. Arabis Mutter Farangis Mazloum, die Mitte vergangenen Jahres trotz gesundheitlicher Bedenken ebenfalls inhaftiert wurde, befindet sich mittlerweile wieder in Freiheit, so der ZdE.

Die eingangs benannte Koalition, der neben dem Zentralrat der Ex-Muslime auch die Giordano-Bruno-Stiftung und der Verein Säkulare Flüchtlingshilfe angehören, versucht derweil, weitere Patenschaften für Soheil zu gewinnen und der Familie finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Susanna McIntyre, Präsidentin der internationalen NGO Atheist Republic, appelliert an die internationale Gemeinschaft, Schicksale wie das von Soheil nicht kampflos hinzunehmen: "Die Koalition für politische Patenschaften für Soheil Arabi hat es sich zur Aufgabe gemacht, seinen Gesundheitszustand zu überwachen und für seine sofortige, bedingungslose Freilassung einzutreten. Es ist von größter Wichtigkeit, dass wir unsere Solidarität mit Soheil und allen anderen Iraner*innen, die für ihre Menschenrechte kämpfen, lautstark ausdrücken. Die globale Gemeinschaft von Atheist*innen hat die besondere Verantwortung, die Prinzipien des Säkularismus sowie der Weltanschauungs- und Meinungsfreiheit zu verteidigen", so McIntyre zum hpd.

Wenn Sie Soheil Arabi und seine Familie unterstützen möchten, können Sie das über den Zentralrat der Ex-Muslime tun. Spenden, die mit dem Hinweis "Für Soheil Arabi" gekennzeichnet sind, werden entsprechend weitergegeben. Weitere Informationen erhalten Sie beim ZdE.


Aktualisierung der Redaktion (24.03.2023): Soheil Arabi wurde inzwischen aus dem Gefängnis entlassen. Informationen von Atheist Republic zufolge kam der Aktivist am 19. März zunächst gegen Kaution frei.

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