Die Bischofskonferenz hat angekündigt, dass Fälle sexuellen Missbrauchs Minderjähriger in der portugiesischen katholischen Kirche untersucht werden sollen. Betrachtet werden soll der Zeitraum von 1950 bis 2022. Betroffene können sich im Internet oder per Telefon melden und schildern, was ihnen angetan wurde. Ende 2022 soll eine erste Auswertung und Übergabe der Daten an die Strafverfolgungsbehörden erfolgen. Auch Kirchenunterlagen sollen gesichtet und ausgewertet werden.
Trotz zahlreicher Versuche zu vertuschen, was nur zu vertuschen ging, Betroffene mundtot oder unglaubwürdig zu machen, musste die katholische Kirche in zahlreichen Ländern zugeben, wie ihre Amts- und Würdenträger, sowie ihre weltlichen Angestellten mit Kindern, Jugendlichen und auch verletzlichen oder abhängigen Erwachsenen umgegangen sind. Während in Deutschland der Umgang mit Betroffenen auf die lange Bank geschoben wird, in Spanien Missbrauchs-Fälle kleckerweise zugegeben werden und Kanada an der Entschädigung von Kirchenopfern arbeitet, versucht die katholische Kirche in Portugal nun einen direkteren Weg.
Da man nichts zu verstecken habe und transparent sein wolle, sollen nun Fälle gesammelt und untersucht werden. Der Schutz persönlicher Daten und die Wiederherstellung der Würde der Opfer seien wichtig.
Trotz der katastrophalen Beispiele aus Nachbarländern wie Spanien oder Frankreich, in denen die jahrzehntelange Vertuschung dem Ansehen der katholischen Kirche massiv geschadet hat, kam auch die portugiesische katholische Kirche nicht von selbst auf die Idee, aktiv Fälle von Missbrauch zu suchen und für die Konsequenzen einzustehen. Erst die öffentliche Petition von 241 Katholik*innen, unter ihnen auch bekannte Autor*innen, gab den Anstoß. Im Jahr 2020 wurden Diözesen-Kommissionen zum Schutz Minderjähriger gegründet. Nach Bekanntwerden eines Falles sexueller Übergriffe eines Priesters auf einen 14-Jährigen bestanden jedoch Zweifel daran, dass diese Maßnahme ausreichend sein sollte.
Die nun eingerichtete Kommission soll unabhängig sein und wird geleitet und koordiniert von Pedro Strecht, Arzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ihn unterstützen fünf weitere Personen aus unterschiedlichen Bereichen. So sind eine Soziologin und ein weiterer Psychiater ebenso dabei wie eine Familientherapeutin und ein Rechtsberater.
Betroffene von Missbrauch ab 1950 sollen sich über die eigens eingerichtete Seite darvozaosilencio.org (Dem Schweigen eine Stimme geben), eine E-Mailadresse oder eine extra eingerichtete Telefonnummer melden und ihre Fälle schildern.
Ende dieses Jahres sollen die über diese Kanäle gemeldeten Fälle, aber auch kirchliche Unterlagen und die mediale Berichterstattung über Missbrauchsfälle ausgewertet und erste Ergebnisse präsentiert werden.