Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hat ihren Arthur-Koestler-Sonderpreis 2022 an Dr. Erika Preisig verliehen. Die Schweizer Hausärztin setzt sich seit vielen Jahren für die Liberalisierung der Suizidhilfe ein.
Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung, die mittlerweile in unregelmäßigen Abständen an Persönlichkeiten vergeben wird, die sich um die Autonomie am Lebensende besonders verdient gemacht haben, wurde im "Hotel Berlin, Berlin" in der Hauptstadt verliehen. Umrahmt von Gesang und Klaviermusik der Band "Between the Minutes" nahm Erika Preisig, Gründerin und Präsidentin des Vereins lifecircle sowie der zugehörigen Stiftung Eternal SPIRIT, den Preis für ihr Lebenswerk entgegen. Ihr Wirken brachte ihr jedoch nicht nur Dankbarkeit, sondern auch Strafanzeigen und ein Gerichtsverfahren ein, in dem sie freigesprochen wurde.
Biographisch geprägt durch den begleiteten Freitod des Vaters, bei dem sie sich durchgerungen hatte, ihm zu helfen, war Preisig zunächst als Konsiliarärztin bei Dignitas tätig, bis sie schließlich ihre eigenen Organisationen gründete. lifecircle ist seit 2011 als Organisation für Beratung und Selbstbestimmung von Patienten und Suizidprävention tätig, während Eternal SPIRIT Freitodbegleitungen ermöglicht und sich für ihre weltweite Legalisierung einsetzt. In der Zeit, als hierzulande der sogenannte "Sterbehilfeverhinderungsparagraph" 217 galt, vermied es die Preisträgerin, nach Deutschland einzureisen. Als eine der Beschwerdeführerinnen beteiligte sie sich aktiv an dessen Anfechtung, die schließlich im Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 mündete, das das Gesetz für ungültig erklärte.
"Erika Preisig macht in ihrer Haltung deutlich, dass nicht etwa eine rigide Ideologie oder ein falsch verstandenes Sendungsbewusstsein, sondern ganz im Gegenteil ein zutiefst empfundener aufgeklärter und weltoffener Humanismus im Zentrum ihres Handelns steht", sagte Prof. Robert Roßbruch, Präsident der DGHS, in seiner Laudatio. Die Hausärztin und die Freitodbegleiterin stellten keineswegs unvereinbare Tätigkeitsfelder dar, so der Rechtsanwalt weiter, "denn die Zuwendung, der Respekt vor jedem individuellen Leben, das Ernstnehmen des persönlich empfundenen Leidensdrucks, all diese Charakteristiken, die wir uns von einer Hausärztin wünschen, diese Charakteristiken werden von Erika Preisig gleichfalls in ihrem Wirken als Freitodbegleiterin verkörpert." Es sei ein weiter Weg, der zurückzulegen sei "von einer gesellschaftlichen Haltung, die Sterben und Tod zu tabuisieren geneigt ist, hin zu einem Miteinander, in dem offen über diese Themen gesprochen werden kann und dem Willen des Individuums, über sein Leben auch zum Lebensende hin so zu bestimmen, keine gesetzlichen und moralpolitischen Hürden entgegengesetzt werden", so Roßbruch abschließend über eine der "wirkmächtigsten Pionierinnen" im Einsatz für ein selbstbestimmtes Lebensende.
Die Preisträgerin zeigte sich nach der feierlichen Übergabe geehrt: "Das bedeutet mir unendlich viel." Sie habe in 21 Jahren Palliativmedizin viele Menschen sterben sehen. Dabei habe sich in ihr der Wunsch entwickelt, dass diese Patienten zu Hause aus dem Leben scheiden dürfen. Den sogenannten "Sterbetourismus" in die Schweiz nannte sie "nicht menschenwürdig", es müsse überall auf der Welt möglich sein, eine Suizidassistenz zu erhalten. Preisig wünscht sich eine "Leidensversicherung" durch die Verfügbarkeit von Natriumpentobarbital, dem Mittel, das am besten für einen schmerzfreien Freitod geeignet ist: Zwei Drittel der Sterbewilligen nutzten den Notausgang gar nicht, wenn sie die Gewissheit hätten, ihn jederzeit nehmen zu können. Doch die Möglichkeit dazu gebe den Menschen Lebensqualität, Zuversicht und Schmerztoleranz.