Frauenschach-WM 2017 im Iran

WM-Boykott wegen Kopftuchzwang

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Im Iran steht die einzige unverschleierte Dame beim Schach auf dem Brett
Schach

Der Weltschachbund FIDE hat Mitte September beschlossen, dass die Frauenschach-WM 2017 im Iran stattfinden soll. Doch im Iran müssen Frauen in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen – das gilt auch für auch Ausländerinnen und Nicht-Musliminnen. Führende Schachspielerinnen protestieren deshalb gegen den Veranstaltungsort.

Während der Olympischen Spiele im August ging es weltweit durch die Medien: Selbstbewusst traten einige Sportlerinnen muslimischen Glaubens im Kopftuch an und betonten, dass es ihre eigene freie Entscheidung sein, das Kopftuch zu tragen. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die US-amerikanische Fechterin Ibtihaj Muhammad, die als erste US-Muslimin mit einem Kopftuch bei Olympia antrat. Sie holte nicht nur eine Bronzemedaille, sondern wurde auch nicht müde zu betonen, wie wichtig ihr das freiwillig getragene Kopftuch ist:

"Wir haben hier bei Olympia die Möglichkeit, noch mehr muslimische Frauen zu inspirieren", sagte Fechterin Muhammad in einem Interview nach dem Achtelfinale. "Es ist schön, immer mehr Frauen mit Kopftuch beim Sport zu sehen" und "ich bin dankbar, dass ich die Chance habe, der muslimischen Gemeinschaft eine Stimme zu geben."

Weite Teile der Presse bejubelten die Kopftuchträgerinnen als Zeichen der integrativen Funktion des Sports über Länder- und Religionsgrenzen hinweg. Kein Wort davon, dass für einen Großteil der muslimischen Frauen weltweit das Tragen eines Kopftuchs oder anderer Verhüllungen keine freiwillig gewählte Option, sondern ein Zwang ist.

Kaum zwei Monate nach den Olympischen Spielen wurde nun ein Sportereignis angekündigt, bei dem genau dieser Kopftuchzwang zum Problem wird. Während der Schacholympiade in Baku Mitte September hat der Weltschachbund FIDE beschlossen, die Frauenschach-WM 2017 im Iran stattfinden zu lassen. Doch seit der Islamischen Revolution 1979 herrscht im Iran Kopftuchpflicht für Frauen – auch für Ausländerinnen und Nicht-Musliminnen. Wer sich nicht an diese Regel hält und als Frau in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch erscheint, wird von der Religionspolizei verhaftet.

Bei Schachspielerinnen und Schachspielern ruft dies international Kritik hervor. Nazi Paikidze-Barnes, U.S.-Schachmeisterin 2016, hat bereits angekündigt, dass sie die Schachweltmeisterschaft im Iran boykottieren wird, weil sie Unterdrückung nicht unterstützen will.

"Ich halte es für unakzeptabel, eine Frauen-Weltmeisterschaft an einem Ort abzuhalten, an dem Frauen fundamentale Rechte verwehrt bleiben und wo sie als Bürger zweiter Klasse behandelt werden", sagte sie der BBC.

Die 22-Jährige Amerikanerin georgischer Herkunft hat eine Petition gestartet, in der sie die Organisatoren auffordert, entweder den Ausführungsort der Weltmeisterschaft 2017 zu verlegen oder den teilnehmenden Frauen selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie Kopftuch tragen wollen oder nicht.

Für die Ankündigung ihres Boykotts erhielt Schachgroßmeisterin Nazi Paikidze-Barnes nicht nur Unterstützung sondern auch Kritik. Ihr wurde vorgeworfen, dass ihr das Verständnis für Islamische Kultur und die iranische Gesellschaft fehle. Paikidze-Barnes wies diese Vorwürfe entschieden zurück:

"Ich bin nicht gegen den Islam oder irgendeine andere Religion. Ich bin für Religionsfreiheit und für Entscheidungsfreiheit. Ich kritisiere den FIDE-Beschluss nicht aufgrund der Religion des Iran oder aufgrund seiner Menschen, sondern aufgrund der Gesetze der Regierung, die meine Rechte als Frau einschränken."

Der Weltschachbund verteidigte in einer offiziellen Erklärung seine Entscheidung. Erstens habe von keinem anderen Land ein Angebot für die Durchführung der Frauenschach-WM 2017 vorgelegen und zweitens habe keiner der Delegierten einen Einwand gegen die Entscheidung gehabt. Eine mögliche Erklärung hierfür liefern die Fotos der Abstimmungsrunde, mit denen die offizielle Stellungnahme garniert ist: Unter den Delegierten befinden sich kaum Frauen.

Doch natürlich haben auch die Frauen im Weltschachbund ein Mitspracherecht. Susan Polgar, Vorsitzende der FIDE-Kommission für Frauen-Schach, versteht die Aufregung um die Entscheidung nicht. Die U.S.-amerikanerische Schachgroßmeisterin ungarischer Herkunft sagte dem britischen Telegraph, Frauen sollten "kulturelle Unterschiede" respektieren.

Polgar betonte, dass sie selbst mit dem Tragen einen Kopftuchs kein Problem habe, wenn es alle trügen, und wies darauf hin, dass die Organisatoren beim Frauenschach-Grand-Prix, der im Februar 2016 ebenfalls im Iran stattgefunden hatte, den Teilnehmerinnen eine "wunderbare Auswahl" an Kopftüchern zur Verfügung gestellt hätten.

"Ich bin in fast 60 Ländern gewesen", sagte Polgar dem Telegraph, "wenn ich andere Gegenden mit anderen Kulturen besuche, zeige ich meinen Respekt, indem ich mich so kleide, wie es dort traditionell üblich ist. Darum hat mich niemand gebeten. Ich mache es aus Respekt."

Respekt ist in bei der geplanten Frauenschach-WM tatsächlich angebracht. Allerdings nicht vor der Einschränkung von Frauenrechten, die im Iran keineswegs kulturell gewachsen ist, sondern dem Land mit der Islamischen Revolution von einer religiösen männlichen Machtelite aufgezwungen wurde. Respekt ist angebracht vor iranischen Frauen und Männern, die mit kreativen Aktionen gegen den Kopftuchzwang und die Beschneidung von Frauenrechten protestieren. Ihrem Mut gilt Respekt. Und Unterstützung.