KONSTANZ. (hpd) Die Humanisten am Bodensee haben zur Solidarität mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr aufgerufen. Wie der Sprecher der “Humanistischen Alternative Bodensee” (HABO), Dennis Riehle, mitteilt, sei die Anzeige gegen den Komiker “nicht nachvollziehbar”.
Wie bereits berichtet, war Dieter Nuhr von einem Muslim vorgeworfen worden, den Islam beschimpft zu haben und als “Hassprediger” aufzutreten. Nach Ansicht Riehles offenbare sich durch die aktuelle Diskussion erneut der Kampf zwischen zwei Grundrechten, der nicht heruntergespielt werden dürfe.
“Aus meiner Perspektive wird die Religionsfreiheit zunehmend weitgreifender interpretiert und drängt damit immer häufiger die Meinungsfreiheit beiseite. Dabei bin ich davon überzeugt, dass letztere den höheren Stellenwert in einer aufgeklärten Demokratie einnehmen muss” bekräftigt Riehle. Religionsfreiheit kann kein Freifahrtschein sein, sie befreit vor allem “nicht von der Kritikfähigkeit, die auch eine Religion an den Tag legen muss”.
Im vorliegenden Kontext käme hinzu, dass die künstlerische Freiheit obendrein ein besonderes Schutzbedürfnis aufweise. Gerade in der Satire, die Pointen ausreizen müsse und damit den Sinn und die Aussagekraft der Botschaften dieser besonderen Form der gesellschaftlichen Reflexion vermitteln zu können.
Und so stellt Riehle fest: “All die im Zusammenhang mit der Anzeige vorgebrachten Äußerungen des Künstlers sind nach meinem Verständnis lupenreine Meinungsbeiträge, von einer Beschimpfung kann ich gar nichts erkennen. Es ist durchaus bezeichnend, welche Sensibilität hier im Umgang mit öffentlichen Standpunkten von einem Vertreter der Bewegung eingefordert wird, die derzeit auf Straßen und in fernen Ländern mit großen Worten und Taten gegen unsere freiheitlichen Werte wettert. Hier gilt es nun auch, diesen demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen, in dem eben nicht mit zweierlei Maß gemessen wird”.
Der HABO-Sprecher verweist darauf, dass “getroffene Hunde eben bellen”: “Offenbar hat Nuhr in ein Wespennest gestochen, bei solcher Aufregung kann ich es mir nicht anders erklären. Würde hinter den Wahrnehmungen des Kabarettisten in Bezug auf den Islam nicht doch eine gewisse Wahrheit stecken, hätte der Anzeigensteller doch problemlos den Weg nutzen können, nicht nur Nuhr, sondern viele andere Menschen, die ähnliche Empfindungen teilen, von einem gegenteiligen Bild seiner Religion zu überzeugen. Jede Weltanschauung muss sich ihre Akzeptanz erringen, auch das Christentum steckt täglich in dieser Herausforderung. Das hat nicht zuletzt die katholische Bischofssynode in Rom gezeigt. Und dass auch der Islam anders kann, dass zeigen uns doch viele gemäßigte Strömungen, die einen Reformprozess bejahen. Die Empörten erreichen im Augenblick nur das Gegenteil – sie zementieren Eindrücke, die Nuhr zugespitzt auf den Punkt gebracht hat”.
14 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nuhr macht das genau richtig. Wünschte mir hier einen gbs-Aufschrei.Aber gut, die haben auch so alle Hände voll zu tun...
F. Nicolai am Permanenter Link
Hast Du gesehen, Hans?
Die Berliner haben etwas gemacht: http://hpd.de/artikel/10446
Hans Trutnau am Permanenter Link
Danke, Frank. Hätte ich eh noch gesehen. Mit gbs alle Hände voll zu tun meinte ich die Oberweseler. Schön, dass das eine Regionalgruppe in die Hände genommen hat.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wie hieß es sinngemäß erhellend schaurig auf einem amerikanischen Demoplakat beleidigter Muslime?
Jo am Permanenter Link
"Jeder Muslim fühlt sich aufgerufen, seinen Gott zu verteidigen.
Wie bitte?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Was ist daran unklar? Da Allah sich nicht selbst verteidigen kann, müssen dies seine Anhänger erledigen. In islamischen Ländern kann diese Verteidigung schon mal etwas ruppiger ausfallen, z.B.
Jo am Permanenter Link
Wie kann man bitte behaupten, es sei "prinzipiell gleichgültig", ob man seine Religion sozialverträglich oder per Selbstmordattentat verteidigt? Wie absurd ist diese Debatte geworden?
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Jetzt habe ich Ihren Kritikpunkt verstanden. "Prinzipiell" heißt (für mich) "einem Prinzip folgend".
Jo am Permanenter Link
Ich verstehe das Argument, halte es aber für wenig zielführend. Ein Mensch, der andere in die Luft sprengt, setzt sein "Prinzip" absolut; ein Mensch, der sich mit anderen streitet, tut das nicht.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wenn der Streit ergebnisoffen und fair ausgetragen wird, bin ich ganz bei Ihnen. Doch leider neigen Vertreter der Religionen dazu, ihre Glaubensinhalte absolut zu setzen.
Jo am Permanenter Link
Ich verstehe Ihr intellektuelles Problem, aber genau dem letzten Satz kann ich mich nicht anschließen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sie beschreiben ein Dilemma. Natürlich lasse ich jedem Menschen seinen Glauben, vor allem ab einem bestimmten Alter ist es fast aussichtslos, ihn zur Vernunft zu bringen.
David am Permanenter Link
"Man ist eben nicht gemeingefährlich, wenn man auf einer irren Meinung beharrt, sondern man ist gemeingefährlich, wenn man andere Menschen (explizit oder implizit) bedroht."
Da sich das eine aus dem anderen speist, halte ich auch die nicht direkt bedrohliche Position für problematisch.
Beispiel: Ist ein rassistischer Mensch oder ein überzeugter Neonazi nicht auch dann problematisch, wenn er (noch?) nicht Gewalt anwendet?
Frank Linnhoff am Permanenter Link
Es steht jedem Bürger frei, eine Klage einzureichen. Warten wir einmal ab, ob das zuständige Gericht die Klage annimmt, und wenn ja, wie das Gericht entscheidet.