BERLIN. (hpd) Der "Gnadauer Gemeinschaftsverband", die größte evangelikale Dachorganisation in Deutschland, hat auf seiner Mitgliederversammlung einen eindeutigen Beschluss gefasst: Die Anwesenden sprachen sich entgegen ihres Präses Diener dafür aus, Homosexuellen den Predigerdienst zu verbieten.
Demnach berufe man Menschen, "die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, weder in den Verkündigungsdienst, noch in Leitungsaufgaben", wie es im Beschluss hieß. Man begründe dies damit, dass die "Lebensform eines Menschen immer mit-spricht und mit-verkündigt". Überdies spreche man sich für die traditionelle Ehe aus, außerhalb davon sei jeder – egal welchen Alters und Geschlechts – zur "Enthaltsamkeit" aufgerufen.
Der Sprecher der Humanistischen Alternative Bodensee (HABO), Dennis Riehle, reagiert empört auf dieses Votum: "Man kennt mich wahrlich nicht als Homosexuellen, der sich nicht auf differenzierte Auseinandersetzungen, auch mit Evangelikalen, einlassen würde. Aber bei solch einer Entscheidung nimmt es auch mir einmal die Worte." Dass sich der Verband für die Ehe aus Mann und Frau aussprechen würde, sei keine Überraschung. Aber die Botschaft, wonach sich Schwule und Lesben nicht zum Predigen oder Leiten der Gemeinde eigneten, sei "Ausdruck einer offen gelebten Homophobie, die auch nichts mehr mit dem Verteidigen biblischer Worte zu tun hat", meint Riehle. Denn dass die "Heilige Schrift" in ihrer Aussage über die heterosexuelle Verbindung vielleicht eindeutig sei, berühre nicht den klaren Ausdruck dafür, wonach auch die Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen wertzuschätzen sei.
"Da brauche ich nicht einmal das allgemein gehaltene Gebot aus 1. Johannes 4,16, sondern blicke allein auf die Passagen, die gerade von Evangelikalen so gern für das Bashing auf Schwule und Lesben herangezogen werden. Im Gegensatz zu den Bibeltreuen lese ich Texte im Zusammenhang und bediene mich der Urschriften, anstatt einzelnen Buchstaben einer ungenauen Übersetzung zu vertrauen", erklärt der HABO-Sprecher. Denn dass Gott sich gegen homosexuelle Paare ausspricht, diese Überzeugung sei doch ausschließlich der Dogmatik einer Lehre entsprungen, die man von anderen Konfessionen her kenne: "Die Evangelikalen machen es damit der katholischen Kirche gleich: Dort sind es die Frauen, die ausgegrenzt werden, hier nun eben die Homosexuellen", so Riehle.
Hier wie dort stelle sich die Frage: Was haben Geschlecht oder sexuelle Orientierung mit der Fähigkeit zu predigen zu tun? "Für das Verkündigen ist insbesondere die Lebenserfahrung, nicht die Lebensform entscheidend. Überdies bedient sich der Verband auch hier wiederum eines unerträglichen Vorurteils, wonach Schwule und Lesben von ihren sexuellen Empfindungen bis ins Detail durchtrieben seien und deshalb wohl keinen Lebensstil führen könnten, der im Alltag auch ohne das beständige Hervorheben der Homosexualität auskomme", betont Riehle, der sich seit langem auch als Journalist mit der Thematik befasst und feststellte: "Ich kenne keinen Gleichgeschlechtlichen, der den ganzen Tag mit der Aufschrift 'Ich bin hetero' durch die Welt läuft. Und so wenig tun es Schwule und Lesben. Dass die sexuelle Orientierung prägt und man sich zu ihr bekennt, ist eine Natürlichkeit, die an meiner Art zu predigen nichts ändert – außer, dass ich zu Toleranz, Respekt und Anerkennung aufrufe. Und das täte auch dem Gnadauer Verband gut", so Riehle, der selbst früher der evangelikalen Bewegung angehörte und als evangelischer Laienprediger ausgebildet wurde.
"Man weiß von mir, dass ich nicht unkritisch gegenüber der sogenannten 'schwul-lesbischen Bewegung' auftrete. Denn ich finde Vieles nicht gut, was sie als angebliche Interessenvertretung der Homosexuellen einfordert. Doch wenn es nun darum geht, dass nicht nur Grundrechte – die zwar nicht diskriminieren, aber durchaus eine Schutzbedürftigkeit und damit Abstufungen im positiven Sinne zulassen können –, sondern eben Menschenrechte tangiert sind, die eben unabänderlich bleiben, dann gehen auch die Evangelikalen mit der Klarheit ihrer Aussendungen deutlich zu weit", formuliert der HABO-Sprecher. "Mir scheinen hinter den Ängsten des 'Gnadauer Verbandes' abstruse Vorstellungen über die Persönlichkeit von Homosexuellen versteckt zu sein, wonach Schwule und Lesben unterwegs seien, um Menschen möglicherweise zu 'umzupolen', 'anzustecken' oder in ihrer Predigt den Homo-Staat auszurufen. Dabei sind Mission und der Versuch des Manipulierens doch eher aus der erzkonservativen Bewegung selbst bekannt. Man erkennt, dass sowohl Aufklärung, aber auch Realitätssinn noch nicht in Gnadau angekommen sind", stellt Riehle fest, und attestiert abschließend: "Wenn nach den Worten des Verbandes alle Menschen außerhalb einer gleichgeschlechtlichen Ehe nicht die besondere Zuneigung Gottes genießen und damit uninteressant für die Evangelikalen sind, muss man sich dort aber alsbald um Ehe-bereitsamen Nachwuchs kümmern. Die gleichgeschlechtlichen Paare dürften es wohl richten…"
9 Kommentare
Kommentare
Mustafa am Permanenter Link
Wozu der Versuch, die Ehre des Christentums zu verteidigen? Im Artikel:
"klare(r) Ausdruck dafür, wonach auch die Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen wertzuschätzen sei."
Die Bibel ist da m.E. eindeutig:
"Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Gräueltat begangen; beide werden mit dem Tod bestraft; ihr Blut soll auf sie kommen." (3 Mose 20; 13)
Ich würde dies als Anlass nehmen, das Christentum als Ganzes offensiv in Frage zu stellen, statt einzelne Ströhmungen gegen andere fein zu differenzieren. Letzteres führt letztendlich immer nur zu weiteren Widersprüchen, mit denen wir unnötig unsere Zeit verschwenden.
Martin am Permanenter Link
In 3 Moses steht auch das ich meine Nachbarn versklaven darf und meine Frau bei ungehorsam steinigen darf, Töchter können verkauft werden und Schalentiere sind verboten.
Ich glaube die Berpredig in Matthäus hat klar gestellt das dieses Gesetzt nicht mehr gilt. Denn alle Gesetzt die nicht genannt wurden (wie besagte Versklavung von Nachbarn) wurde mit dem neuen Gesetz abgelöst.
Dazu ist Homosexualität ein ausdruck von Liebe zwischen dem gleichen Geschlecht und diese wird in der Bibel nie verboten und in 2 Sam 1:23- Ende ganz klar gepriesen!
Lust und Liebe ist der Konflikt den die Bibel darlegt.
Mustafa am Permanenter Link
Jesus in der Bergpredigt (Matthäus 5):
"17: Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.", "19: Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein."
Es ist für Anhänger des Christentums natürlich sehr praktisch, dass von vielen Aussagen und Geboten in der Bibel an anderen Stellen auch das jew. Gegenteil behauptet wird. So konnte z.B. sowohl der letzte Weltkrieg christlich gerechtfertigt werden und die überwiegend christliche Wehrmacht mobilisiert werden als auch nachträglich behauptet werden, das ganze sei "unchristlich" gewesen.
Martin am Permanenter Link
Ja das mit der Deutungshoheit ist immer schwer. Aber auch wenn es im Christentum schwierig ist dann schau mal im Judentum und Islam vorbei.. da gibt es keine Instantz die die Deutungshoheit festlegen kann...
Aber am Ende ist es eben doch was jeder selber Glauben will. =)
Elke Metke-Dippel am Permanenter Link
Ich wundere mich darüber, dass Menschen, die den Gnadauer Verband kennen, etwas anderes erwarten, als diesen Beschluss.
"Man erkennt, dass sowohl Aufklärung, aber auch Realitätssinn noch nicht in Gnadau angekommen sind" ...
Ja also ähm ... Aufklärung? Realitätssinn? Menschenrechte vor Gottesrechte? ... Seit wann sind das Tugenden, die man von bibeltreuen Christen erwarten sollte? Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr ...
MGS am Permanenter Link
@ Mustafa
Die meisten meiner Freunde schneiden sich das Kopfhaar, einschließlich des Haares an den Schläfen, auch wenn dies ausdrücklich verboten ist von Lev 19, 27. Wie sollen sie sterben?
Wer die Bibel liest und ernst nimmt, der sollte "Gottes Wort" nicht deuten wie er will, es gilt: "entweder oder", denn so steht es geschrieben:
"Wenn ein Mann oder Weib ein Wahrsager oder Zeichendeuter sein wird, die sollen des Todes sterben. Man soll sie steinigen; ihr Blut sei auf ihnen." (3 Mose 20; 27)
Auch immer wieder herrlich:
http://cms.regenbogen-nak.org/index.php?id=446
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Die Kritik der HABO an dem eindeutigen evangikalen Beschluss finde ich halbseiden. Eine hermeneutische Kritik an der Bibel ist ein teuflische Absurdität. Wie soll ich von einer Organisation, die sich anerkannter und beschränkter Weise auf diesen gequirlten Unsinn, des in der Bibel zusammengefassten Quatschs, bezieht, Weltoffenheit erwarten?
Eine wichtigere Aufgabe der HABO sollte es doch sein, eine fundamentale Kritik an diesen staatsfinanzierten Macht-Organisationen zur Erhaltung der Volksverdummung zu äußern. Immer wieder klar stellend: Gott schreibt keine Bücher, Menschen tun es.
Michael Paschko am Permanenter Link
Man wird die Entscheidung der Mitgliederversammlung des Gnadauer Verbandes nur dann angemessen einschätzen können, wenn man das zugrundeliegende Verständnis des Verkündigungsdienstes berücksichtigt.
Mit diesem Verständnis der Rolle des professionellen Gottesdieners habe ich mich vor 11 Jahren anhand eines Artikels von Karl-Heinrich Bender in der Zeitschrift der dem Gnadauer Verband angehörenden Reichsgottesarbeitervereinigung auseinandergesetzt: http://www.index.ixhost.de/dashausdesknechts.htm
Der tiefere Grund, warum man einem in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden Menschen den Verkündigungsdienst und Leitungsaufgaben in Untergliederungen des Gnadauer Verbandes nicht anvertrauen möchte, besteht in dem Verständnis, dass diese Mitarbeiter für diese Aufgaben nicht als Berufspersonen einstehen, sondern mit ihrem ganzen Leben einschließlich ihrer ganzen Familie. Ihre Verkündigung besteht nicht nur in den Worten ihrer Predigt, oder den Handlungen im Rahmen ihrer Berufsausübung. Vielmehr predigt nicht nur ihr ganzes Leben sondern sogar ihre ganze Familie mit. Die ganze Familie hat so den Verkündigungsdienst des Verbandsmitarbeiters mit zu tragen und zu stützen. Sie soll dabei ein Beispiel und Vorbild für das Wirken Gottes abgeben. Ein gleichgeschlechtlicher Partner kann nun aber schwerlich ein geeignetes Beispiel für das Wirken Gottes abgeben, denn Gott erachtet es im Verständnis des Gnadauer Verbandes als heilsam für den Menschen als Mann und Frau zusammenzuleben.
Um es mit den Worten von Karl-Heinrich Bender zu sagen:
"Wenn wir aber die Schrift befragen, so wird hier ganz eindeutig die Einheit von Leben und Dienst gesehen. Eine Aufspaltung kennt die Bibel nicht. Jesus Christus ist der Herr über unser Leben und über unseren Dienst. Unser Wandel, und das heißt doch, unsere ganze Lebensführung, Lebensgestaltung und unser Lebensvollzug im Alltag soll unter der gestaltenden Kraft des Evangeliums stehen. Es gibt eine unaufgebbare Verklammerung von Botschaft und Bote, von Verkündigung des Evangeliums und dem persönlichen Leben des Verkündigers. Leben und Dienst sollen aus einem Guß sein. Wer das geistliche Mühen um die Einheit von Leben und Dienst aufgibt, lauft Gefahr, daß er das, was er am Sonntag predigt, im Alltag durch sein Leben aufhebt und zerstört. Er streicht mit seinem Leben das verkündigte Evangelium durch."
Und zur Rolle der Familie schreibt er weiter unten in seinem Text:
"In diesem Zusammenhang muß nun auch die Familie, das Haus des Knechtes Jesu Christi erwähnt werden. Ich weiß um das unsachliche und ungeistliche Urteil über Prediger- und Pastorenhäuser und Kinder. Darüber könnte an dieser Stelle sehr viel gesagt werden. Dennoch wollen wir uns sogleich dem zuwenden, was die Schrift darüber sagt. Für unser Leben und Dienen, dazu auch für unser Haus, hat Paulus klare Weisung gegeben, wenn er sagt: 'Es soll aber ein Bischof unsträflich sein, eines Weibes Mann, nüchtern, mäßig, sittlich, gastfrei, lehrhaft, der seinem eigenen Hause wohl vorstehe, der gehorsame Kinder habe mit aller Ehrbarkeit. So aber jemand seinem eigenen Hause nicht weiß vorzustehen, wie wird er die Gemeinde Gottes versorgen?' (1. Timotheus 3, 2. 4. 5) Das sollen wir gewiß nicht als ein drückendes und hartes Gesetz verstehen. Aber wie schwer ist der Dienst, wenn Mann und Frau und Kinder nicht in einem Geiste, in einer Liebe, in einem Glauben und in bereitwilligem Gehorsam stehen. 'Es ist ein Unglück, wenn der geistliche Dienst eines Knechtes Jesu Christi einerseits und eine ungeistliche Ehe und Familie andererseits nebeneinander herlaufen oder gar kraß auseinanderklaffen.' Unsagbar groß und reich ist der Segen, wenn Dienst, Leben, Person, Haus und Familie unter der beherrschenden Macht Jesu Christi und seines Evangeliums stehen."
Quelle: http://alt.rgav.de/akzente/alteHefte/72-3.doc
Es ist also in erster Linie nicht die Homosexualität eines Predigers ins spe, die hier ein Problem darstellt, sondern das Verständnis der Rolle der Familie eines Verbandsmitarbeiters. Und hier hat eigentlich auch die Kritik anzusetzen. Nicht Homophobie ist an dieser Stelle zu kritisieren (die ist nur Voraussetzung und Anlass), sondern der Umgang des Gnadauer Verbandes mit den Familien (insbesondere mit den Kindern) seiner Mitarbeiter. Dass dieser Ungeist, der 1972 so offen von Karl-Heinrich Bender verteidigt und eingefordert wurde, offenbar immer noch sein Unwesen im Gnadauer Verband treibt, ist der eigentliche Skandal.
Eigentlich muss man der Mitgliederversammlung dankbar sein, dass sie wenigstens die Partner und Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften davor bewahrt, für den Dienst am Herrn missbraucht zu werden. Eine wirkliche Lösung bestünde allerdings nur in der Einführung des Zölibats. Dann stünde es endlich auch den Homosexuellen offen, Prediger im Gnadauer Verband zu werden. Es liegt da durchaus eine tiefere Weisheit in dem, was die katholische Kirche in diesem Zusammenhang praktiziert (bitte keine bösen Kommentare - man beachte die feine Ironie).
Schmall am Permanenter Link
Ich bin immer wieder davon überrascht, wie sehr einige Menschen meinen, die Evangelikalen kämen auf ihre theologischen Aussaagen, weil sie Evangelikal seien (wobei im gleichem Absatz dann noch aufgezeigt wird, wie dum
Um mal aufzuzeigen, dass man sogar in der liberal geprägten EKD, in einer Streitschrift genau zu diesem Thema, ebenfalls zu der Aussage kommt, dass praktizierte Homosexualität nicht dem Willen Gottes entspricht, sei auf folgendes offizielles Papier verwiesen:
https://www.ekd.de/familie/spannungen_1996_2.html
Das ist zwar von 1996, aber ich behaupte mal, dass die Halbwertzeit von Aussagen/ Erkenntnissen in der Theologie im Vergleich zu anderen, dynamischen Fachgebieten wohl 20 Jahre locker abdeckt.
Wer das Papier liest, wird schnell merken, dass, nachdem festgestellt wurde, dass es Sünde (!= Gottes Wille) ist, sogleich schwammig mit "Liebe" argumentiert wird, um dann doch Sünde gottgefällig leben zu können. Beeindruckend. Da sind die Gnadauer konsequenter.
Paul Heier am Permanenter Link
Gott lehnt ganz klar die Homosexualität ab. Es steht sinngemäß im Römerbrief, weil sich die Menschen gegen ihn erhebten, überliess er sie ihren schändlichen Leidenschaften von Mann und Mann und Frau und Frau.