DÜSSELDORF. (hpd) Die Empörung war groß, als die politischen Motivwagen von Jacques Tilly beim abgesagten Rosenmontagszug kurz vor dem Düsseldorfer Rathaus zu sehen waren. Heftige Reaktionen kamen vor allem aus der Türkei und Polen. Doch Tilly bleibt seiner bissigen Satire treu.
Obwohl der Rosenmontagszug nach einer Unwetterwarnung im Februar abgesagt werden musste, wurden die politischen Mottowagen vor dem Rathaus in Düsseldorf präsentiert. Wie jedes Jahr griff der Wagenbauer Jacques Tilly hochaktuelle politische Themen auf und verarbeitete sie mit satirischem Spott. Erste Beschwerden mussten dabei nicht lange auf sich warten lassen.
Nach der Darstellung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der mit einem IS-Terroristen auf den blutigen Kampf gegen die Kurden anstößt, schaltete sich die türkische Generalkonsulin, Şule Gürel, ein. Sie zeigte sich empört und verlangte, dass der Wagen umgehend entfernt wird. Das Düsseldorfer Karnevals-Komitee verteidigte den Wagen und verwies dabei auf die Meinungsfreiheit.
Die Türkische Gemeinde Düsseldorf schrieb daraufhin einen von mehreren Organisationen unterzeichneten Brief an Jacques Tilly, in dem gegen den Wagen protestiert wird. "Diese Satire konnten wir für uns weder mit der Narrenfreiheit noch mit der Presse- und Meinungsfreiheit vereinbaren", erklärte die Gemeinde und zieht am Ende des offenen Briefes einen fragwürdigen Vergleich: "Wenn einige in der Türkei, wegen der von der NSU-Terrorzelle ermordeten türkischstämmigen Opfer, auf die Idee kommen würden unsere Bundeskanzlerin in einem Hitler-Outfit und einer NS-Uniform darzustellen, während sie türkisches Blut trinkt und diese dann anschießend in türkischen Straßen zu Schau gestellt werden würde, würden wir gleichermaßen reagieren und betonen, dass dies mit Satire und Meinungsfreiheit nicht in Einklang gebracht werden kann." Von einem erneuten Vorführen des Karnevalwagens beim Nachholtermin solle Tilly deswegen absehen.
Doch auch ein anderer Motivwagen sorgte am Rosenmontag für Ärger. Dieser zeigt Polens nationalkonservativen Parteichef Jaroslaw Kaczynski, wie er mit seinem Stiefel eine Polen darstellende Frau auf den Boden niederdrückt. Der polnische Außenminister, Witold Waszczykowski, intervenierte einen Tag später. "Wir werden auf diplomatische Art darauf aufmerksam machen und unsere Partner in Deutschland fragen, wem das dient", sagte Waszczykowski im polnischen Rundfunk. Der Mottowagen sei eine "Verachtung der Polen und der polnischen Politiker".
Schließlich schaltete sich die Bundesregierung ein: "Wir haben in Deutschland eine Freiheit der Meinungsäußerung und eine Freiheit der Kunst", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Jacques Tilly bleibt bissig
Wegen den provokativen Motivwagen hat Jacques Tilly viele Kommentare und Anrufe erhalten. "Einen solchen Shitstorm habe ich selten erlebt", meinte Tilly gegenüber dem hpd. Eine Frau habe sogar aus den USA angerufen, um sich zu beschweren. Doch Tilly lässt sich nicht beirren. "Die rote Linie ist noch lange nicht erreicht", erklärte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
Sechs neue Mottowagen hat er für den morgigen Karnevalsumzug gebaut. Denn "kalten Kaffee" lässt Tilly nicht über Düsseldorfs Straßen rollen. Und sicher ist eines: Sie werden wieder bissig sein.
12 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wenn die Herren Erdogan und Kaczynski andere Politik machen würden, könnte Jacques ihnen auch andere Wagen widmen. Doch so finde ich sie hervorragend getroffen.
Außerdem: Besser Humor trifft, als Kugeln...
Dieter Bauer am Permanenter Link
In Politik und Religion ist viel Gemeinsamkeit anzutreffen. Beide brüllen berechtigte Kritik mit dümmlichen Sprüchen nieder. Positive Verhaltensänderungen sind nur durch freie Meinungsbekundung erreichbar.
Imre Korikov am Permanenter Link
Die Erdogan gewidmete Satire ging für mich noch nicht weit genug. Erdogan ist ein Völkermordleugner, Antisemit, Homosexuellenfeind und ein Misogyn sollte noch schärfer kritisiert werden.
Markus Schiele am Permanenter Link
Die Reaktionen auf die Motivwagen zeigen wieder einmal deutlich, wie notwendig diese Art von Satire ist. Zugespitzt: So lange Provokation wirkt, ist sie wohl nötig.
Satire ist die vermutlich schärfste Waffe des Humanismus und wir sollten sie uns von niemandem streitig machen lassen!
Vielen Dank, Jacques Tilly!
Rainer Bolz am Permanenter Link
Ja gibt's da nicht für alle Beschwerdeführer auch etwas von Ratiopharm?
Mit seiner Produktpalette deckt deckt es nahezu alle Therapiegebiete ab.
Gute Preise, gute Besserung!!!
Stefan Dewald am Permanenter Link
„Wenn einige in der Türkei, wegen der von der NSU-Terrorzelle ermordeten türkischstämmigen Opfer, auf die Idee kommen würden unsere Bundeskanzlerin in einem Hitler-Outfit und einer NS-Uniform darzustellen, während sie
Ja, bitte macht das! Das ist eine gute Idee.
Sonst macht Jacques Tilly das noch selbst. *grins*
Arnold am Permanenter Link
Sehr schöne Antwort.
Das hätte man aber wirklich mal machen sollen, jedenfalls mit der Polizei, die auf dem rechten Auge sowas von blind zu sein scheint. Ist aber wohl nicht mehr aktuell genug.
Wolfgang am Permanenter Link
Kritik trifft immer ins Schwarze. Ich mag keine kritiklosen Menschen. Kritik ist immer angebracht, wenn sie notwendig ist. Den einen eine Freude, den anderen ein Ärgernis. Wie schön.
Erwin am Permanenter Link
Sowohl Türkei als auch Polen sind auf dem Weg in eine Diktatur. Die Beschränkung der Verfassungsgerichte und der Presse sind Schritte auf dem Weg dahin.
Roland Fakler am Permanenter Link
Lauter gute Kommentare! Da kann ich nur zustimmen.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Auf der politischen Bühne und im täglichen Leben erweist sich der als wahrer Freund, der mir den Spiegel blitzblank gesäubert vorhält.
Kay Krause am Permanenter Link
Es gäbe viel dazu zu sagen, das meiste zu bestätigen!