ODERNHEIM. (hpd) Bekanntlich bringt Der Spiegel Sondernummern zum Themenbereich Geschichte heraus, sechs Nummern pro Jahr. Die letzte Sondernummer des abgelaufenen Jahres (Nr. 6/ 2014) ist der Geschichte der Bibel gewidmet. Während fast alle Beiträge dieses Bandes erfrischend kritisch mit dem zugrunde liegenden Geschichtsmaterial umgehen, über die lange Liste von Mythen, Legenden, Märchen, Lügen referieren, die die Bibel enthält bzw. aus denen sie besteht, werden die Leser auf den Seiten 102 – 107 plötzlich mit einer weitgehend unkritischen Lobeshymne auf Martin Luther überrascht.
Kein Zweifel, Luther gehört in dieses Sonderheft über die Bibel, weil er sie ins Deutsche übersetzt hat und dafür ja auch schon im Laufe der Jahrhunderte Laudationen ohne Ende und von allen Seiten erntete. Das Schlimmste an diesem Aufsatz über Luther aber ist, dass sein Verfasser Uwe Klussmann hier ganz generell als Minnesänger Luthers fungiert, keine Pointe auslässt, um ihn – man höre und staune – zum Befreiungstheologen mit einem revolutionären Potenzial hochzustilisieren.
All das erschreckend, ja unmenschlich Negative, das Luther gesagt bzw. angerichtet hat, wird in diesem Beitrag mit keinem Wort erwähnt. Dass er wüsteste und brutalste Hetzreden und Aufrufe gegen eine Unzahl von Menschen und Menschengruppen hielt bzw. verfasste und allen Ernstes, mit allem Nachdruck ihre Vernichtung forderte, verschweigt der Beitrag völlig. Dabei steht für die Religionswissenschaft seit langem eindeutig fest: Was Luther gegen Frauen, Ketzer, Sektierer, Leibeigene, die keine mehr sein wollten, gegen Juden, Prostituierte, die Philosophie, Philosophen und Humanisten an tödlichem Gift versprühte, ist auf seine Weise so einzigartig negativ, dass ihm diesbezüglich kein anderer Religionsstifter, kein Reformator auch nur annährend das Wasser reichen kann. Selbst der Koran und der Talmud in ihren negativen Aussagen über bzw. gegen Nichtgläubige können im Vergleich zur geballten Wut von Luthers mörderischen Hetztiraden nicht mithalten.
Kein Wunder, dass ihn Friedrich Nietzsche deshalb ein “Unglück von einem Mönch” nannte und der neomarxistische Philosoph Ernst Bloch ihn zu den “großen Selbsthassern” zählte, der die ganze Welt und Menschheit als “Widerschein” seiner existentiellen und ethischen Verzweiflung erlebte. Andere seriöse Kritiker sind in ihrem Urteil über Luther eher noch schärfer. Luthers Menschenbild und seine Thesen zur Sexualität seien “eine verderbliche Perversion, ein Verbrechen am Menschen und ein wuchernder Wahn”, urteilt W. Ronner, Autor des Klassikers “Die Kirche und der Keuschheitswahn”. Die Rechtsanwälte C. Sailer und G.-J. Hetzel begründen in ihrer Schrift über gewisse verfassungsfeindliche Umtriebe in allen Einzelheiten, dass “Luther nach heutigem Rechtsverständnis ein Krimineller war, den der Staatsanwalt sofort verhaften ließe, wenn er seiner habhaft würde – wegen Volksverhetzung (§ 130 StGB), Anstiftung zum Mord (§§ 26, 211 StGB), Anstiftung zum Landfriedensbruch (§§ 26, 125 StGB) und Anstiftung zur schweren Brandstiftung (§§ 26, 306 StGB)”.
Im Folgenden ganz konkret einige “Kostproben” aus Martin Luthers ureigenstem Gruselkabinett: Über die Bauern: Ihren Kampf gegen die Fürsten und Lehnsherren um Befreiung aus unsäglich ungerechten Abhängigkeitsverhältnissen nennt Luther “nichts als Teufelswerk”, es könne “nichts Giftigeres, Schädlicheres, Teuflischeres” als diese Bauern geben, sie “dienten dem Teufel unter dem Schein des Evangeliums”, weswegen “sie wohl zehnmal den Tod verdient haben an Leib und Seele”; sie seien “des Teufels” und bildeten einen “teuflischen Bund der Bosheit und Verdammnis”. Wer einen aufrührerischen Bauern “erwürgen mag, tut recht und wohl. Denn über einen öffentlichen Aufrührerischen ist ein jeglicher Mensch beides, Oberrichter und Scharfrichter… Drum soll hier zuschmeißen, würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann… Gleich, als wenn man einen tollen Hund totschlagen muss.”
Ein derartiger “Befreiungstheologe” ist Luther, dass er den Befreiungskrieg der Bauern in schärfster Weise verurteilt und verbietet: “Denn hundert Tote sollte ein frommer Christ erleiden, ehe er ein Haarbreit in der Bauernsache einwilligte”. Nach Luther dürfen sich die Bauern auf das “christliche Recht im Neuen und Alten Testament und auch das natürliche Recht” nicht berufen, weil es im Grunde nur ein christliches Recht gebe, “sich nicht zu sträuben gegen das Unrecht, nicht zum Schwert zu greifen, sich nicht zu wehren, sich nicht zu rächen, sondern Leib und Gut dahinzugeben, dass es raube, wer da raubt – wir haben doch genug an unserem Herrn… Leiden, leiden, Kreuz, Kreuz ist der Christen Recht, das und nichts anderes… Ein Christ lässt reden, rauben, nehmen, drücken, schinden, schaben, fressen und toben, wer nur will; denn er ist ein Märtyrer”.
Der “Befreiungstheologe” Luther mit seinem “revolutionären Potenzial” lobt sich sogar noch: “Ich, M. Luther, hab im Aufruhr alle Bauern erschlagen, denn ich hab sie heißen totschlagen; all ihr Blut ist auf meinem Hals.”
Über die Frauen: “Das Weib ist geschaffen zur Haushaltung, der Mann aber zur Policey, zu weltlichem Regiment, zu Kriegen und Gerichtshändeln, zum Verwalten und Führen”. Nach Luther “hat Gott das Weib geschaffen, dass es soll bei dem Mann sein, Kinder gebären und Haushaltung verwalten… Das Weib wird selig durch Kindergebären”. Geradezu zynisch klingt es, wie Luther die Frauen zu Gebärmaschinen degradiert: “Ob sie sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, sie sind drum da. Es ist besser, kurz gesund, denn lange ungesund leben”. Nach Luther “mangelt es Weibern an Stärke und Kräften des Leibes und am Verstande”. Ihr Mangel an Verstand bewirke, dass “der Weiber Regiment von Anfang der Welt nie nichts Guts ausgerichtet hat… Weiberregiment nimmt selten ein gut End!” Sie haben zwar “Worte genug, doch fehlt und mangelt es ihnen an Sachen, da sie diese nicht verstehen, drum reden sie auch davon läppisch, unordentlich und wüste durcheinander über die Maßen… Wenn Weiber beredt sind, ist das an ihnen nicht zu loben, es passt besser zu ihnen, dass sie stammeln und nicht gut reden können. Das ziert sie viel besser”. “Unersättlich wie die Haltlosen sind die Frauen. Der Teufel kann sie nicht genug schmücken”.
Über die Juden: Der in die Bibel des Alten wie des Neuen Testaments verliebte Luther möchte aber den Juden sogar das Lesen ihrer Bibel verbieten. “Ihr Juden”, so Luther, “seid doch nicht wert, dass ihr die Biblia von außen solltet ansehen, geschweige dass ihr drinnen lesen solltet. Ihr solltet allein die Bibel lesen, die der Sau unter dem Schwanz steht und die Buchstaben, so da selbst herausfallen, fressen und saufen. Das wäre eine Bibel für solche Propheten, die der göttlichen Majestät Wort… so säuisch zerwühlen und so schweinisch zerreißen”. Allen Ernstes fordert Luther, dass man den Juden “alle ihre Bücher nehme, Betbücher, Talmudisten, auch die ganze Bibel und nicht ein Blatt ließe”; und dass man den Ort, wo sie ihre Bibellesungen abhalten, “ihre Synagoge mit Feuer verbrenne. Und werfe hier zu, wer da kann, Schwefel und Pech. Wer auch höllisch Feuer könnt zuwerfen, wäre auch gut…” An anderer Stelle fordert Luther, “dass man ihre Synagoge oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehe ewiglich.” Den Christen ermahnt er, nicht daran zu zweifeln, “dass du nächst nach dem Teufel keinen bittereren, giftigeren, heftigeren Feind hast denn einen rechten Juden, der mit Ernst ein Jude sein will”. Juden sind nach Luther “durstige Bluthunde und Mörder der ganzen Christenheit mit vollem Willen”. Die Fürsten und Herren ruft Luther geradezu zu Judenpogromen auf, da er sie auffordert, “dass ihr und wir alle der unleidlichen teuflischen Last der Juden entladen werden”. Die Juden seien “ein solch heilloses, durch und durch böses, durchgiftetes, durchteufeltes Ding”, dass sie “1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind”. “Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen” und ihre von Rabbinern geführten Schulen seien “Teufelsnester”.
4 Kommentare
Kommentare
Manfred Tarlowski am Permanenter Link
Es ist auf den ersten Blick nicht so recht erkenntlich, welchen Zweck dieser Artikel verfolgt.
Immerhin veröffentlicht Mynarek mittlerweile nicht mehr im Verlag „Das Weiße Pferd“, der dem Universellen Leben nahesteht. Dort wird Luther als „Menschenfeind“ bezeichnet und die katholischen Bischöfe als „Götzendiener“. Über sich selbst schreibt das Universelle Leben: „Das Universelle Leben ist der universale Lebensstrom, der vom ewigen Vater ausgeht und den Jesus von Nazareth uns lehrte und uns vorlebte. Der Universale Lebensstrom ist das allumfassende Lebensgesetz der Himmel.“
Im Jahr 2009 war Mynarek Ehrengast bei der Eröffnung der Scientology „Kirche“ in Berlin (der hpd berichtete: http://hpd.de/node/909 ) Somit aus atheistischer Sicht eine nicht unproblematische Figur. Gunnar Schedel vom Alibri-Verlag hat schon vor Jahren auf „Seltsamkeiten“ bei Myranek hingewiesen. http://www.miz-online.de/Archiv/2-02/Sektenjagd-Inquisition Warum beachtet dies niemand?
Es fragt sich doch, ob Mynarek Luther und dessen geschichtliche Bedeutung aus einer atheistischen und wissenschaftlichen Sicht bewertet oder aus einer religiös-sektiererischen Vorstellung heraus Luther einfach nur niedermachen will. Sein Artikel enthält im Wesentlichen die Aneinanderreihung von mittlerweile in der atheistischen Szene sattsam bekanntem Wissen über Martin Luther. Also nichts Neues. Der hpd sagt von sich, er präsentiere „aufklärerische Positionen“. Was soll an diesem Artikel aufklärerisch sein? Mynarek ist ja nicht einmal in der Lage, die von ihm kritisierten Ausführungen des Spiegel darzustellen und sich damit auseinanderzusetzen. Das sollte nicht das Niveau der atheistischen Szene sein. Und das Niveau des hpd erst recht nicht.
Ralf am Permanenter Link
Hallo Herr Tarlowski, kann es sein, dass Sie ein Mitglied der evangelischen Kirche sind, der sich sehr über Mynareks fundierte Lutherkritik ärgert?
Aus meiner Sicht ist es unfassbar und mit einer Demokratie des 21. Jahrhunderts völlig unvereinbar, was für Leute in Deutschland heute noch auf den Sockeln von Denkmälern stehen. Und der Höhepunkt ist ja noch, dass für diesen Lutherkult aufgrund von milliardenschweren staatlichen Subventionen auch Nichtkirchenmitglieder aufkommen müssen.
Aus diesem Grund bin ich Hubertus Mynarek für seine Aufklärungsarbeit sehr dankbar. Warum sich der Ärger von Kirchenmitgliedern gegen Herrn Mynarek richtet, anstatt gegen die eigene Organisation, von der sie ja bezüglich Luther nun fast 500 Jahre lang belogen worden sind, ist mir schwer verständlich. Verärgerte Kirchenmitglieder sollten sich auch einmal bewusst machen, dass hier niemand die Religionsfreiheit in Frage stellen möchte und auch niemand auf den Scheiterhaufen gestellt werden soll. Genau das und auch noch andere Hinrichtungsmethoden hat aber Luther gegen Andersgläubige und sogenannte Hexen gefordert.
gg am Permanenter Link
Selbstverständlich hat die EKD ein Problem mit der Darstellung Luthers, und dieses Problem wird durch (inkompetente, opportunistische) Politiker, (hämische, aber selber genug Dreck am Stecken habende) katholische Prop
In der Tat: je mehr man sich mit Luther beschäftigt, desto widerwärtiger kann einem dieser Mensch werden, der ja auch für seine Zeit ein Fanatiker war: das lässt sich nicht mit „zeittypisch“ herunterregeln. Man vergleiche mit Luther etwa Erasmus von Rotterdam. Sicherlich schwierig für die EKD. Sollte sie allerdings tatsächlich den Weg des Euphemisierens wählen, den auch die Politiker aus durchsichtigen Beweggründen favorisieren, dann könnte das ein weiterer Sargnagel für ihre Zukunft werden. Luther hat zwar in der Tat einige Entwicklungen der Moderne mit angebahnt, dies aber komplett gegen seine Absicht. Mit der heutigen EKD könnte er sicher nichts anfangen, eher noch mit den Pius-Brüdern und den Islamisten.
Achim Morina am Permanenter Link
Ich fand es dennoch - entgegen der kritischen Beurteilung des anderen Bewerters - ganz gut, und auch wenn ich als Agnostikerin (denn anderes ist nicht redlich), lange nicht alles seitens der HPD teile - weil sie viele