Schon länger war von dem Trierer NPD-Vorsitzenden Safet Babic nichts mehr zu hören. Am vergangenen Mittwoch demonstrierte er jedoch wieder in Rheinland-Pfalz und warb dabei mit Luther für die NPD.
Safet Babic erlangte vor zwei Jahren bundesweite Aufmerksamkeit, als er mit dem unfreiwillig komischen Mobilisierungsvideo "Buntes Trier, nicht mit mir – 444!" zum Gespött der Nation wurde. Das Video wurde zum viralen YouTube-Hit, der durch die Parodien von Jan Böhmermann und Oliver Kalkofe eine große Reichweite erzielte. Danach war es lange Zeit ruhig geworden um den Trierer NPD-Vorsitzenden mit dem bemerkenswerten Faible für Fettnäpfchen. Mit einer Ausnahme: Zwischenzeitlich wurde er beim heimlichen Döneressen ertappt.
Am vergangenen Mittwoch war er dann aber plötzlich wieder da. An vier Stationen in Rheinland-Pfalz hielt er gemeinsam mit einer handvoll Gesinnungsgenossen Wahlkampfkundgebungen ab. Mit im Gepäck war das neue NPD-Plakat, auf dem Martin Luther mit dem Satz "Ich würde NPD wählen – Ich könnte nicht anders" abgebildet wird. Die Sympathie für den Reformator hat seine Gründe: Denn Luther hatte sich nicht nur Verdienste für die deutsche Sprache erworben, sondern war zugleich einer der wirkmächtigsten Vertreter des Judenhasses.
Wenige Tage zuvor hatte ein Luther-Plakat der NPD bereits für Aufsehen gesorgt. Das Plakat hing direkt gegenüber der Trierer Konstantinbasilika, in deren Nähe demnächst ein "Martin-Luther-Platz" eingeweiht werden soll. Der Evangelische Kirchenkreis Trier bewertete das Motiv als Instrumentalisierung von Luther durch die NPD. Es sei "ein Ärgernis" und "eine Provokation", wie Pfarrer Reinhard Müller gegenüber dem SWR erklärte.
Anders bewertet es Bernd Kammermeier, der sich intensiv und kritisch mit Luthers Schriften beschäftigt hat. Für ihn sei es sogar vorstellbar, dass Luther heute NPD-Wähler wäre: "Extremisten – und wer mag bestreiten, dass Luther ein fundamentalistischer Extremist war? – wählen oft Extremisten", so Kammermeier in einem Kommentar auf dem hpd.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Dumpfbacken gibt's heute wie es sie vor 500 Jahren gab.
Ich denke, auch noch *in* 500 Jahren.
Arno Gebauer, ... am Permanenter Link
Moin,
das Wahlplakat der NPD ist richtig:
https://hpd.de/node/13504#page-footer
Richtig wäre es auch, den geistigen Brandstifter des Holocaustes
aus dem Bewußtsein der deutschen Bevölkerung zu verdrängen.
Dieser Verbrecher hat genug Unheil angerichtet.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich erfuhr von einen Dialog mit Pfarrer Dieter Stößlein, Lutherdekade Coburg, über das NPD Plakat, das er als „schrecklich und geschmacklos“ bezeichnete.
Ich habe diese Stellungnahme – ebenfalls als offenen Brief – kommentiert. Meine Kommentare habe ich hier mit >B.K.: und abschließend < kenntlich gemacht:
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Stellungnahme von Prof. Dr. Anselm Schubert:
Der Wahlkampfslogan der NPD „Luther würde NPD“ wählen, ist geschmacklos, falsch und ein billiger Versuch, die eigene Position durch Verweis auf eine historische Person salonfähig zu machen:
1) Wenn die NPD behauptet, „Er wäre mit Sicherheit keiner von ihnen [Politiker der etablierten Parteien und Kirchenasyl gewährende Funktionäre der großen Kirchen] gewesen, weil er es ablehnte, sich Meinungsdiktaten zu beugen und von einer fremden Macht (damals Rom, heute Brüssel und Washington) regiert zu werden“, ist zu entgegnen:
● Luther hat 1521 in Worms gegenüber Kaiser, Kirche und Reich nicht individuelle Meinungs- und Gewissensfreiheit eingeklagt, sondern umgekehrt festgehalten, dass sein Gewissen im „Wort Gottes gefangen“ ist und gefordert, dass in der Kirche allein das Wort Gottes gelten solle.
Wenn sich die NPD auf Luther berufen will, muss sie nachweisen, dass ihre Positionen mit der Bibel übereinstimmen. („Den Fremdling sollt ihr nicht bedrücken; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland“ Lev 19,33f.)
>B.K.: Luther hat die Bibel nachweislich bewusst judenfeindlich verfälschend übersetzt und so z.B. das AT auf Jesus bezogen. Daneben enthält die Bibel genügend Stellen, die sogar bibelfeste Nazigrößen (z.B. Julius Streicher) zu ihren judenfeindlichen Gesetzen inspirierte:
„Wenn der Herr, dein Gott, dich in das Land geführt hat, in das du jetzt hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, wenn er dir viele Völker aus dem Weg räumt – Hethiter, Girgaschiter und Amoriter, Kanaaniter und Perisiter, Hiwiter und Jebusiter, sieben Völker, die zahlreicher und mächtiger sind als du –, wenn der Herr, dein Gott, sie dir ausliefert und du sie schlägst, dann sollst du sie der Vernichtung weihen. Du sollst keinen Vertrag mit ihnen schließen, sie nicht verschonen und dich nicht mit ihnen verschwägern…“ (5.Mose 7,1-3)
Das ist nur ein Beispiel von vielen Versen, in denen die Vernichtungsweihe biblisch befohlen wird. Diese wird an keiner Stelle aufgehoben oder relativiert. 3.Mose 19,33f steht also recht isoliert im AT und beschreibt letztlich die orientalische Gastfreundschaft, die bis heute die Basis des Zusammenlebens im Vorderen Orient bildet.
Die Bibel befürwortet hingegen als „Gottes Wort“ die Landnahme und Ausrottung der einheimischen Bevölkerung (was auch eines der „großen“ Ziele der Nazis war). Außerdem entstammen die „Rassegesetze“ laut Julius Streicher dem AT, was er in seiner Verteidigungsrede im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess detailliert begründet.
Warum hätte also Luther, der mit „sola scriptura“ die Bibel als seinen einzigen Ratgeber auserwählte, Personen, die er aus Deutschland vertrieben sehen wollte, Asyl gewähren sollen? Als Beispiel mag hier Luthers „Brief an Josel von Rosheim“ gelten (enthalten in Band 2 der judenfeindlichen Schriften Luthers, Alibri 2017), in dem Luther die Bitte des jüdischen Schtadlans um Unterstützung bei der Aufhebung eines Ausweisungs-Edikts für Juden aus Kursachsen abschlägig beantwortet. Juden sollten also die Heimat Luthers verlassen. Sie sollten überhaupt nicht in Deutschland sein. Warum dann also in Kirchen, wodurch diese für Luther heiligen Gebäude von teuflischen, ketzerischen und gottlosen Gesellen entweiht würden? Allein der Gedanke an Kirchenasyl für Nicht-Lutheraner wäre Luther völlig fremd gewesen.
Das Denken Luthers passt also sehr gut zum völkisch-rassistischen Denken der NPD, auch wenn es nach außen weniger aggressiv auftritt als Luthers vielfach niedergeschriebene Meinung. Doch in den „Kerngedanken“ ähneln sich Luther und NPD auf fatale Weise.<
● Luther hat demgegenüber die weltliche Ordnung seiner Zeit und das landesherrliche Kirchenregiment niemals in Frage gestellt. Spätestens seit 1525 leitete er den Aufbau genau jener obrigkeitlichen Kirche ein, die die NPD so scharf kritisiert.
>B.K.: Der Zweck des Kirchenregiments in Zusammenarbeit mit der weltlichen Obrigkeit (anfangs gar nicht zu trennen, da Landesherr und Landesbischof oft ein und die selbe Person war) war aus Luthers Sicht, die Deutschen zu guten Christen zu machen und ALLES Fremde von Deutschland fernzuhalten. Selbst die katholische Lehre lehnte er ab, weil sich Rom angeblich von Jesus und dem NT entfernt hätte. Die Toleranz Andersdenkenden gegenüber tendierte bei Luther gegen Null. Nur wer Jesus Christus in seinem Sinn anerkannte, fand einen Platz in Luthers mittelalterlicher Welt.
Vor allem Juden und Muslime hatten für ihn in Deutschland nichts zu suchen und er war für Pogrome gegen Juden (Muslime gab es in seiner Umgebung keine) mitverantwortlich, bzw. er hat sie selbst angeregt. Das ist 100% NPD-Wunschdenken. Luther hat darüber hinausgehend in seinen letzten Briefen an seine Frau Katharina von Bora zum Ausdruck gebracht, dass er es gerne sehen würde, wenn die Juden nun auch physisch vernichtet würden, was zu fordern sich die NPD heute nicht offen wagt. Luthers Tod hat ihm hierbei einen Strich durch die Rechnung gemacht.<
2) Wenn die NPD behauptet, Luther sei ein „aufrechter Patriot“ gewesen, der den Deutschen habe dienen wollen, ist zu entgegnen:
● Einen deutschen Nationalstaat und eine deutsche Staatsangehörigkeit gab es zu Luthers Zeit noch gar nicht. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war ein Bund von über 500 Territorien, zu denen auch Gebiete im heutigen Niederlanden, Schweiz, Frankreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Tschechien, Slowakei, Polen und Dänemark gehörten. Alle diese Völkerschaften gehörten zum Hl. Römischen Reich Deutscher Nation. Den Begriff eines „Ausländers“ gab es im 16. Jahrhundert gar nicht.
>B.K.: Luther propagierte eine Trennung der Welt in deutsch/christlich (Luther schreibt sehr oft von Deutschen, Deutschland und deutsch) und jüdisch/israelitisch bzw. muslimisch/türkisch. Ausländer beschrieb er als „Welsche/Walen“, was sich in der Regel auf Italiener oder Franzosen bezog – als Unterscheidungsmerkmal zu Deutschen. Außerdem benannte er mehrfach „Menschen im Elend“ (in der Fremde), was sich fast immer auf Juden bezog, die er dezidiert als „Rasse“ und „Volk“ auffasste. Selbst die Luther-Bibel 2017 gibt dies offen zu: „In seiner Polemik greift Luther auch Klischees auf, die von den Juden als einer verdorbenen Menschenart reden, der nicht einmal dann zu trauen sei, wenn sie sich bekehren wolle.“ (S. 29) Auch der evangelische Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann nennt Luthers vormodernen Antisemitismus „prorassistisch“.
Die Separierung der Welt entsprang dem religiösen Dualismus, den Luther mit dem Christentum aufgesogen hat. Das ist zum einen das auf der „mosaischen Unterscheidung“ (Jan Assmann) basierende Monotheismus-Prinzip („Es kann nur einen geben“), das die Welt horizontal teilt, sowie die von Luther verehrte Theokratie, die die Welt vertikal teilt. Gerade Letzteres ist die Entsprechung zum nationalistischen Führerprinzip, das die NPD beherrscht. Hitler selbst sah sich von Gott berufen und wollte die „Vorhersehung“ erfüllen. Luther und die NPD sehen sich also stark hierarchischen Prinzipien unterworfen, die unterschiedlich motiviert, aber wirkgleich sind. Beider Denken ist zutiefst antidemokratisch.<
3) Wenn die NPD behauptet; Luther hätte „keine türkischen Parallelgesellschaften in deutschen Städten würde haben wollen“, so ist zu entgegnen:
● Luther hat die „türkische Religion“ (den Islam) in der Tat abgelehnt (ebenso wie er das Judentum, den Katholizismus, das Täufertum, die Reformierte Kirche und alle anderen Religionen ablehnte). Gerade über den türkischen Staat seiner Zeit hat er aber besonders lobende Worte gefunden: dieser Staat sei besser organisiert als die christlichen Länder, die Türken hätten mehr Moral, Zucht und Sitte als die Deutschen (WA 30,2; 189,27ff: Zum vierden wirstu sehen bey den Tuercken nach dem eusserlichen wandel ein dapffer strenge und ehrbarlich wesen: Sie trincken nicht wein, sauffen und fressen nicht so, wie wir thun, kleiden sich nicht so leichtfertiglich und froelich, bawen nicht so prechtig, brangen auch nicht so, schweren und fluchen nicht so, haben grossen trefflichen gehorsam, zucht und ehre gegen yhren Keiser und herrn, Und haben yhr regiment eusserlich gefasset und ym schwanck, wie wirs gerne haben wolten ynn Deudschen landen.“)
>B.K.; Das Zitat WA 30,2 stammt aus Predigten von 1531. Bereits 1526 hat Luther an die Königin von Ungarn einen Trostbrief geschickt, in dem er Fluch-Psalmen auslegt, besonders Psalm 109, in dem die Feinde der Trinität (also ganz zweifellos Juden und Muslime) von Gott verdammt werden. Luther bezeichnet diesen Kampf – indirekt auch gegen Muslime - als „christliche Nächstenliebe“ (in: WA 19, S. 543). Der Anlass war die Expansion des Osmanischen Reiches ab 1521 unter Süleyman II., die auch im Interesse Luthers gestoppt werden sollte, obwohl er und seine Reformation davon profitieren sollten.
Auch der klare Auftrag an die Obrigkeit mit dem „7-Punkte-Programm“ (in „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543, „scharfe Barmherzigkeit“ genannt = Vernichtung der Synagogen, Häuser und Bücher der Juden, deren Zwangskasernierung, Zwangsenteignung, Zwangsarbeit, Verlust des Wegerechts und Todesstrafe für lehrende Rabbiner) diente dem Zweck, keine jüdische Parallelgesellschaft in Deutschland zuzulassen, bzw. diese zu vernichten. Luther wollte in den von seinen Anhängern kontrollierten Gebieten weder Juden, noch Muslime noch Katholiken (Papisten/Papstesel). Auch das ist deckungsgleich mit dem Denken der NPD, während deren Programm (dank der demokratischen Verhältnisse in Deutschland) jedoch nicht so deutlich formuliert wie Luther. Luther wäre also das Parteiprogramm der NPD heute viel zu lasch.<
4) Wenn die NPD Luther dafür instrumentalisiert sich zu „weigern, einer von oben verordneten Weltsicht zu gehorchen“, so ist zu entgegnen:
● Luther war der Meinung, dass jede Obrigkeit von Gott eingesetzt ist (Röm. 13) und forderte, jeden öffentlich hinrichten zu lassen, der sich gegen die bestehende weltliche Ordnung erhob.
>B.K.: Römer 13,1 beginnt mit „Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat.“ D.h. Demokratie existierte für das NT, das Christentum und Luther nicht, da heutzutage alle Gewalt vom Volke ausgeht und nicht von der Obrigkeit – auch nicht von Gott, denn das wäre eine Theokratie, wie sie im Vatikan herrscht. Jeder aufrichtige Demokrat muss also Röm. 13 aus tiefstem Herzen ablehnen und Röm. 13 wurde auch aufopferungsvoll und schmerzhaft von vielen mutigen Demokraten gegen die Kirche bekämpft, bis sich die politischen Verhältnisse zur für den Menschen geeigneteren Demokratie wandelten.
Luther war als guter Christ 100% obrigkeitsgläubig, genauso wie die Nazis, die von den Deutschen verlangten, Hitler uneingeschränkt als Führer anzuerkennen (Führereid). Gerade die Tatsache, dass Luther dies auch von seinen Zeitgenossen forderte – speziell den Bauern -, ließ ihn zum Nationalhelden des Dritten Reichs werden. Das sind exakt die Ziele, die die NPD verfolgt. Hier passt Luther perfekt zum Programm der NPD. Deren Wahlkampfslogan ist also schrecklich und geschmacklos, aber mehr als zutreffend. Dass die ev. Kirche damit heute Probleme hat, liegt auf der Hand, kann aber nicht mehr wegdiskutiert werden.
„Wer Juden hasst, hat Luther verstanden!“
Bernd P. Kammermeier<
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Zitat des Herrn Prof. Dr. Anselm Schubert:
Immer wieder übertreffen sich angeblich kluge Menschen durch unfassbare Lächerlichkeiten: Rezep Tayyip Ergogan durch die Leugnung des Genozids an den Armeniern, weil das Wort 1915 ja noch nicht erfunden war, die EKD wegen Luthers Antisemitismus und Rassismus; auch diese Worte wurden ja auch erst im 19. Jhd. geprägt und jetzt Prof. Schubert damit, dass Luther kein "deutscher Patriot gewesen sein könne, weil es ja kein Deutschland gegeben habe. Wie er dann sein (für das Gelingen der Reformation) wohl wichtigstes Werk "An den christlichen Adel deutscher Nation" nennen konnte, wenn es die noch überhaupt nicht gab, soll Prof. Schuberts ewiges Geheimnis bleiben.
david am Permanenter Link
wenn die ekd ehrlich ist, muss sie dem plakat zustimmen
Unechter Pole am Permanenter Link
Daher will Trier einen Platz nach dem NPD-Wähler benennen.
Sim am Permanenter Link
Ok jetzt mal Hand aufs Herz. Ich hab dieses Plakat gesehen und muss ganz ehrlich gestehen, dass ich es für eine rafiniert inszenierte Satire gehalten habe.
Naja jetzt ist es halt Realsatire.
David Boehme am Permanenter Link
Ich kann meinem Namensvetter nur zustimmen: Wenn die EKD ehrlich wäre ...
Tja. 1+1 gibt eben 2 selbst wenn es Neo-Nazis sagen.