Muslime dürfen nicht ins Parlament? Mit Gottes Hilfe wurde ein Republikaner zum Internetstar

Akute Verdumpfungsgefahr

Er glaubt, dass Muslime keine Abgeordnete sein dürfen, die Realität lässt ihn sprachlos mit den Augen klimpern: Mit einem bizarren Fernsehinterview ist ein christlicher Sprecher der Republikaner zum Internetstar geworden.

Man sieht zwei Gesichter, links das der Aufklärung: der preisgekrönte CNN-Fernsehjournalist Jake Tapper. Rechts das Gesicht einer Macht, die wir hier kaum nennen können, ohne beleidigend zu werden: Ted Crockett ist Sprecher der Wahlkampagne des erzkonservativen Republikaners Roy Moore, der jüngst überraschend Alabama verloren hat, nachdem Vorwürfe von sexueller Belästigung laut geworden waren.

Crockett anzuschauen, wird man nicht müde. Wäre er nur der stumpfe Typ hinter der Currywursttheke, der nicht weiß, wie man den Ketchup auf die Wurst bringt, so bliebe er eine kuriose Fußnote im Leben. Dieser Mann aber ist Sprecher einer ernst gemeinten Wahlkampagne, und so hat er es innerhalb kurzer Zeit zum Internet-Star gebracht: Hunderttausende haben dieses Interview angeklickt. Aus Gründen.

Sein Aufeinandertreffen mit Jake Tapper hat klassisches Format, denn in diesen beiden Personen treffen zwei Urprinzipien aufeinander, deren Kampf auf der  Welt seit Jahrhunderten tobt. Hier die Aufklärung, wir sagten es bereits. Dort, man kann es nicht anders sagen: die Verdumpfung. Die Unterbutterung der Toleranz, der Freiheit, der Menschenrechte, letzten Endes: der Realität.

Man kann nur froh sein, dass die Aufklärung hier die Waffen wählen durfte, und zu ihren Waffen gehören Offenlegung und Transparenz – Tapper und Crockett treffen im journalistischen Umfeld eines Fernsehinterviews aufeinander. Es geht um Belege, um Nachvollziehbarkeit, um die Nachprüfbarkeit von Fakten – alles Dinge, die die Religiösen nicht erfunden haben, da sie sich ihre Fakten im Zweifelsfall lieber selber schaffen.

So versucht auch Crockett es hier. Bevor es in diesen zehn Minuten zum großen Finale kommt, zieht er alle Register der hermetischen Selbstgerechtigkeit: Gegen Roy Moore sei eine Schmutzkampagne im Gang, die Menschen von Alabama seien es leid, sich das anzuhören, Roy Moore werde heute Abend gewählt. Das alles trägt er vor mit einer interessanten, nahezu schon wieder unschuldig zu nennenden Glaubensgewissheit. Gern lässt man den Blick hin- und herwandern zwischen ihm und Jake Tapper, der mit großer Professionalität den harten, doch fairen Angriffsjournalisten gibt, und der sich zuweilen sichtbar Mühe geben muss, ein Lachen wegzudrücken. So unfassbar ist es, was ihm hier angeboten wird.

Nach einigem ulkigen Hin und Her geht es nach sechs Minuten richtig zur Sache. Die Aufklärung stellt, aus guten Gründen, zwei Fragen: Will Roy Moore Homosexualität strafbar machen – und was soll die Strafe sein? Hier gerät der brave Vasall schon heftig ins Trudeln, denn etwas in seinem religiös durchgewalkten Geist ahnt, dass er hier keine allzu eindeutige Antwort geben sollte, und dann ist es fast schon rührend: Tapper macht ihn darauf aufmerksam, dass dies eine ganz einfache Ja-oder-Nein-Frage sei: Will Roy Moore Homosexualität unter Strafe stellen? Der religiöse Bär klimpert hierauf mit den Augen, und er sagt: "Probably". Wahrscheinlich.

An diesem Punkt hat die Aufklärung ihre Schlacht schon gewonnen, aber sie setzt nach, denn sie hat noch Sendezeit: Roy Moore habe sich dafür ausgesprochen, dass Muslime keine Abgeordneten sein dürften, wie er das denn begründe?

Es ist der Rest des Interviews, im Video ungefähr ab 9:00, und eigentlich mag man gar nicht aufschreiben, was hier nun passiert: Offensichtlich ist der Mann aus Alabama der Überzeugung, ein Abgeordneter müsse auf die Bibel schwören, und das sei für Muslime "ein ethisches Problem". Danach dann schwebt er frei in einer fremden Luft, denn Interviewer Jake Tapper schubst ihn in die unbekannte Wunderwelt der Realität hinaus: Es gebe, sagt er, keine Verpflichtung, auf die christliche Bibel zu schwören. In den USA seien Staat und Kirche getrennt. Das geht nun aber Crockett einfach nicht in das, was wir Kopf nennen wollen: Er selber hat, sagt er, drei Mal auf die Bibel geschworen, und auch der Präsident hat auf die Bibel geschworen!

Ganz und gar lebt er in der radikalisierten christlichen Scheinwelt, in der alles gottgewollt ist, und in der auch die Vereinigten Staaten eine Nation unter Gott sind, und ihre Verfassung sich auf den Glauben gründe – eine Behauptung, die von evangelikaler Seite immer und immer wieder verbreitet wird. In Wahrheit haben die Gründerväter der USA, als aufgeklärte Menschen, sehr bewusst auf Religionsfreiheit und eine Trennung von Staat und Religion gesetzt.

In Teilen Alabamas allerdings scheint die geistige Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert eher rückwärts gelaufen zu sein. Und der religiöse Bär ist dann doch sichtlich überfordert. Journalist Tapper hat ihm gerade mitgeteilt, man könne auch auf irgend etwas anderes schwören als die Bibel. "Wussten Sie das nicht?" Und man sieht im Gesicht des Überforderten:

Nein, das wusste er nicht. Und in diesem Augenblick weht ihn die lähmende Ahnung an: Gott, ich weiß ja so vieles nicht!

Dies ist der Punkt, an dem im Menschen entweder die Neugier erwacht. Oder er sich zu Papa Gott flüchtet, der alles in schön schlichten Worten erklärt. Was der verstummte Bär nach dem Interview gemacht hat, wissen wir nicht. Vielleicht gebetet, jemand möge Hirn für ihn vom Himmel werfen? Allerdings: Diese Bitte hat der Christengott noch selten erfüllt. Streng genommen beginnt seine Religion sogar genau in dem Moment, wo die Menschen vom Baum der Erkenntnis naschen und damit die unstillbare Wut ihres Schöpfers auf sich ziehen.