Katholiken machen Propaganda gegen schlechte Laune

Kraft durch Grinsen

Der Vorbeter von katholisch.de will uns die schlechte Laune madig machen. Warum das verkehrt ist.

Kraft durch Freude – der junge Mann im schwarzen Glaubensdress sagt es wirklich (ab 1:35).

Pater Philipp sagt, in seinem Gebet vor der Videokamera: "Gib uns die Kraft, dass wir dich morgen zu den Menschen tragen, durch die Freude, die du uns ins Herz legst." Er ist der Internetvorbeter von katholisch.de, ein junger, etwas eichhörnchenartiger, nicht direkt unsympathischer Mann, den aber eben diese Aura umspielt, von der er gerade predigt: Diese ganz leicht zwanghafte Freundlichkeit, die sich allem Irdischen zu entheben scheint und die jeden Kummer mit dieser intensiven Selbstgewissheit wegstrahlt: Ist doch aber alles nicht so schlimm! Denn es gibt ja den Unsichtbaren, Allmächtigen! Mit seinem riesigen, ewigen Wellnessbereich, in den wir, nachdem wir tot sind, wie auch immer, kommen, und in dem wir uns bis in alle Ewigkeit wirklich überhaupt nicht langweilen werden.

Kraft durch Freude – sind es nur ein unglücklicher Zufall und eine gewisse geistige Tolpatschigkeit, die dazu führen, dass ein Verkünder von Religion hier dem großen Wellnessbereich von Adolf Hitler den Slogan entlehnt?

In beiden Fällen scheint eine strukturell ähnliche Pervertierung von Freude vorzuliegen: Eigentlich sollte Freude ja ein Selbstzweck sein, ein Geschenk des Lebens. Bei dem Erholungswerk der Nazis allerdings konnte natürlich von Selbstzweck keine Rede sein: Letztlich war dieser antihumane Staat immer auf die Optimierung seiner Bürger im Hinblick auf eine große Mission bedacht. Freude sollte Kraft spenden, ja, und diese Kraft sollte dann wieder den Aufgaben des teutschen Vaterlands zugeführt werden: Soldaten gebären, Welt erobern. In diesem Rahmen war nur eine funktionale Freude erwünscht, die letztlich ein Rädchen in der großen Maschine der Militarisierung war.

Wie nun funktioniert Freude, wenn wir dem über-selig in die Kamera lächelnden Kirchenmann folgen? Im Stil kommunistischer Selbstkritik kommt er zunächst auf ein angebliches Ereignis aus seinem persönlichen Leben zu sprechen: Er habe schlechte Laune gehabt! Na so was aber auch. Im selben Atemzug beginnt er, diese menschliche und alltägliche Regung zu verurteilen. Dabei könnte er sie ja auch als Geschenk des Himmels verkaufen. Die schlechte Laune reinigt uns, sie bringt verdrängte Wahrheiten ans Tageslicht! Wenn Gott nicht gewollt hätte, dass wir schlechte Laune haben, hätte er sie uns nicht gegeben!

Pater Philipp bringt das christliche Paradoxon zum Strahlen: Mit Demut zu glänzen. Seht her, wie reumütig ich bin! Es glänzt sich eben auch leichter, wenn man jeden alltäglichen Bullshit mit der Pseudoautorität alter Märchen aufladen kann, die man in Märchenonkelkutte im Märchenonkelton vorträgt. Der Tag der bösen schlechten Laune nimmt nämlich, dank Gottes Hilfe vermutlich, noch eine köstliche Wendung. "Da begegnet mir am Abend ein Vers aus dem Philipperbrief..."

Bei ihm ist es nicht wie bei anderen Videobotschaftern, nicht etwa: Ich hab mir überlegt, was ich in dieser Predigt heute mal erzähle, und da dachte ich, dieses eine Stück über Freude sei gut, hört mal her... Nein. Da begegnet. Mir. Ganz offensichtlich ist da etwas ganz Großes geschehen, angeleitet vom lieben Gott, der den Seinen gute Stellen in seinem Buch zeigt statt etwa die Hintergründe des NSU-Komplexes zu offenbaren, die Malaria abzuschaffen oder das Sterben im Jemen zu beenden.

Der alltägliche Quark wird hier also veredelt und ins Sakrale gezogen. Und selbstverständlich dient die ganze zur Schau getragene Selbstkritik und Einsicht nicht etwa der Selbstkritik und Einsicht. Dann bräuchte man sie ja nicht öffentlich vorzutragen. Sondern der Pater teilt seinen Schäfchen mit, was sie zu fühlen haben. Dabei verbreitet er dieselbe Grundüberzeugung, mit der uns zwangsaufgeräumt strahlende Mormonenjungs in Fußgängerzonen ansprechen und esoterische Selbstverbesserer alle "negativen Energie" zu bannen suchen: Sauer sein ist Satans Werk! Zufriedenheit erste Bürgerpflicht.

Das ist eh schon ein inhumaner Ansatz. Schlechte Laune kommt vor, schlechte Laune muss ab und zu sein, und die Welt ist in einem Zustand, auf den schlechte Laune oft eine bessere Antwort ist als ein hirnentkerntes Smileygesicht. Nicht nur will der junge Kuttenträger das nicht zulassen, er gerät nun auf eine offen propagandistische Schiene. Freundlichkeit, so legt er nahe, sei das, wofür die Christen auf der ganzen Welt bekannt seien – ganz als ob es nicht viele Weltgegenden diversester kultureller und religiöser Prägung gäbe, in denen man mit großer Herzlichkeit und Offenheit empfangen wird. Kuttenmann aber legt fest: "Christliche Freundlichkeit. Das, was uns Christen in der Welt ausmachen sollte." Im Umkehrschluss gilt also: Nichtchristen sind auch nichtfreundlich.

Die Selbstüberhebung, die sich hier offenbart, hat auch einen tragischen Beigeschmack: Welch ein verquerer Anspruch wird hier an sich selbst gelegt. Ist die gute Laune nicht viel glaubwürdiger und wertvoller, wenn auch die schlechte erlaubt ist? Muss man zusätzlich zur miesen Laune auch noch schlechtes Gewissen haben?

Hier nähert der Kirchenmann sich dem "Kraft durch Freude"-Slogan. Denn ihm geht es letzten Endes, wie sich herausstellt, gar nicht um das Wohlergehen der Schäfchen. Ob jemand sich grämt und bockt, oder ob jemand froh über Wiesen hüpft, einfach so. Freude führt zu Kraft. Und wofür braucht man die? Zum Gott spricht er: "Unsere Freundlichkeit soll ein Spiegel für dich sein. Damit die Menschen dich durch uns erkennen." Alles klar. Freundlichkeit also wird hier funktionalisiert für die eine, große Mission: Die angenommene Gottheit zu propagieren. Interessant dabei ist die Idee, dass Freundlichkeit ein Spiegel dieser Gottheit sei, einer Gottheit, die ihr Imperium auf Unterdrückung, Gewalt und schlechtem Gewissen aufgebaut hat, und die bis heute hin für ein antidemokratisches, antiaufklärerisches, frauenfeindliches System steht, das der katholischen Kirche.