Albert Einstein – der Übersetzer des Universums

Einstein hat unser Weltbild revolutioniert wie kein anderer. Ohne seine Forschungen gäbe es so weder die Relativitätstheorie und moderne Kosmologie noch die Quantenphysik. Diese äußerst schwierigen Themen hat der Wissenschaftsreporter und Philosoph Rüdiger Vaas nun geradezu "schwerelos" verständlich gemacht – getreu Einsteins Motto, die Dinge so einfach wie möglich zu erklären, aber nicht einfacher. Der hpd bringt hier einen Auszug seines gerade im Kosmos-Verlag erschienenen Buchs "Einfach Einstein!".

"Wichtig ist, dass man nicht aufhört zu fragen. Neugier hat ihren eigenen Seinsgrund“, war Einsteins Grundüberzeugung. „Man kann nicht anders, als die Geheimnisse von Ewigkeit, Leben oder die wunderbare Struktur der Wirklichkeit ehrfurchtsvoll zu bestaunen. Es genügt, wenn man versucht, an jedem Tag lediglich ein wenig von diesem Geheimnis zu erfassen. Diese heilige Neugier soll man nie verlieren."

Die Sprachen der Natur

Einstein war ein Sprachkünstler, davon zeugen seine geistvollen Bonmots. Es gibt sogar Bücher voller Einstein-Zitate. Doch das ist nicht alles. Auch nicht die Hauptsache. Vielmehr hat Einstein die menschliche Sprache präzisiert und erweitert – nämlich die Sprache zur Beschreibung des Universums.

Und die mit mathematischer Schärfe formulierte Sprache der Physik ist ein mächtiges Werkzeug, um durch Beobachtungen und Experimente entdeckte Eigenschaften und Regelmäßigkeiten der Naturvorgänge verallgemeinert, verdichtet und so exakt wie möglich zu erfassen, am besten quantitativ. Es ist keine einfache Sprache; man muss sie erlernen wie jede Sprache. Und sie ist auch nicht in Stein gemeißelt, sondern ändert sich und wird neuen Anforderungen angepasst. Dazu gehören Übersetzungsleistungen.

Tatsächlich machen diese viele von Einsteins wichtigsten Erkenntnissen verständlich. Sie haben das Gebäude der Physik erschüttert hat und die Vorstellung von Raum, Zeit, Materie, Energie und Schwerkraft für immer verändert.

Relativitätstheorie und Quantenphysik

Die Spezielle Relativitätstheorie kann als Übersetzung und Vereinigung zweier bis dahin unversöhnlicher Sprachen der Physik verstanden werden; damit verbunden sind neue Bedeutungen der scheinbar so vertrauten, in Wirklichkeit aber äußerst seltsamen Begriffe von Raum und Zeit, Simultanität und Gegenwart, Energie und Masse.

Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die zu den bedeutendsten Leistungen des menschlichen Geistes überhaupt zählt, hat Einstein dann die Sprache der klassischen Physik völlig umgewälzt, aber zugleich auch präzisiert und vollendet. Seitdem ist die Weltbühne nicht mehr getrennt von den Schauspielen in ihr zu verstehen. Und erstmals kann das Universum als Ganzes beschrieben werden – eine ungeheuere Horizonterweiterung. Das alles sind aber nicht nur Worte und Formeln, sondern hat sich auf dem Prüfstand im Kreuzfeuer der Kritik und dem Härtetest der Experimente glänzend bewährt.

Tatsächlich ist die Relativitätstheorie inzwischen die genaueste und insofern beste Theorie in der Geschichte der Menschheit – und sogar im Alltag angekommen. Umso mehr verwundert es, dass ihre Sprache nicht kompatibel ist mit einer anderen, die Einstein ebenfalls geprägt hat, und mit der das Reich des Allerkleinsten erschlossen wird: die kuriose Quantenwelt. Einstein hat bis zu seinem Lebensende daran geforscht, eine Art Universalvokabular zu entwickeln – und sein Vermächtnis hat bis heute noch niemand erfüllt.

Ein großes, ewiges Rätsel

Bei allem Bescheidwissen ist Einstein immer bescheiden geblieben und war sich der Grenzen seiner Erkenntnisse deutlich bewusst. "Es ist mir genug, diese Geheimnisse staunend zu ahnen und zu versuchen, von der erhabenen Struktur des Seienden in Demut ein mattes Abbild geistig zu erfassen", meinte Einstein. Und musste sich eingestehen, bei allem Vertrauen in eine rationale Grundstruktur des Kosmos: "Das Unverständlichste am Universum ist im Grunde, dass wir es verstehen." In einem Brief von 1951 meinte er sogar: "Eines habe ich in meinem langen Leben gelernt, nämlich, dass unsere ganze Wissenschaft, an den Dingen gemessen, von kindlicher Primitivität ist – und doch ist es das Köstlichste, was wir haben."

Einstein war nicht nur ein genialer Gedankenschmied, sondern auch hartnäckig bis störrisch und ein Individualist (er bezeichnete sich oft als "Einspänner"), der das zurückgezogene Denken liebte. Er hasste Wichtigmacherei und Mittelpunktswahn – und den Rummel um ihn selbst, als er schließlich weltberühmt wurde. "Alles, was irgendwie mit Personenkult zu tun hat, ist mir immer peinlich gewesen", meinte er in einem Brief noch in seinem letzten Lebensjahr.

Kein würfelnder, sondern ein kindisch eingebildeter Gott

Seine Sturheit zeigte sich auch in seiner lebenslangen Kritik an der Interpretation beziehungsweise Vollständigkeit oder Verständlichkeit der von ihm mitbegründeten Quantentheorie. Zunächst störte Einstein hauptsächlich die anscheinend unhintergehbare Rolle des Zufalls in der Quantenphysik. Am 4. Dezember 1926 schrieb er in einem Brief an Max Born, der durch eine statistische Deutung der Schrödinger-Gleichung berühmt wurde: "Die Theorie liefert viel, aber dem Geheimnis des Alten bringt sie uns kaum näher. Jedenfalls bin ich überzeugt, dass der nicht würfelt."

Mit dieser Bemerkung, die Einstein später ähnlich noch häufiger machte, drückte er sein Unbehagen mit dem Zufall und der rein statistischen Beschreibung in der neuen Quantentheorie aus. Dies wird oft als "Gott würfelt nicht!" wiedergegeben und sorgte für viele Missverständnisse.

Einstein maß sich hier natürlich kein theologisches Dogma an. Wenn er vom "Alten" oder "Gott" sprach, war das eine Metapher für die Naturgesetze. Er beharrte auf die Existenz einer von Menschen unabhängigen und für sie doch verständlichen (und zugleich rätselhaften) Welt, er glaubte aber weder an immaterielle Seelen und obskure Willensfreiheiten noch an ein Leben nach dem Tod oder einen persönlichen Gott.

Die schon zu Einsteins Lebzeiten erfolgten zahlreichen Versuche, ihn religiös zu vereinnahmen, sind daher so haltlos wie frech; er hatte sich auch stets deutlich dagegen verwahrt. Für ihn war jede Religion "der Inbegriff des kindischsten Aberglaubens." 1954 bemerkte er gegenüber einem Philosophen: "Das Wort Gottes ist für mich nicht mehr, als der Ausdruck und das Produkt menschlicher Schwächen. Die Bibel ist eine Sammlung ehrbarer, aber dennoch primitiver Legenden, welche doch ganz schön kindisch sind."

Rüdiger Vaas, Einfach Einstein! - Geniale Gedanken schwerelos verständlich, Kosmos-Verlag 2018, 14,99 Euro