Nachruf auf Elga Sorbas

"Ich gehe jetzt …"

Die Schauspielerin Elga Sorbas starb am Samstag, den 28. April 2018, eine Minute vor Mitternacht in Berlin. Sie stand bis zuletzt, als sie sich für säkulare Flüchtlinge in Berlin engagierte, auf der Seite der Unterdrückten.

In ihrem unermüdlichen Kampf gegen Borniertheit hat sie viele Tabus gebrochen, zunächst als Schauspielerin in den Filmen von Rainer Werner Fassbinder, später neben Senta Berger und Romy Schneider als eine der mutigen Frauen, die sich auf dem berühmten STERN-Cover dazu bekannten, abgetrieben zu haben. Elga war nicht nur eine langjährige gute Freundin, sie hat auch die Ziele der Giordano-Bruno-Stiftung von Anfang an unterstützt. Und ich bedauere es sehr, dass sie ihren Lebenstraum, mit Dieter Trautmann eine Stiftung für Humanismus und Aufklärung in Berlin zu gründen, niemals verwirklichen konnte. Sie hat dafür gekämpft wie eine Löwin – bis zum Schluss.

Elga Sorbas, die Atheistin, Netzwerkerin, NGO, Street-Workerin, deutsche Schauspielerin zu Fassbinder-Zeiten. Als Mitglied der Berliner Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung, der "Evolutionären Humanisten Berlin-Brandenburg" (ehbb e. V.) fand sie das "Freie Museum Berlin" als Location für die ersten ehbb-ATHventslesung und begleitet neben Michael Schmidt-Salomon den Vortrag der Autorin Nourig Apfeld, "Anatomie eines Ehrenmordes". Nourig Apfeld war mit ihrer Familie aus Syrien in Deutschland angekommen und musste miterleben, dass ihr Vater ihre jüngere Schwester auf Drängen der in Aleppo gebliebenen Familie töten musste.

Am 9. Januar 2018, ihrem letzten Geburtstag, dankte Elga Sorbas den Freunden für die Glückwünsche und schrieb: "Wir hatten ein fantastisches multikulti Fest und vielen Ideen für 2018 und art action …"

Das war der besondere "rote Faden", mit dem Elga Sorbas auch die säkulare Flüchtlingshilfe berühren sollte.

Prolog: 2012 begann für Elga Sorbas eine Zeit mit zuvor unbekannter Dimension und wiederkehrenden Krankenhausaufenthalten. So war es auch jetzt im April. "Morgen gehe ich nach Hause …" ließ sie am 18. April ihre Freude wissen. Von unbeschwerten, fröhlichen Treffen in den wenigen folgenden Tagen wird berichtet. Abrupt änderte sich die Situation. Am folgenden Montag fand eine Operation statt. Elga schrieb zuvor: "Drückt mir die Daumen." Noch an diesem 23. April kamen Freunde in die Intensiv-Station an ihr Bett und Elga sagte: "Ich sterbe", und drei Tage später sagte sie schlicht: "Ich gehe jetzt."

Die Freunde und der Ehemann blieben bei ihr, wechselten sich ab, sprachen von gemeinsamen Erlebnissen und Plänen und hören auf ihre Wünsche, lasen vor, zeigten Bilder, kühlten Kopf und Hände. In der Nacht vom 28. auf den 29. April 2018 bewahrheiteten sich ihre eigenen Worte. Jnka Palombi, eine Freundin von Elga Sorbas, schreibt: "Als ich dich kennenlernte, habe ich gedacht du bist eine Hexe. Jetzt denke ich, dass du die Schamanin der Wörter, die Zauberin der Geschichten bist. Ich hab es geliebt und ich habe es gehasst. Du bist die Lebenskraft. Du bist die Palme, im Schatten derer wir alle sitzen, Kaffee trinken und Zigaretten rauchen, zuhören und denken. Deine Blätter-Wörter unterhalten uns mit zauberhaftem Klang, während deine himmelblauen Sterne-Augen jetzt farblos bei uns sind."

1. Akt: Elga Sorbas, die Schauspielerin

1945 in Windecken/Hessen geboren, feierte sie 1969 mit 24 Jahren in "Kanzelmacher" dem ersten Film von Rainer Werner Fassbinder, ihr Debüt als Schauspielerin. Elga Sorbas spielt in dem Film die Rosy u. a. neben Hanna Schygulla und Hans Hirschmüller. Hans, der Freund über die Jahre bis jetzt blieb.

Bis 1977 war Elga Sorbas in der Besetzungsliste von sieben Fassbinder-Produktionen: "Der amerikanische Soldat" (1970), u. a. neben Ingrid Caven, Margarethe von Trotta, Hark Bohm und Rainer Werner Fassbinder als Franz spielt sie ihre erste Hauptrolle als Rosa von Praunheim. Ebenfalls 1970 folgt "Niklashauser Fart", Fassbinders erste Fernsehproduktion, Elga Sorbas füllt die Rolle "epileptisches Mädchen".

Es folgen vier weitere Fassbinder-Produktionen: "Rio des Mortes" (1970), "Pioniere in Ingolstadt" (19709, "Händler der vier Jahreszeiten", "Aufforderung zum Tanz" (1977).

Zehn weitere Film- und Fernsehproduktionen nahmen Elga Sorbas in den Jahren 1969 bis 1980 unter Vertrag. Dazu gehörte "Keine Zeit für Abenteuer", eine 13-teilige Fernsehserie über das Leben einer Entwicklungshelferin in Brasilien (1970), Elga Sorbas in der Rolle der Jutta.

Und natürlich, die filmisch-sozialkritische Umsetzung von Stoff und Themen der frühen Bundesrepublik mit Wirtschaftswunder der 50er- und 60er-Jahre: Die Enge des Elternhauses, moralisch erniedrigender Druck, Zwang geregelter Arbeit nachzugehen oder, dem zu entgehen, bestehende Kommunikationsunfähigkeit zwischen Menschen jeglicher Hautfarbe. Hans Hirschmüller dazu: "Die Arbeit in den Jahren hat uns alle zu einem sozialkritischen Denken beeinflusst. Zu uns gehörte auch Karl-Heinz Böhm, Schauspieler der Sissy-Filme. Er gründete schließlich die 'Stiftung Menschen für Menschen'. Elga war immer ein äußerst politisch denkender Mensch. Sie war resolut, nicht auf den Mund gefallen und machte aus ihrer Meinung keine Mördergrube." So hat sie auch kaum noch gefilmt. Eine Seltenheit war ihr Auftritt 2005 im Bonner Schauspielhaus anlässlich des 60. Geburtstags von Rainer Werner Fassbinder.

Elga Sorbas, Foto: © Evelin Frerk
Elga Sorbas, Foto: © Evelin Frerk

2. Akt: Die neue Zeit von Elga Sorbas nach 1980

Elga Sorbas reist und bleibt, reist weiter. Ziele sind u. a. Brasilien, Spanien, Marokko, Griechenland, Frankreich, sie spricht die Landessprachen, arabisch in Ansätzen. Am 9. Februar 1991 geht Elga Sorbas neben Eddi Stiletto, Musiker und Entertainer, zum Standesamt. Sie heiraten. Das Paar lebt von 1992 bis 1997 in Südfrankreich, dann kehren beide nach Berlin zurück. 1995 begegnen sich Dieter Trautmann und Elga Sorbas erstmals.

Der Gedanke zur soziale Gerechtigkeit bleibt felsenfest Bestandteil ihres Lebens und ebenso Fragmente der in Fassbinder-Filmen-Figuren dargestellten Inhalte. Dazu gehört das "Wechselspiel von Komischem und Tragischen, auch Sehnsucht nach Glück, Lakonie".

Wichtig für Elga Sorbas war, dem Mensch die Gewissheit ihrer eigenen gebenden Liebe zu erklären: "Sage dem Menschen, dass du ihn liebst, so dass er um die Beständigkeit weiß", das betonte und lebte sie, auch wenn es manchmal nur die Anrede oder ein kleiner Satz war: "Liebe Freundin, ich schaff es nicht, hoffte bis jetzt …"

Manche Menschen reagieren mit Ablehnung, andere mit Freundschaft, die sie mit Dank und Intensität pflegt. Ihre Kooperationen reichen über Deutschland hinaus, u. a. nach Brasilien, Marokko, Griechenland, Spanien. Z. B. Marinaleda, das andalusische Dorf in dem die Menschen mit Arbeit ihren Lebensunterhalt erwirtschaften und Arbeitslosigkeit ein Fremdwort ist und die Netzwerkerin begann die Fäden zu werfen.

Als sich Anfang 2018 in Berlin eine kleine Gruppe von Menschen zusammenfand, säkularen Flüchtlingen bei der Integration zur Seite zu stehen, ist Elga Sorbas mit Freunden dabei und ein Ankommender ist Gast in ihrer Wohnung, die von Bildern und Dokumenten durchzogen eine eigene und über Jahre gewachsene Multi-Kultur wiedergibt. Der Gedanke wächst, lassen sich für diesen kleinen Kreis der neu Dazugekommenen regelmäßige Treffen, ein Kultur-Salon einrichten. Elga sagt begeistert zu und sieht, ihre Idee von art action wird sich verwirklichen, Kulturen aus verschiedenen Teilen der Welt zusammenzubringen über gesprochene Worte, Lesen von Zeitungen, Artikel, Versen, Büchern, Texten von Heine, Arno Schmid, Kleist, auch Katzelmacher.

Poems Elga Sorbas

Ich schlaflos - 2014

Kann nicht mehr
seh'n
Versteh'n
Und auch nicht mehr auf allen Vieren
Geh'n?
Was soll der ganze Mist
Einen vor
Und zwei zurück!

Tinnitus auf allen Kanälen
Zukunft weltweit geklaut
Verbaut, vergrault
Keine Chance noch zu wählen
Drohnen denken
Drohnen lenken
Drohnen sind der Hit

Ich schaff mich jetzt ab
Und spiel nicht mehr mit!
Kann ja nicht mehr
seh'n
Versteh'n
Und auch nicht mehr auf allen Vieren
Geh'n!

© E. S. 2014 Winter nachts

Elga Sorbas - Poem 2017 

Novalis blaue Blume

Wo sind die Tränen
Wo die Empathie
Ich suche sie

Die Mauer aus Beton
Dick und grau
Die andere aus Stein
Dort suche ich

Ich weiss ich finde dich
In einem Spalt in diesem Bau
Lebendig, zart und dunkelblau
Hallo Welt was soll das?

I am still alive
Quer, schief und völlig krumm
Wolkenberge ohne blau
Gefangen in dunklem Grau
Quer, schief und völlig krumm
Hoffnung sagst du! Mut sagst du!
Zerschlag den Felsen! Sagst du
Bezwing die Flut!
Hallo Welt was soll das?
Die Meere die Flüsse verdreckt!
Die Wälder, Der Dschungel verreckt
Die Tiere vertrieben, abgeschlachtet -
Alles was "stört" verachtet
Götter verehrt 
In die Hirne gebrannt:
Rotte aus den Verstand!
Hallo Welt was soll das?

I am still alive

Dieses zweibeinige Tier
Verliebt in Gier
Verdorben in Macht
bestimmt des Planeten
letzte Schlacht

© E. S. 2017