Katholikentag in Münster

Eine Stadt schafft sich ab

Am Mittwoch beginnt der 101. Katholikentag in Münster. Entgegen der Beteuerung, das normale Leben werde weitergehen, wird dort für das fünftägige Kirchenspektakel das öffentliche Leben völlig lahmgelegt.

"Bitte erkundigen Sie sich beim Katholikentagsveranstalter" – das bekommt man derzeit zu hören, wenn man etwas von der Stadt Münster wissen will. Sei es das Ordungsamt, das Stadtmarketing ("Das wird nächste Woche alles vom Katholikentag gesteuert") oder die Suche nach einem PKW-Stellplatz ("Wir haben alles an die Kirche vermietet"). Es scheint, als habe sich die Stadt für eine knappe Woche aus jeder Verantwortung zurückgezogen und sich der katholischen Kirche übergeben (Halt, nein – die hat ja mit dem Katholikentag nichts zu tun! Der wird ja von einem völlig mittellosen Trägerverein gestemmt, der vom Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) und dem gastgebenden Bistum gegründet wurde).

In welcher Dimension der Veranstalter in Münster schalten und walten darf, zeigt sich anhand des Sicherheitskonzepts. Laut Roland Vilsmaier, Geschäftsführer des Katholikentags, sollen "Einschränkungen für Anwohner und Betriebe (…) so gering wie möglich gehalten werden" und "das normale Leben weitergehen" – mehr als ein Treppenwitz kann das nicht sein. Die zentrale Verkehrsachse Münsters, die B54, wird auf Höhe des Schlossplatzes gesperrt. Auch "einige Straßen in der Altstadt" sind betroffen, außerdem behält man sich weitere "kurzfristige Sperrungen durch die Ordnungsbehörden" vor. Lieferzeiten für Gewerbetreibende verschieben sich auf die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr morgens. "Wir empfehlen im Allgemeinen, auf eine Einfahrt in den Innenstadtbereich zu verzichten", heißt es in den Anwohnerinformationen auf der Seite des Katholikentagsveranstalters lapidar. Gleiches gilt auch für Reisebusse: Ihnen wird empfohlen, auf einen Park-and-Ride-Parkplatz auszuweichen. So viel zum Thema "Das normale Leben geht weiter".

Geisterstadt auf dem Schlossplatz in Münster, Foto: © Daniela Wakonigg
Geisterstadt auf dem Schlossplatz in Münster, Foto: © Daniela Wakonigg

Für Daniela Wakonigg, Regionalbeauftragte Münsterland des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), sprengen diese Dimensionen alles bisher Dagewesene. "So etwas hat es in Münster noch nie gegeben, das ist größenwahnsinnig. Ich habe das Gefühl, der Katholikentag annektiert die Stadt." Ihr Mann komme durch die Absperrmaßnahmen nicht mehr zur Arbeit, sagt sie. Mit dem Auto könne man das sowieso vergessen, aber auch mit dem Fahrrad sei es nicht möglich. Denn: selbst das Fahrradfahren soll während des fünftägigen Missionsfestes in Teilen der Innenstadt verboten sein. Der Fahrradverkehr wird dann teilweise vom viel befahrenen Fahrradring (Promenade), der die Innenstadt umgibt, über die gesperrte Bundesstraße umgeleitet. Und das in Deutschlands "Fahrradhauptstadt", in der es laut Stadtmarketing doppelt so viele Drahtesel wie Einwohner gibt. Absurderweise werden die Besucher auf der Seite des Katholikentages gleichzeitig dazu aufgerufen, ihr Fahrrad mitzubringen, in Münster sei "alles auf Fahrradfahrerinnen und -fahrer ausgerichtet". Dezent wird auf "einzelne Plätze und Wege", die nicht befahrbar sein könnten, hingewiesen. Wolfgang Heuer, Leiter des städtischen Dezernats für Bürgerservice, Personal, Organisation, Ordnung, Brandschutz und IT, freut sich derweil über eine "große Fußgängerzone von der Salzstraße bis zum Schlossplatz".

Obwohl die Besucherzahlen vergangener Katholiken- und Kirchentage häufig hinter den Erwartungen zurückblieben, wird hier wieder mit "Menschenmassen" gerechnet – auch wenn man damit etwas vorsichtiger geworden ist: Es ist nur noch von "mehreren Zehntausend Besuchern" die Rede. Doch das reicht schon aus für diese Überreaktion und die Angst vor diffusen "Gefahrenlagen". Die dürfte auch auf die Amokfahrt vor einem Monat zurückzuführen sein, auch wenn dieser Zusammenhang in einer Pressemitteilung des Katholikentages verneint wird. Dass es doch einen Zusammenhang gibt, dafür spricht, dass in den vergangenen Tagen noch hastig versenkbare Poller in den Boden eingelassen wurden. Zu den Kosten des überzogenen Sicherheitskonzepts gibt es keine Informationen. Eine diesbezügliche Anfrage des hpd an die Stadt und den Katholikentag blieb unbeantwortet.

Versenkbare Verkehrshindernisse auf dem Schlossplatz in Münster, Foto: © Daniela Wakonigg
Versenkbare Verkehrshindernisse auf dem Schlossplatz in Münster, Foto: © Daniela Wakonigg

"Der Katholikentag wird die Stadt zum Brodeln bringen", kündigte Katholikentagsgeschäftsführer Vilsmaier an. In welcher Hinsicht, wird sich zeigen. Daniela Wakonigg konnte jedenfalls schon eine gewisse Genervtheit der Münsteraner über das "herausragende Ereignis" (Wolfgang Heuer) feststellen. "Als wir letztes Wochenende Flyer für die kirchen- und religionskritische Gegenveranstaltungsreihe zum Katholikentag, den Ketzertag, verteilt haben, sind uns die Leute fast um den Hals gefallen vor Freude, dass endlich mal jemand was gegen den Katholikentag sagt. Wir haben da offensichtlich einen Nerv bei den Münsteranerinnen und Münsteranern getroffen." Der Ketzertag findet erstmals parallel zum Katholikentag als nicht-religiöse Gegenveranstaltung statt. Geplant sind Vorträge, Kabarett und eine Nudelmesse. Die Veranstaltungen werden zum Teil live im Internet übertragen.