Nordrhein-Westfalen

Rund 20.000 demonstrieren gegen neues Polizeigesetz

In Düsseldorf demonstrierten am vergangenen Samstag rund 20.000 Menschen gegen die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes in Nordrhein-Westfalen. Die Verschärfung wird auch von Juristen für rechtsstaatswidrig gehalten.

Ursprünglich sollte das neue Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen – ebenso wie jenes in Bayern – bereits vor der Sommerpause in Kraft treten. Doch die NRW-Landesregierung (CDU/FDP) hatte nach Vorstellung des entsprechenden Gesetzentwurfs Ende Februar erheblichen Gegenwind erhalten. Auch und gerade von juristischer Seite.

Beispielbild
(© Helly Camargo y Martin)

Fern jeglicher juristischer Zurückhaltung kritisiert beispielsweise die Strafverteidiger-Vereinigung NRW das geplante Gesetz als "rechtsstaatswidrig" und wirft der Regierung vor, einen Polizei- und Überwachungsstaat zu planen. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung könne bei Inkrafttreten des Gesetzes künftig jeder durchleuchtet, abgehört und weggesperrt werden. Als besonders problematisch wird beurteilt, dass die Schwelle zur Einstufung als potentieller Gefährder erheblich abgesenkt werden soll und dass diese Einschätzung von der Polizei vorgenommen wird. Für eine präventive Inhaftierung oder anlasslose Durchsuchungen kann es nach Einschätzung der Strafverteidiger-Vereinigung NRW aufgrund des Wortlauts des Gesetzes künftig schon ausreichen, bestimmte Internetseiten anzuklicken, mit verdächtigen Personen in Kontakt zu stehen, bestimmte Meinungen zu vertreten oder sich die Eintrittskarte für ein als problematisch eingestuftes Fußballspiel zu kaufen. "Die Neuordnung des Polizeigesetzes wird die nordrhein-westfälische Polizei insgesamt mit Überwachungsmöglichkeiten und präventiven Befugnissen ausstatten, die sonst nur Geheimdienste oder Polizeibehörden in totalitären Staaten haben", so heißt es in einer Presseerklärung der Juristen-Vereinigung. "In Deutschland hatten Polizeibehörden letztmalig 1945 so weitreichende Befugnisse!"

Dass die Kritik zu den geplanten Verschärfungen des Polizeigesetzes aus vielen Bereichen der Gesellschaft kommt, zeigte auch die Zusammensetzung der Demonstration gegen das neue Polizeigesetz am 7. Juli in Düsseldorf. Aufgerufen hatte zu der Versammlung das Bündnis "Nein zum neuen Polizeigesetz NRW! Kein Angriff auf unsere Freiheit und Grundrechte". Gefolgt waren ihm unter anderem Juristen, Datenschützer, Bürgerrechtler, Gewerkschafter, Anarchisten, Vertreter von Oppositionsparteien, Menschenrechtsorganisationen sowie Fußballfans aus ganz NRW. Erwartet hatten die Veranstalter 10.000 Demonstranten, gekommen waren nach Polizeiangaben knapp doppelt so viele. Rund 20.000 Menschen zogen durch die Düsseldorfer Innenstadt bis vor den Landtag.

Beispielbild
Bunte und friedliche Demo gegen das Polizeigesetz NRW in Düsseldorf (© Hella Carmago y Martin)

Dabei war es bis kurz vor Beginn der Demonstration keineswegs sicher, ob sie tatsächlich wie geplant stattfinden kann. Die Polizei in Düsseldorf hatte dem Veranstalter vier Tage vor der Demonstration einige Auflagen gemacht, da sie die Auffassung vertrat, dass die Versammlung eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit sich bringe, da sie als Protest gegen die vermeintliche Polizeigewalt bzw. Polizeihoheit genutzt werden könne. Aus diesem Grund sollten statt der geplanten sechs Lautsprecherwagen nur zwei genutzt werden dürfen, damit ein schnelles Eingreifen der Polizei gewährleistet sei. Zudem wurde die Auflage erteilt, dass erkennbar alkoholisierte Menschen von der Versammlungsleitung aus der Demonstration zu entfernen seien.

Das Bündnis zog daraufhin mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht Düsseldorf.  Rechtsanwalt Jasper Prigge, der das Bündnis vor dem Verwaltungsgericht vertrat, erklärte hierzu: "Die Auflage, nach der Lautsprecherwagen nicht in der Versammlung fahren dürfen, beschneidet das Selbstbestimmungsrecht der Versammlung. Beschränkungen sind der Polizei aber nur bei einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erlaubt. Wenn dem Versammlungsleiter zudem aufgegeben wird, er solle sicherstellen, dass erkennbar alkoholisierten oder berauschten Personen der Zugang zur Versammlung verweigert wird, wird von ihm etwas verlangt, was unmöglich umsetzbar ist. Die Auflage ist extrem unbestimmt, weil nicht klar ist, wann eine Person so betrunken oder berauscht ist, dass sie nicht mehr an der Versammlung teilnehmen darf."

Beispielbild(© Hella Camargo y Martin)

Als das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Eilantrag abwies, zog das Bündnis in zweiter Instanz vor das Oberverwaltungsgericht Münster. Dieses gab dem Bündnis am Abend vor der geplanten Demonstration Recht, dass die polizeilichen Auflagen nicht rechtens sind. Das OVG Münster wies die polizeiliche Gefahrenprognose als haltlos zurück, da es für das von der Polizei aufgebaute Szenario eines unfriedlichen Verlaufs keine belastbaren Hinweise gebe.

"Bei Prognosen über drohende Gefahren ist der Einschätzung der Polizei zu misstrauen", kommentierte Thomas Eberhardt-Köster, Sprecher des Bündnisses und Versammlungsleiter den Vorfall und dessen obergerichtliche Beurteilung, "deshalb braucht es den Protest gegen die Planungen der Landesregierung".

Die Demonstration verlief friedlich. Und bereits bevor sie stattfand, hatte der Protest durch den Veranstalter und viele andere gesellschaftliche Gruppen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dazu bewegt, den Entwurf des neuen Polizeigesetzes zunächst zu überarbeiten. Nach der Überarbeitung soll das Gesetz später in diesem Jahr zur Abstimmung kommen.