Wer öfters beruflich unterwegs ist, weiß, wie lange ein Abend im Hotel werden kann. Die Stadt ist fremd, das Fernsehprogramm durchwachsen – und im Nachtschrank nur eine Bibel als Lektüre. So ließen die Beatles vor 50 Jahren im Song "Rocky Raccoon" den Titelhelden im gemieteten Saloonzimmer ganz selbstverständlich "Gideon's Bible" vorfinden. Der Song ist längst zum Klassiker geworden. Das religiöse Werbematerial dagegen, verteilt vom "Internationalen Gideonbund", liegt zumindest in deutschen Hotelzimmern immer seltener aus.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung der evangelikal geprägten Evangelischen Nachrichtenagentur idea unter Beherbergungsbetrieben in Deutschland. Dabei zeigte sich, dass die verschiedenen Hotelketten die Sache ganz unterschiedlich handhaben. Die Steigenberger-Gruppe habe 2015 aufgehört, neu eröffnete Häuser mit dem Buch auszustatten, so idea unter Berufung auf die Unternehmenssprecherin Jannah Baldus. Trotzdem kann es geschehen, dass den Gästen in älteren Steigenberger-Häusern noch Exemplare begegnen.
Gar "keine Bibeln oder andere religiös-weltanschauliche oder lebensberatende Bücher" gebe es in den Häusern der Hotelkette NH, wie idea deren Sprecherin Franziska Müller zitiert.
Dagegen halte man in den deutschen Maritim-Hotels an der Praxis fest – unter Berufung auf "eine sehr alte Tradition".
In Deutschland hat der Gideonbund nach eigenen Angaben im Jahr 2017 etwa 670 000 Bibeln verteilt. 30 000 Exemplare seien an Hotels gegangen, vor zehn Jahren waren es noch 40 000 gewesen.
Auch andere Einrichtungen stehen im Zentrum der Reklameaktionen. So wollen die "Gideons" innerhalb von nur drei Tagen 20 000 Bibeln an verschiedenen Orten in Hamburg verteilt haben, darunter 1000 Arztpraxen, zahlreiche Kliniken sowie Senioren- und Pflegeheime und 100 Schulen. Zwar räumen die Veranstalter ein, dass es zu "Diskussionen" mit Eltern oder Lehrern gekommen sei, beteuern jedoch, dass es keinerlei Konflikte gegeben habe.
Bereits in der Vergangenheit erntete die Gruppe scharfe Kritik, als sie ihre Bibeln in den Polizeiwachen Baden-Württembergs verteilte. Gegen diese "Religiöse Werbung im öffentlichen Dienst" reichte die Humanistische Alternative Bodensee (HABO) 2015 eine Petition ein, die der Landtag jedoch ablehnte.
25 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich musste neulich lachen, als ich in einem sehr freundlichen Hotel übernachten durfte - weil wir uns zum Regionalgruppentreffen der gbs getroffen hatten.
Mir macht das nichts aus, ich kenne es ja bereits und weiß längst, warum ich es ablehne. Aber anlassbezogen war es schon komisch...
Hans Trutnau am Permanenter Link
670000 (Sechshundertsiebzigtausend!) Bibeln. In nur 1 Jahr...
Ich will das eigentlich nicht glauben.
Werner Koch am Permanenter Link
Ich schreibe gerne eine Widmung in diese Bibeln "Wer's glaubt wird selig!"
Nicolai am Permanenter Link
Ich geb Sie immer an der Rezeption ab.
Kay Krause am Permanenter Link
Was meinen Sie, Hans Trutnau, zahlt diese 670.000 Bibeln auch der Staat, so wie die meisten sogenannten kirchlichen Leistungen? Falls ja, unter welcher Rubrik wird diese Ausgabe verbucht?
Hans Trutnau am Permanenter Link
Keine Ahnung, Kay Krause.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Also,
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Das hört sich nach 100-200 Tonnen hochwertigen Papier. Ich meine hochwertig vor dem Druck.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wie viele Bäume mussten dafür einen sinnlosen Tod sterben? Bibeln sind tödlich!
CnndrBrbr am Permanenter Link
Könnten die da nicht mal besser Pornos verteilen, wenn man da abends allein im Zimmer schon nichts besseres zu tun hat?
Ulla am Permanenter Link
Neulich hatte ich das "Vergnügen" in meinem Hotelzimmer das Buch Mormon zu finden.
Wolfgang Seidel am Permanenter Link
Welche Hotelkette ist es?
Diego am Permanenter Link
Wahrscheinlich Mariott.
Ulla am Permanenter Link
Exakt, und im Rahmen der spg Starwoodgruppe sind es insgesamt mehr als 20 Hotelketten, die weltweit Hotels betreiben. Eine Bibel war übrigens nicht im Zimmer.
Roland Fakler am Permanenter Link
Ich nehme an, dass der Name des „Gideon“-bundes sich auf den gleichnamigen „Bibelhelden“ bezieht und dass der Gideonbund damit auch die „heroischen“ Handlungen dieses Helden für nachahmenswert hält.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Also Novotel Düsseldorf aktuell verzichtet auf die Auslegung des Altpapiers. Das war vor Jahren noch anders. Geht doch!
Fritz Ehret am Permanenter Link
Ich kämpfe schon seit Jahren gegen Bibeln in Hotelzimmern. Wenn ich eine finde gebe ich sie an der Rezeption zurück.
Kay Krause am Permanenter Link
Landtag Bodensee: kirchenhörig! Vasallen des Klerus!
Markus Schiele am Permanenter Link
Ressourcenverschwendung!
Wolfgang am Permanenter Link
Als Einschlaflektüre doch geeignet! Es kommt jedoch auf die entsprechende Seite an!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Horrorlektüre zum Einschlafen? Na, dann gut Nacht'...
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Bethesda Krankenhaus Stuttgart: ist kirchlich, Bibel liegt im Schrank. An der Wand ein Bild "Der Herr ist mein Hirte..." Hab ich abgehängt während meines Aufenthalts, hätte mich kränker gemacht.
Helga Baumann am Permanenter Link
Gefällt mir gut: "Hab ich abgehängt während meines Aufenthalts (im Krankenhaus), hätte mich kränker gemacht"! Ja, das sollte man nachmachen.
Helga Baumann am Permanenter Link
Vor vielleicht 40 Jahren, als ich noch als Lehrerin tätig war, tauchte plötzlich ein Vertreter des Gideonbundes in meiner Klasse auf. Er hielt eine kurze Rede und verteilte an alle seine Bibeln.
Heinz König am Permanenter Link
Jeder sollte die Bibel gelesen haben und sich selbst überzeugen, wieviele Widersprüche und logische Fehler darin sind.