Die Organspendendebatte hat ein klassisches Thema für den Party-Smalltalk wiederbelebt: Entschuldigung, in welcher Form genau kommen wir eigentlich ins ewige Leben?
Auf katholisch.de bin ich jetzt an einem Interview hängen geblieben, ein Interview mit einem jener Menschen, die sich in den traditionsreichen Fantasiegespinsten des christlichen Glaubens gut auskennen und daher für kompetent in Grundsatzfragen gehalten werden. Er heißt Franz-Josef Bormann, ist Theologe aus Tübingen, gehört dem Deutschen Ethikrat an, und er wird nun zur Organspende befragt, die ja in der Tat den Märchenglauben der Religiösen auf eine harte Prüfung stellt: Wenn eine Niere schon mal den Besitzer gewechselt hat, für wen läuft sie dann im Himmel auf?
Es ist eine jener Fragen, über die der gläubige Mensch lieber nicht gar zu lange nachdenkt, indem er sich lieber an höhere Mächte wendet, die ihm, in glänzende Gewänder gehüllt, gegenübertreten. Höhere Mächte haben nämlich immer auf alles eine Antwort, etwa: "Du stellst die falsche Frage", oder: "Simsalabim, mit logischem Denken kommst du hier nicht weiter." Unterm Strich ist die Auskunft, nur in kompliziertere Worte gefasst: "Du denkst, das geht nicht? Tut es aber doch! Gott kann nämlich TRICKS!"
In Gottes Reich, sonst funktioniert das alles nicht, sind logische Widersprüche aufgehoben, so wie der Tod aufgehoben ist, und, wenn es nach dem Kirchenvater Augustinus, dem Erfinder des Baby-Erschreckens mit Wasser und der Erbsünde geht, auch die Zeit. Der Raum vermutlich auch. Eigentlich ist alles aufgehoben in Gottes Nachwelt, wenn man denn das Glück gehabt hat, in der physikalischen Erstwelt zufällig gläubiger Christ gewesen zu sein und nicht Muslim, Buddhist oder sonst irgendwas, oder wenn man das Pech hatte, vor der Erfindung des Christentums bereits gelebt zu haben. Ungefähr drei Grundsatzfragen sind bei der ganzen Jenseitsnummer nie wirklich beantwortet worden:
1. Wie, als was kommen wir dorthin, als Geist, als Körper, wenn ja, welcher?
2. Was geht ab im Himmel? Singen wir da den ganzen Tag, haben wir Sex, haben wir einen Wolkenbausparvertrag, haben wir Ärger mit den Engelkollegen und kriegen eine unendlich haltbare Magenkolik? Ach nee, Magen braucht's ja wahrscheinlich gar nicht mehr, schade eigentlich. Kurz: Ist es nicht so, dass dieses zeitlose, ortlose, raumlose Nirwana doch eher eine Hölle der Reizarmut sein muss und Christoph Schlingensief recht hatte, als er schrieb: "So schön wie hier kann's im Himmel gar nicht sein"? Die einfache Wahrheit ist ja, dass, je mehr irdische Bedürfnisse bei uns subtrahiert werden, uns das immer weiter entmenscht. Kein Hunger mehr, keine Lust auf Erfolg? Keine Zärtlichkeit mehr, keine Liebe, kein Ärger, kein Sport? Der Mensch, der bis in die letzte Körperzelle hinein aufs Leben und Überleben auf dem Planeten Erde ausgerichtet ist, wie kann er auferstehen und in ein geistiges Jenseits düsen, ohne dabei seiner Identität völlig verlustig zu gehen? Bleibt von ihm nur noch so eine neutrale, weise Energie? Von meinem beknackten, hässlichen, fremdenfeindlichen Nachbarn auch? Kommt der dann geläutert und schlau drüben an? Das wäre doch der reine Taschenspielertrick, denn im Jenseits käme ja etwas ganz anderes an als diese bedauernswerte Erdenexistenz. Und so kommt man auch an der letzten Frage, außer man legt sein Hirn in Gottes walkende Hände, eben nicht vorbei:
3. Geht's noch, Gott? Welchen Sinn soll das Gesamtkonzept haben? Erst schaffst du eine Welt mit so Wesen drin, irgendwann stellt sich aber raus, das ist gar nicht die richtige Welt, sondern die Wesen müssen erst mal zu dir beten, um sich fürs höhere, das Luxuslevel zu qualifizieren. Gleichzeitig hast du die alle geschaffen, also liegt es letztlich in deiner Kompetenz, ob dich nun jemand anbetet oder nicht. Und im Wellnesslevel sammeln sich dann nur noch so komische Energien, die irgendwie in den Körpern mal drinnen gesteckt haben, what the fuck! Was soll das?
Wobei, der versierte Kirchenideenkenner wird jetzt spätestens aufgeschrien haben: Denn die Energien haben eben nicht dringesteckt in den Körpern. Das ist altes griechisches Denken, Leib-Seele-Dualismus. Auf den hat der Christengott sich dann, nachdem die Theologen das ausdiskutiert hatten, doch nicht einlassen können. Sein Anspruch auf den Menschen ist vollumfänglich, das sagt auch Ratzinger, da lässt man nicht einfach den Leib davonrotten. Sondern der Mensch steht halt irgendwie als eine Gesamtheit wieder auf und schwuppt ins Paradies, und da das nicht funktionieren kann, siehe fehlende Niere, hat er dann eben einen neuen Körper. Oder so eine Art Körper. Körper braucht er ja eigentlich gar nicht mehr. Obwohl seine ganze Persönlichkeit sich in diesem Körper und in der Auseinandersetzung dieses Körpers mit der physischen Welt entwickelt hat.
Naja. Egal. Der gute Christ jedenfalls, wenn er wiederaufersteht, bekommt eine neue abgefahrene Existenz verliehen, mit der er sich im Himmel auf allen Partys sehen lassen kann, wie eine Art Garderobengirl steht Gott da offensichtlich am Himmelstor und händigt neue Leiber aus, die mit den alten nüscht zu tun haben, oder, mit Franz-Josef Bormann gesprochen: Der Mensch kommt in den Himmel als "personale Selbigkeit", genauer gesagt, mit einem "vergeistigten Auferstehungsleib". Alles klar? Alles klar. Wir fassen zusammen: Wenn der Mensch stirbt, wird sein minderer, erdverhafteter Geist ausgetauscht gegen einen neuen, irgendwie edleren, der sich die Ewigkeit mit Gesang und moraltheologischen Debatten vertreibt und dabei nie Getränke nachholen muss. Ach, und der Körper? Ja so, der alte kommt weg. Und man bekommt einen neuen. Drei, zwei, eins ... Nachdenken mal kurz. Der Geist wird also ausgetauscht. Der Körper auch. Was bleibt also? Na, mir soll's gleich sein. Ich roll mich dann einfach in meinem Grab auf die andere Seite und bin froh, mit diesem Humbug nichts zu tun zu haben.
Ach, und PS: Was der Herr Bormann zu Jens Spahns Frontalangriff auf alle Organe der Deutschen zu bedenken gibt, ist vielleicht gar nicht so dumm. Schade, dass er für eine archaische Organisation steht, von der in moralischer Hinsicht wenig Gutes zu hören war in den letzten zweitausend Jahren.
PPS: Kommen Tiere in den Himmel? Luther meint: ja. Wir fragen: Pflanzen auch? Knuffige Pilze? Kommen Bakterien in den Himmel, auch wenn sie nie gestorben sind, sondern sich immer nur geteilt haben? Kommen Aidsviren in den Himmel, und gentechnisch veränderte Fruchtfliegen? Igitt, Spinnen??? Gott, wir müssen reden.
12 Kommentare
Kommentare
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
@Klaus Ungerer
- Die Seele ist ein anderes Wort für Gedanken- und Gefühlswelt.
- Ein Monogott ist eine Personifikation der Lichtenergie und damit kann man natürlich alles sagen und dem gutgläubigen Menschen ein kollektives Über-Ich einreden.
- Was der Sinn von Religionen ist? Menschen ködern, führen, formen, trösten, programmiren, nutzen ... Der einfache Mensch wird verdummt und ausgenommen und darf in einem kollektiven Wahn leben.
Religionen sind Macht- und Herrschaftsinstrumente - logisch konstruierte Irrlehren. In den abrahamitischen Religionen geht es um den Aufbau und Erhalt von Sozialordnungen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das mit der Himmelsflucht im Christentum ist eine neuere Erfindung/Fehlinterpretation, nachdem die Weltuntergangssekte des 1. Jh. u. Z. keinen Vollzug ihrer Versprechen vermelden konnte.
Das Ganze basiert auf dem Judentum (ach?) und da ist himmlisch-paradiesische Aufbewahrung gar nicht vorgesehen. Der Himmel ist "Gott" und seinen Engeln vorbehalten.
Der Mensch - der jüdisch gläubige Mensch - soll sich auf Erden in seiner Gänze beerdigen lassen, Nieren sind nicht so wichtig. Wichtig sind einzig die Knochen, weshalb sogar im Katholizismus lange die Feuerbestattung abgelehnt wurde, weil, ja weil...? Man hat den Grund offenbar irgendwann bei einer der vielen Überarbeitungen des Christentums vergessen.
Und der ist schlicht folgender: Am Tag des Jüngsten Gerüchts, wenn das große Sortieren beginnt (gute Juden ./. schlechte andere), werden die Knochen der guten Juden mit Fleisch ausstaffiert (auch mit einer neuen Niere) und die ehemals Toten haben einen neuen Beruf: sie sind jetzt wieder Lebende.
Dieses Prinzip haben die Christen - damals noch wohlwissend - übernommen. Denn ihrem Jesus lassen sie die Gnade zukommen, nach Lazarus der zweite Mensch zu sein, der per göttlichem Befehl wieder zum Lebemann wurde. Das soll ja global erst nach dem Jüngsten Gerücht passieren, aber Jesus ist ja "Gott" und da darf man mal eine Ausnahme machen, wenn's denn hilft, die dummen Schäfchen von Heilands Wunderwirken zu überzeugen.
Das ist aber noch voll nach dem jüdischen Originalglauben und in der Tat versprühte Jesus ja zu Lebzeiten die Mär, in den nächsten wenigen Jahren würde das Reich "Gottes" auf die Erde niederfahren - mit Hosianna und Schofargetute. Selbst da brabbeln die Christen noch heute: "Dein Reich komme, dein Wille geschehe..."
Aber das passt überhaupt nicht mehr zur theologischen Wandlung des irdischen Gottesreiches zum himmlischen Gottesreich mit himmlischem Paradies. Denn sie wissen nicht, was sie beten...
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
@Bernd
Hallo Bernd! Hier habe ich Dir einmal das Vater Unser logisch erklärt:
Zuerst den Bibeltext:
„Unser Vater in dem Himmel! Dein Name werde geheiligt. 10 Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. 11 Unser täglich Brot gib uns heute. 12 Und vergib uns unsere Schuld, wie wir unseren Schuldigern vergeben. 13 Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel (dem Bösen). Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“
Und hier nun die logische Übersetzung:
„Unser Vater Sonne ist im Himmel! Der Name wird nicht gesagt, er wird überhöht. 10 Das Reich des Lichts und der Aufklärung wird eines Tages kommen. Alles hat das Sonnenlicht erschaffen, wie im Himmel so auch auf unserer Erde. 11 Unser tägliches Brot welches wir essen hat ebenfalls das Sonnenlicht erschaffen. 12 Wir vergeben unseren Schuldigern. 13 Und das Leben soll uns nicht in Versuchung führen, sondern erlösen von dem Bösen, der logisch konstruierten Irrlehre. Denn Du Vater Sonne hast alle Reiche erschaffen und die Kraft und die Schönheit und Du wirst auch die Zukunft erschaffen. Sonnenlicht erschafft Gedanken.“
Oder freier übersetzt:
„Unser Vater Sonne ist im Himmel, sein Name bleibt aber ein Geheimnis. Das Reich des Lichts, der Aufklärung und die ehrlichere Welt wird irgendwann kommen. Die Sonnenlichtenergie hat alles erschaffen, wie im Himmel so auch auf unserer Erde und somit auch unser tägliches Brot. Wir vergeben unseren Mitmenschen, die uns belogen und betrogen haben, und damit vergeben wir auch unseren Pfaffen. Menschheit, hör doch endlich auf euch von der logisch konstruierten Irrlehre verführen zu lassen, damit wir endlich von dem Bösen – der logisch konstruierten Irrlehre (unsere Religion), dem riesengrossen Lügenkonstrukt erlöst werden. Denn Du hast alles erschaffen Vater Sonne - alles auf der Welt. Alle Reiche hast Du mit Deiner Lichtenergie erschaffen und Du wirst auch unsere schöne Zukunft erschaffen. Licht erschafft Leben und wir erschaffen Gedanken.“
Michael Z. am Permanenter Link
Vielleicht finde ich hier jemanden, der mir eine Frage beantworten kann. - Wann ist der Mensch eigentlich tot? - Manche glauben, dass der Tod eingetreten ist, wenn das Gehirn keine Aktivität mehr zeigt.
G.K: am Permanenter Link
Für die Hirntodfeststellung von Organspendern gelten strenge Richtlinien.
Die Basisfunktionen des Körpers müssen durch Beatmung aufrecht erhalten werden. Wenn die Beatmung eingestellt wird dauert es nur maximal 30 Minuten, meist wesentlich weniger, und sämtliche andere Organe stellen ihre Funktion ein.
Bei dem Prozedere kommt auch keiner mehr nach einem Nahtoderlebnis wieder ins Leben zurück.
Und um mit dem Märchen vom Ausweiden und Gewinne mit Organspenden zu begegnen: Die Klinik, wo die Organe entnommen werden, macht damit Verluste und bekommt die Organisation ihrer Operationen ordentlich durcheinander gewirbelt, es macht dort nur sehr viel Arbeit.
S. Bohnenkamp am Permanenter Link
Eine EEG-Null-Linie meint einen mit dem Gerät nicht mehr messbaren Wert.
Und das hängt halt stark von der Genauigkeit des Geräts ab.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein typisch guter Ungerer wieder einmal; vergelt's wer auch immer.
Der Artikel (nolens volens ohne diese Kommentare) könnte glatt in die neue hpd-Rubrik "SPOTT SEI DANK" gehören...
Thomas Göring am Permanenter Link
Luther sagt also, dass Tiere auch in den Himmel kommen. Na schön, dann kann mein Hund sich ja schon darauf freuen.
A.S. am Permanenter Link
Mit dem Versprechen auf längeres/ewiges Leben lässt sich jede Menge kriminelle Energie frei setzen und die allerbesten Geschäfte machen. Man denke nur an die Organ-Mafia.
H. Albrecht am Permanenter Link
Mir hat der Aufruf zur Organspende von Eckhard von Hirschhausen gut gefallen: "ich glaube an ein Leben nach dem Tod.
Roland Fakler am Permanenter Link
Köstlich! Wer den den Traum vom ewigen Leben im himmlischen Paradies nicht aufgeben möchte, sollte den Arikel auf keinen Fall lesen.
awmrkl am Permanenter Link
Vielen Dank für diesen Artikel, der (wie so oft bei Deinen Beiträgen) viele Nägel mehr als auf den Kopf trifft. Ich hab mich sehr amüsiert dabei! :-)