Hirnpsychologische Fehlleistung

US-Präsident Trump weigert sich weiter, Klimawandel anzuerkennen

Weckruf, Ansporn und Hoffungsschimmer – all das vereint der jüngste Sonderbericht, den der Weltklimarat IPCC Anfang Oktober veröffentlicht hat: Wenn es der Menschheit gelingt, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen, können wir die Schäden für Mensch und Natur wesentlich abmildern, so die Forscher.

Das Ziel ist ehrgeizig, doch nach Einschätzung der verantwortlichen Wissenschaftler bringt es gegenüber der früher angestrebten Begrenzung auf 2 Grad Erwärmung klare deutliche positive Effekte. So würden die Gefahr von Dürre, Starkregen und Überflutungen verringert, weniger Tier- und Pflanzenarten aussterben und durch ein verringertes Abtauen der arktischen Permafrostböden weitere Aufheizprozesse verhindert. Damit dies gelingt, fordern Fachleute rasche und drastische Maßnahmen.

Alles Quatsch, sagt Donald Trump. Das schließt er nicht etwa aus anderen, besseren Studien mit noch präziseren Daten, die den Klimawandel in Frage stellen würden. Nein, sein Bauchgefühl habe es ihm verraten. Dazu verwies der US-Präsident auf seinen Onkel, den Physiker und Elektrotechniker John Trump. Der ist schon 1987 verstorben, und über Klimawandel haben sich die beiden auch nie unterhalten, wie Neffe Donald einräumt. Trotzdem beharrt er: "Ich verfüge über einen natürlichen Instinkt für Wissenschaft."

Was all dies mit John Trumps Reputation als Forscher zu tun haben soll, bleibt wissenschaftlich denkenden Menschen verborgen. Wollte der US-Präsident der Öffentlichkeit weismachen, dass er über eine Art ererbtes Gespür für Forschungsfragen verfügt, wie der Journalist Jonathan Chait im New York Magazine vermutet?

Wahrscheinlich ist es viel einfacher: Die Gefahren des Klimawandels und seine immensen Herausforderungen für die Menschheit mit einem flapsigen Spruch beiseite zu wischen fühlt sich unwiderstehlich gut an für Präsident Trump.

Hirnphysiologische Ursachen dafür für hat vor kurzem die Nachwuchsforscherin Bojana Kuzmanovic vom Kölner Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung erbracht. Kurz gesagt: Fällen wir ein Urteil, das auf Wunschdenken beruht, wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiv. Dieses beeinflusst wiederum Hinregionen, die für Urteilsbildung zuständig sind. Das Resultat umreißt Kuzmanovic so: "Bei komplexen, unübersichtlichen Sachverhalten laufen wir Gefahr, ein verzerrtes Urteil zu fällen, sobald wir eine Schlussfolgerung gegenüber einer anderen bevorzugen."

Für ihren Versuch ließen Kuzmanovic und ihr Team Versuchspersonen das durchschnittliche und das individuelle Risiko von negativen Ereignissen schätzen. Danach erfuhren sie, wie hoch das durchschnittliche Risiko tatsächlich war, und bekamen Gelegenheit, ihr Urteil entsprechend zu korrigieren. Das taten sie auch, allerdings: Hatten sie ihr eigenes Risiko zu hoch geschätzt, fiel ihre Korrektur stärker aus, als wenn sie anfangs ein zu geringes Risiko angenommen hatten. So korrigierte ein Proband, der ursprünglich von einem zu geringen Risiko für einen Herzinfarkt ausgegangen war, sein Risiko weniger nach oben als angemessen. Vordergründig rechtfertigte er dies mit seinem angeblich besonders gesunden Lebensstil.

Ganz ähnlich verfährt auch Donald Trump, wenn er sich bei seiner Klimapolitik auf die Leugner der Erwärmung beruft und den warnenden Stimmen politische Interessen vorwirft, um sich vor unpopulären Maßnahmen zu drücken.

Was während solcher Prozesse im Gehirn geschieht, beobachteten die Forscher mittels Hirnscan bei ihren Probanden. Dabei zeigte sich erhöhte Aktivität im Belohnungssystem – einer Hirnregion, die auf angenehme Reize wie Speisen, Geld oder Sex reagiert. Das Belohnungssystem wirkt seinerseits auf Hirnareale ein, die für unsere Urteilsbildung zuständig sind. Offenbar hat sich dieser Verstärkungsmechanismus im Laufe der Evolution bewährt, indem er unseren Vorfahren half, mehr überlebenswichtige Güter wie Nahrung, Sex oder Vermögen zu erlangen. Wie gründlich er jedoch in der modernen Welt in die Irre führen kann, lässt das aktuelle Experiment ahnen. Mit gutem Grund rät Studienleiter Marc Tittgemeyer deshalb, vor wichtigen Entscheidungen Strategien zur Erhöhung der Objektivität anzuwenden. Wie auch immer diese Strategien aussehen können – vielleicht bringen zukünftige Forschungen hierzu wertvolle Anregungen – für die realistische Abschätzung unseres individuellen Gesundheitsrisikos sind sie auf jedenfalls wünschenswert. Und erst recht für die Zukunft unseres Planeten.