"Werbeverbot" für Schwangerschaftsabbrüche

Proteste gegen "Null-Nummer"-Reform von § 219a

Vergangene Woche legte die Regierungskoalition einen Vorschlag zur Änderung von § 219a StGB vor, dem sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen. Der Vorschlag sorgte für massive Kritik. Gestern fanden in mehreren deutschen Städten Kundgebungen gegen die geplante Änderung statt.

"Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" – so lautet der Titel des in den vergangenen Monaten viel diskutierten Paragrafen 219a des Strafgesetzbuchs. Knackpunkt des Streits um den Paragrafen ist, dass er nicht nur die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, wie sein Titel suggeriert, sondern de facto vollständig das öffentliche Verbreiten von Informationen über Abtreibungen, sofern damit ein Vermögensvorteil verbunden ist. Da Ärztinnen und Ärzte üblicherweise für ihre medizinischen Leistungen bezahlt werden, führt der Paragraf dazu, dass sich Ärztinnen und Ärzte strafbar machen, wenn sie beispielsweise auf ihren Webseiten Informationen über Schwangerschaftsabbrüche zur Verfügungen stellen und dort bekannt machen, dass sie Abtreibungen durchführen.

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Münster: Demonstrantin für das Selbstbestimmungsrecht (© Daniela Wakonigg)

Nachdem der Paragraf aus der Zeit des Nationalsozialismus jahrzehntelang kaum Anwendung fand, kam es in den vergangenen Jahren vermehrt zu Anzeigen nach § 219a StGB durch fundamentalistische AbtreibungsgegnerInnen. Nach der Verurteilung der Gießener Frauenärztin Kristina Hänel im vergangenen Jahr waren sich schnell die meisten Parteien im Bundestag einig, dass der Paragraf in seiner aktuellen Form abgeschafft werden muss. Eine parlamentarische Mehrheit war vorhanden – doch dann knickte die SPD ein. Zum Erhalt des Koalitionsfriedens mit der CDU/CSU-Fraktion, welche sich von Anfang an gegen eine Abschaffung von § 219a StGB ausgesprochen hatte. In der vergangenen Woche legte die Regierungskoalition nun eine sogenannte "Kompromisslösung" für die Reform des Paragrafen vor. Ein Kompromiss, der keiner ist.

"Bei genauerem Hinsehen erweist sich der als Kompromiss ausgegebene Vorschlag als Null-Nummer", erklärten Kristina Hänel und andere betroffene Ärztinnen in einer gemeinsamen Presseerklärung. "Der § 219a bleibt komplett bestehen incl. seiner Strafandrohung von zwei Jahren Gefängnis. Die restlichen Vorschläge, die die Situation verbessern sollen, sind flankierende Maßnahmen, die bereits jetzt möglich sind. (…) Wir sind empört, dass aus politischem Machtkalkül und aus Angst vor Rechts Frauenrechte so verraten und wir Ärztinnen weiterhin kriminalisiert werden. Informationsrechte sind Menschheitsrechte. Das gilt auch für Frauen."

Um gegen die geplante "Null-Nummer"-Reform und für die Abschaffung von § 219a Stellung zu beziehen, organisierten SelbstbestimmungsbefürworterInnen am gestrigen Mittwoch in verschiedenen deutschen Städten Kundgebungen, unter anderem in Berlin, Münster, Gießen, Karlsruhe und Leipzig. Da eine zufriedenstellende politische Lösung hinsichtlich § 219a StGB angesichts der aktuellen Mehrheitsverhältnisse derzeit nicht in Sicht ist, bleibt nur die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, das sich wahrscheinlich demnächst mit dem Fall Hänel und damit auch § 219a wird beschäftigen müssen.

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In mehreren Städten wurden die Kundgebungen vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung organisiert. (© Daniela Wakonigg)