Am vergangenen Freitag standen die beiden Gynäkologinnen Dr. Bettina Gaber und Dr. Verena Weyer vor den Schranken des Berliner Amtsgerichts Tiergarten. Sie waren angeklagt, gegen den § 219a StGB verstoßen und Werbung für Schwangerschaftsabbrüche gemacht zu haben. Es was das erste Urteil nach der "Reform" des Strafrechtsparagrafen.
Vor der Verhandlung versammelten sich rund 200 Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude. Im Aufruf des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung hieß es: "Es ist der erste Prozess nach der gesetzlichen Neuregelung vom April 2019 zum sogenannten Werbeverbot für Schwangerschaftsabbruch. Der unsägliche Kompromiss, den die Koalition von CDU und SPD verabschiedet hat, schützt ÄrztInnen also keinesfalls, wenn sie Frauen informieren wollen."
Tatsächlich wird auf der Homepage der Praxis lediglich darüber informiert, dass Frau Dr. Gaber medikamentöse, narkosefreie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Dr. Weyer führt keine Schwangerschaftsabbrüche durch, ist aber als Beteiligte der Praxisgemeinschaft mit angeklagt.
Allein wegen dieser Information wurden die beiden Ärztinnen verklagt. Der Eintrag steht noch heute (17.06.2019, 10:25 Uhr) auf der Webseite. Frau Dr. Gaber sagte zur Motivation, diese Information nicht von der Homepage zu nehmen und eher den Prozess in Kauf zu nehmen: "Ich möchte es Frauen, die sich ohnehin in einer äußerst konflikthaften Situation befinden, nicht zumuten, sich durch irgendwelche Listen zu telefonieren; außerdem möchte ich, dass die Kriminalisierung von Frauenärzten weniger wird."
Die beiden Gynäkologinnen wurden vom Gericht zu jeweils 2.000 Euro Strafe verurteilt. Die Richterin machte den Eindruck, als wäre ihr das Urteil selbst peinlich. Nach Angaben von Spiegel Online sagte sie: "Ob mir dieses Gesetz passt oder nicht, ist nicht die Frage." Für eine politische Debatte über den Sinn und Unsinn des Paragrafen sei ein Gerichtssaal nicht der richtige Ort. Die Staatsanwältin hatte gar 7.500 Euro je Person gefordert! Die Richterin begründete ihr Urteil damit, dass nach dem neuen Paragrafen der Eintrag auf der Webseite der Ärztinnen strafbar sei. Denn die beiden Gynäkologinnen hätten nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wie des Eingriffs informiert.
Kurz nach Verkündung des Urteils bot der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg an, die Strafe in Höhe von insgesamt 4.000 Euro in voller Höhe zu übernehmen. Auch Kristina Hänel, deren Verfahren wegen Verstoßes gegen den § 219 (noch in der alten Version) noch immer läuft, erklärte sich auf Twitter mit den beiden Berliner Ärztinnen solidarisch und rief zu Spenden auf.
Gleich nach dem Urteilsspruch sagte Dr. Bettina Gaber: "Wir werden gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen. Damit wird der Kampf gegen Paragraf 219a weitergehen."
7 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Kämpfen bis zur Streichung!
G.B. am Permanenter Link
Zwei mutige Frauenärztinnen welche wir nicht allein lassen sollten bei Ihren Kampf gegen den Unrechtsparagraphen 219.
vielen Dank dem HVBB !
A.S. am Permanenter Link
Juristen wenden Gesetze an. Das war schon bei den Nazis so. Über Gesetze nachdenken dürfen nur Parlamentarier und das BVerfG.
Dieter Bauer am Permanenter Link
Haben die gesetzgeberischen Gremien jemals über ihre zur Schau gestellte religionsbestimmte Unvernunft nachgedacht?
G.B. am Permanenter Link
JA sind sie, sonst wären längst Reformen erfolgt. Der Grund warum sich diese immer noch an
die Religionen klammern erschließt sich mir nicht, vielleicht ist es die Unfähigkeit einen Fehler
struppi am Permanenter Link
Ob eine Abtreibung wirklich nur mit Religion zu tun hat halte ich für eine zweifelhafte Vorstellung. Die meisten finden vor allem aus wirtschaftlichen bzw. sozialen Erwägungen statt.
Aber auch in einem Säkularen System fände ich eine Beratung darüber wichtig. Wenn es diese Gesetze nicht mehr gibt, wird sich der Staat früher oder später aus der Beratung verabschieden und viele Frauen werden damit allein gelassen. Ob das eine Verbesserung der jetztigen Situation ist, darüber sollte man zumindest nachdenken. Als ich selbst betroffen davon war, war ich froh das es die vom Staat finanizierten Beratungstellen gab. Wo man problemlos alle Informationen auch über Abtreibungen bekommen hat. Der Meinung zu sein alle Jugendlichen heute würden sich über das Internet schneller und einfacher informieren können, dürfte nur auf einen kleinen Teil der betroffenen (Frauen) zutreffen. Mehr als Facebook, twitch, shpock und youtube nutzen die kaum
Daher sollte man sich genau Gedanken machen, wenn man die Abschaffung eines solchen Paragrafen fordert, was danach passiert.
G. Hantke am Permanenter Link
Natürlich müssen sich die Richter an das Gesetz halten und haben idR kaum Spielraum, wenn dieser nicht vom Gesetz selbst eingeräumt wird.
Die Angelegenheit muß politisch ausgetragen werden, und da von CDUCSUSPDAFD insofern und auch sonst nichts zu erwarten ist, bleiben nur die anderen Parteien, wenngleich mit Vorbehalt, und viele viele Rezo Videos pp.