Der 9. November, der "Schicksalstag der Deutschen", ist nicht nur der Tag des Berliner Mauerfalls. Vor 81 Jahren brannten in der Reichspogromnacht die Synagogen. Der 9. November 1938 markierte den Beginn des dunkelsten Kapitels unserer deutschen Geschichte.
Am 9. November 2019 jährte sich der Fall der Berliner Mauer zum 30. Mal. Bundesweit wird dieses historische Ereignis feierlich gewürdigt. Doch auch die "Reichspogromnacht" jährte sich am 9. November. Die Mahnung "Nie wieder" ist dieser Tage, wo Faschismus wieder gedeiht, sich zunehmend normalisiert und gar in deutschen Parlamenten Einzug gehalten hat, von bedeutender Aktualität. Florian Zimmermann, Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands – Bundesverband, erklärt: "Es erfüllt mich mit Schrecken, dass 70 Jahre nach den Nürnberger Prozessen menschenverachtende Gewalt in Deutschland wieder so stark entflammt."
Mindestens 198 Todesopfer rechter Gewalt zählt die Amadeu Antonio Stiftung seit 1990 – die Dunkelziffer, so wird angenommen, ist jedoch weitaus höher. Das Bundeskriminalamt meldet einen deutlichen Anstieg bei fremdenfeindlichen und antisemitischen Straftaten im Jahr 2018. Der Angriff auf die Synagoge in Halle war nicht der erste seiner Art – die Liste von Anschlägen auf Juden und jüdische Einrichtungen nach 1945 ist lang.
"Die noch nicht einmal im Ansatz erfolgte Aufklärung des NSU-Komplexes und seines Unterstützernetzwerkes, die rechtsextremistisch motivierte Ermordung des Regierungspräsidenten Walter Lübcke, die von Rechtsextremen geführten Todes- und Feindeslisten – das muss uns alle endlich aufrütteln", sagt Zimmermann. "Dass die Faschisten der AfD inzwischen in allen deutschen Landesparlamenten sitzen und offen die Vertreibung und Vernichtung von Menschen propagieren können, sich gar einen Bürgerkrieg herbeisehnen, zeigt, dass sich in Deutschland eine systematische Verfolgung wiederholen kann."
Das Problem dürfe nicht länger, wie es viele Jahre geschehen sei, relativiert und heruntergespielt werden, mahnt Zimmermann. Die Politik müsse endlich entschlossen gegen die rechte Gewalt vorgehen – das gelte auch für interne Fälle von Rechtsextremismus zum Beispiel in der Bundeswehr, in der Polizei und im Verfassungsschutz.
"Wir Humanist*innen müssen uns gemeinsam dieser Entwicklung entgegenstellen. Wir müssen uns laut und deutlich gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der Gesellschaft positionieren, auch in unserem eigenen privaten Umfeld. Es darf nie wieder soweit kommen wie vor 81 Jahren."
Erstveröffentlichung auf der Webseite des HVD.
7 Kommentare
Kommentare
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
„Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, stammt nicht von Heinrich Himmler, sondern von Franz Müntefering zum Thema Hartz-IV.
Ich vermute mal, dass faschistisches Gedankengut in allen Parteien latent
vorhanden ist.
Viele Grüße
Arno Gebauer
Andreas E. Kilian am Permanenter Link
Die Vermutung ist plausibel. Anbei ein paar Zitate zum Thema Hartz-IV, die jeder selbst interpretieren kann:
Adolf Hitler, NSDAP, 1925, Franz Müntefering, SPD, 2006: "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen"
Wolfgang Clement, SPD, zum Thema Hartz-IV-Empfänger: "Biologen bezeichnen Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen - ihren Wirten - leben, übereinstimmend als Parasiten."
Peter Oberender, heute AfD: „Wenn jemand existenziell bedroht ist, weil er nicht genug Geld hat, um den Lebensunterhalt seiner Familie zu finanzieren, so muss er meiner Meinung nach die Möglichkeit haben, durch den Verkauf von Organen - und zwar geregelten Verkauf … Und dann wird praktisch das Organ versteigert.“
Konrad Adam, AfD: "Den Inaktiven und Versorgungsempfängern sollte man das Wahlrecht aberkennen."
Michael Glos, CDU: "Arbeitspflicht für alle Arbeitslosen muss eingeführt werden"
Christine Haderthauer, CSU: "Der Leidensdruck bei Hartz IV-Empfängern ist noch nicht hoch genug. Wir brauchen härtere Maßnahmen."
Christian Wagner, CDU: "Die elektronische Fußfessel bietet damit auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren und in ein Arbeitsverhältnis vermittelt zu werden. Viele Probanden haben es verlernt, nach der Uhr zu leben, und gefährden damit gerade auch ihren Arbeitsplatz oder ihre Ausbildungsstelle. Durch die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel kann eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden".
Ulf Hahn: "wie es wäre, alle Potsdamer Hartz-IV-Empfänger umzusiedeln und in leer stehenden Plattenbauten unterzubringen.“
taz, 29. August 2006: " ... Hatte zunächst Verkehrsminister Tiefensee vorgeschlagen, Arbeitslose als Anti-Terror-Patrouillen im öffentlichen Nahverkehr einzusetzen, überlegt nun Verteidigungsminister Jung, Arbeitslose für den Anti-Terror-Kampf am Hindukusch zu verpflichten. Afghanistan sei das ideale Einsatzgebiet für Hartz-IV-Empfänger, heißt es im Verteidigungsministerium. Es würde insgesamt ein doppelter Spareffekt eintreten. Erstens gäbe es eine Entlastung für die extrem teuren Bundeswehr-Einsätze, und zweitens würde durch die zu erwartenden Verluste unter den Hartz-IV-Empfängern der Milliarden-Überschuss der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit noch einmal wachsen. Erste Einberufungen für den Afghanistan-Dienst können Arbeitslose dann voraussichtlich kurz vor Weihnachten erwarten."
BILD-Zeitung: "Hartz IV Schmarotzer" , "Sozialschmarotzer", "faule Stütze-Empfänger"
Roland Fakler am Permanenter Link
DAs Zitat stammt ursprünglich aus dem 2 Brief des Paulus an die Thessalonicher: 2Thess.
Jobst Echterling am Permanenter Link
Belege für das Münterferingzitat ???
Gerhard am Permanenter Link
Zeit Online vom 11.01.2010 "Arbeiten fürs Essen" von Katharina Schuler.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
" Es darf NIE wieder so weit kommen wie vor 81 Jahren " aber fast alle Parteien und eine Großzahl der Bürger arbeiten daran, dass es wieder wie in " guten alten Zeiten " wird.
David Z am Permanenter Link
"Dass die Faschisten der AfD inzwischen in allen deutschen Landesparlamenten sitzen und offen die Vertreibung und Vernichtung von Menschen propagieren können, sich gar einen Bürgerkrieg herbeisehnen, zeigt…“
Wie bitte??
Wie kommt Herr Zimmermann zu dieser außergewöhnlichen Behauptung? Selbstverständlich hat er außergewöhnliche Belege dafür, nicht wahr?
Allerdings, wenn dem so wäre und es gäbe tatsächlich Belege, warum ist die beschriebene Partei angesichts der behaupteten Unverträglichkeit mit unserem Rechtsstaat dann nicht verboten?
Ich sehe hier zwei Erklärungsoptionen:
a. Unser Rechtsstaat versagt
b. Herr Zimmermann behauptet, warum auch immer, die Unwahrheit.
Was ist wohl wahrscheinlicher?