Die von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) unterstützten und von DGHS-Vizepräsident RA Prof. Robert Roßbruch vertretenen Kläger leiden an gravierenden Erkrankungen und deren Folgen. Sie begehren vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn die Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung. Das BfArM hatte die Anträge der Kläger auf Erteilung einer Erwerbserlaubnis abgelehnt. Dagegen richten sich die Klagen.
Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln hat nun zur Überraschung aller Beteiligten am 19.11.2019 im Anschluss an die mündliche Verhandlung einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht getroffen. Danach ruhen die Klageverfahren, und das Bundesverfassungsgericht erhält die Möglichkeit zu prüfen, ob und inwieweit das generelle Verbot des Erwerbs von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Das Verwaltungsgericht Köln ist mit den Klägern der Auffassung, dass ein generelles Verbot des Erwerbs auch für schwerkranke Menschen in einer existenziellen Notlage nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die staatliche Schutzpflicht für das Leben könne, so das Verwaltungsgericht, in begründeten Einzelfällen hinter das Recht des Einzelnen auf einen frei verantworteten Suizid zurücktreten.
Damit schließt sich das Verwaltungsgericht Köln im Wesentlichen der Argumentation der von der DGHS unterstützten Kläger an.
Die DGHS begrüßt die Entscheidung der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln. Sie übertrifft in ihren möglichen verfassungsrechtlichen, betäubungsmittelrechtlichen und rechtspolitischen Konsequenzen sogar ein obsiegendes erstinstanzliches Urteil. Denn "es besteht nun erstmalig in diesem Land die Chance – und daher kann der Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Köln nicht hoch genug bewertet werden – auch die als unüberwindlich angesehene Festungsmauer des Betäubungsmittelgesetzes durch eine entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Fall zu bringen und auch hier eine Liberalisierung im Sinne der schwer und unheilbar erkrankten Suizidwilligen herbeizuführen", so der Verfahrensbevollmächtigte Prof. Robert Roßbruch.
7 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
So, da bin ich mal sehr gespannt - aber durchaus skeptisch:
Erstens müsste sich das BVerfG positiv i.S. der Klage mit der Sache befassen und das BfArM entsprechend verpflichten.
Drittens (und vor allem) liegt der Hase bereits im Pfeffer des Sterbehilfe-Kriminalisierungs-Gesetzes; das müsste zuallererst gekippt werden.
Ein ziemlich dicker Bretterbalken...
Iris am Permanenter Link
Ich empfehle einen Blick in die Schweiz: https://pegasos-association.com/
Die deutsche Politik ist wahrscheinlich nicht zu retten, aber es gibt zumindest keine Mauer mehr, die eine Ausreise in die Schweiz verhindern würde. Ich empfehle auch, generell Güter und Dienstleistungen der Schweiz gegenüber denen von anderen Ländern bevorzugt zu erwerben, da die Schweiz eine wesentlich ethisch-moralisch bessere Politik betreibt. Außerdem sollten solche Organisationen wie die neue Pegasos mit allen Kräften unterstützt werden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nu ja, die Schweiz ist mir nicht nur in dieser Hinsicht bekannt...
Hoffen wir also gemeinsam, dass dies Einfluss auf die hiesigen anstehenden Entscheidungen hat?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ich kann nur hoffen, dass dieses Gesetz zu Gunsten der leidenden Menschen zum tragen kommt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
"... dieses Gesetz ..." - welches?
Heinz König am Permanenter Link
Nur ein Wort: ENDLICH!
Gita Neumann am Permanenter Link
Die Kölner Verwaltungsgerichtsentscheidung ist vorbehaltlos zu begrüßen und "übertrifft ... sogar ein obsiegendes erstinstanzliches Urteil" ?? Diese Bewertung kann ich nicht nachvollziehen:
Köln hält ein generelles Verbot zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung für nicht verfassungsgemäß. Also genau wie im März 2017 schon – völlig zu recht – das Leipziger Bundesverwaltungsgericht. Das ist also unstrittig. Dass das jetzt nochmals verfassungsrechtlich zu prüfen ist – mit unsicherem Ausgang – soll also so positiv bewertet werden?
Ewas anderes ist wohl, die Zulässigkeit der „Versagensnorm“ im Betäubungsmittelgesetz (§ 5) bei tödlich wirkenden Suizidmitteln prüfen zu lassen. Danach ist die Einwilligung zur Abgabe zu versagen, u.a. wenn der Zweck des Betäubungsmittelgesetzes nicht erfüllt wird, nämlich „die notwendige medizinische Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen“. Darauf hat Prof. di Fabio abgehoben in seinem – insgesamt fragwürdigen – Gutachten: Dieses hatte das BfArM von ihm bestellt, um seine völlige Untätigkeit bei der NaP-Vergabe nach dem Leipziger Urteil vom März 2017 irgendwie rechtfertigen zu können.
Di Fabios ideologisch gefärbter Denkfehler besteht – wie bei vielen Kritikern des Leipziger Urteils – darin, der Staat müsse sich danach in irgendeinem Sinne an der Hilfe zum Suizid beteiligen (oder an seiner ja durch § 217 StGB – noch – verbotenen Förderung). Das ist natürlich Unsinn. Aber dessen ungeachtet sollte einer Prüfung des Betäubungsmittelgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht doch auch mit Sorge statt mit einhelliger Begeisterung entgegengesehen werden.
Gita Neumann