Wer Kritik an der Religion des Islam und seiner politischen Ausprägung betreibt, hat ihn sicherlich schon einmal gehört: den Vorwurf, den Rechten nach dem Mund zu reden. Oder sogar selbst ein Rechter zu sein.
Und wenn man sich die lautesten und schrillsten Stimmen in der Debatte ansieht, kann durchaus der Eindruck entstehen, dass die Islamkritik besonders dem politisch rechten Spektrum nahesteht und sogar teilweise deren Aushängeschild geworden ist. Nicht zuletzt, weil die Linken in der Thematik gespalten sind.
Doch nur, weil aus Kreisen um die AfD oder der Neuen Rechten Flüchtlinge etwa als "muslimische Invasoren" bezeichnet werden oder von der "Islamisierung des Abendlandes" gesprochen wird, gilt ihre eigentlichen Kritik meist gar nicht so sehr dem Islam selber. Dies mag auf den ersten Blick irritieren, fordert doch gerade die AfD und ihr politisches Umfeld besonders harte Bandagen gegen Islam und Muslime. Doch sie tun dies nicht, um die liberale Demokratie zu schützen oder aufklärerische Werte hochzuhalten, sondern aus einem besonderen Kulturverständnis heraus, das als "Ethnopluralismus" bezeichnet wird.
Um dies besser zu verstehen, lohnt sich exemplarisch ein Blick auf diesen Begriff, der von vielen Neu-Rechten Gruppierungen und Vordenkern genutzt wird, zwecks Beschreibung ihres Weltbildes.
"Ethnopluralismus", ein Wort, welches zu Beginn leicht an etwas wie "Multikulti" erinnern kann, aber doch genau das Gegenteil meint.
Unter Ethnopluralismus verstehen die Neuen Rechten ein Konzept, in welchem alle Kulturen nebeneinander koexistieren sollen, aber nur in ihrem ursprünglichen Kulturraum. Eine Vermischung oder Assimilation untereinander soll vermieden werden, um die Reinheit der Kultur zu bewahren. Oberflächlich hat dies scheinbar wenig mit direktem Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu tun, welche man traditionell im radikalen rechten Lager verortet.
Doch, betrachtet man das Konzept einmal genauer, fallen die eklatanten weltanschaulichen Brüche zu einem humanistischen, aufgeklärten Weltbild deutlich ins Auge.
Dort werden Menschen kollektiv von Geburt an bestimmten Kulturräumen zugeordnet. Es wird ihnen abgesprochen, selbstständig zu bestimmen, wo sie sich zugehörig fühlen. Damit wird jedem Menschen qua Geburt bereits eine Kultur auferlegt, der er nicht entfliehen kann und auch nicht entfliehen sollte. Dadurch, dass Kultur somit beinahe zu einem körperlichen und vererbbaren Merkmal gemacht wird, kommt beim Ethnopluralismus der Rassismus durch die Hintertür. In vollem Umfang umgesetzt, würde ein solches Konzept zu einer weltweiten Apartheid führen, in der jeder Kulturraum sich hermetisch vom anderen verschließt.
Daher ist es kein Wunder, dass die Neue Rechte nicht nur der Globalisierung, sondern auch den universellen Menschenrechten ablehnend gegenübersteht. Für sie steht eine Durchsetzung allgemeiner Menschenrechte im Widerspruch zum Homogenitätserhalt der Kulturen, welcher für sie über den Interessen der einzelnen Individuen anzusiedeln sei.
Denn dort, wo etwa das Recht auf die freie individuelle Entfaltung besteht, schränkt es den Einfluss des kulturell und religiös Tradierten notwendigerweise ein. Die "Ethnopluralisten" verfahren in ihrem Denken nach der Devise "andere Länder, andere Sitten", völlig gleich, ob es sich nun um antihumanistische Sitten und Werte handelt oder nicht.
Ein Urteil über andere Kulturen und damit auch die Kritik an einer solchen, ist von den Neuen Rechten daher nicht erwünscht, könnte es doch sonst selbst zum Hinterfragen der eigenen Gepflogenheiten führen. Somit reihen sie sich nahtlos ein, in die Reihe kulturrelativistischer Strömungen.
Das Problem der Neuen Rechten ist nicht der Islam. Auch die Muslime sind es nur vordergründig. Was sie stört, ist das angebliche Vakuum, welches das säkularisierte und immer weiter schwindende Christentum und der gerade in Deutschland geringe Patriotismus hinterlassen haben.
Ihr Problem ist die liberale Demokratie. Was sie kritisieren, ist nicht die Ideologie eines politischen Islam, sondern, dass die eigene Gesellschaft keine eigene, ebenso feste, autoritäre Ideologie als Gegengewicht vorzeigen kann.
Das einzige Problem, das Islam und Muslime für die Neue Rechte darstellt, ist die Tatsache, dass sie nach Europa gekommen sind.
Ihr Problem ist nicht allzu sehr der Inhalt des Glaubens und dessen politische Auswirkungen. Denn würde diese "fremde Kultur" in ihrem angestammten "Kulturraum" bleiben, so wäre dies genau das, was der Ethnopluralismus propagiert.
Die Rechten kritisieren nicht die Ideologie des Islam, jedenfalls nicht am Fundament, denn eigentlich hätten sie genau das, was der Islam für sie ausmacht, gerne selber: eine feste Ideologie der Stärke und eine autoritäre Gesellschaft, die möglichst homogen ist und sich auf traditionelle Werte beruft.
Ihnen liegt nichts an einer Religionskritik, die notwendigerweise traditionelle und kulturelle Werte hinterfragt. Sie haben keinen Humanismus und keine Aufklärung im Sinn, wenn sie vor der Islamisierung warnen.
Die Neue Rechte ist kein Verbündeter gegen den politischen Islam, sie ist sein Bruder im Geiste.
7 Kommentare
Kommentare
Peter Friedrich am Permanenter Link
Danke für den sehr wichtigen Beitrag von Herrn Wölbert.
Beispielhaft hierzu die AfD-Ideologin Caroline Sommerfeld (Sezession, IfS, Schnellroda):
"... Wie man es dreht und wendet, die ultimative Lösung ist folglich die Aufhebung des Frauenwahlrechts. Dieses ginge folgendermaßen vonstatten:
Frauenstimmrecht abschaffen, und innerhalb einer Wahlperiode wäre jede linke Partei am Boden. … Europa war nie demokratisch, frauenrechtlerisch engagiert, sex-besessen, homosexuellenbegeistert oder bikini-bekleidet, wenn es groß war! Als die Europäer ihre bisher unübertroffenen Hochkulturen gebaren, war die Alphabetisierungsrate gering, die Frauen trugen Kopftücher und Aufmupf wurde mit Prügel bestraft … Es entspricht meiner weiblichen Natur, Männer für mich entscheiden zu lassen. Wenn ich Nietzsche, Weininger, Paglia, Devlin, Donovan und meinethalben auch dem flamboyant männlichen Angebertypen Roosh V und seinen Freunden aus der Männersphäre darin zustimme, daß es naturale Geschlechtereigenschaften gibt, dann folge ich nur meiner Bestimmung, mich zu subordinieren. Wenn die Männer – wie alle Wahlanalysen lehren, USA, Frankreich, Österreich, Deutschland – vernünftiger wählen als die Frauen, ist alles dazu angetan, das Wahlrecht zu ändern.
Wie die Frauen darauf reagieren würden, entzöge man ihnen das Wahlrecht, hält Roosh für einen rein psychologischen Vorgang: Sie verfielen in eine schier endlose Jammerarie und würden sich danach mit Katze oder Dildo trösten. …" aus https://sezession.de/57327/zivilisationsrettungij-phylomasochismusij
A.S. am Permanenter Link
Dass die "Rechten" mit ihrer Form des Islamkritik so gut punkten konnten, lag am Versagen der Linken, die die Aufklärung an den Islam verraten habe.
Ansonsten teile ich die Auffassung von Hr. Wölbert, dass die "Rechten" ein ähnlich autoritäres System wie den konservativen Islam anstreben.
Gerd Soldierer am Permanenter Link
Die einen glauben an den Islam- Gott, die anderen an den Christ- Gott - alles dasselbe.
oh Gott oh Gott, wo sind wir hier gelandet....
A.S. am Permanenter Link
Logisch, alles das selbe. Es geht immer um Herrschaft über andere Menschen und eine Legitimation für selbige.
Henning Rüß am Permanenter Link
"Reinheit der Kultur" diese Formulierung ist ein Oxymoron. Ich denke wie es zur restlichen Argumentation steht ist damit selbsterklärend.
Wolfgang Kapplusch am Permanenter Link
Ist das unser Problem?
Nein, das ist ein Witz!
Das Problem ist die politische Linke!
Es gibt kaum dezidierte organisierte linke Islamkritik!
Fast jeden Tag erlebe ich es, gerade gestern wieder auf facebook: Nachdem ich einiges an Kritik an einer islamverharmlosenden Aussage eines Freundes geäußert hatte, passiert wieder mal das übliche. Er hat sich sofort hinter eine Mauer verbarikadiert und hat aus dieser Barrikade rau nur noch gegen mich geschossen!
Es war sofort klar daß ich Wutbürger bin der nur mit Hetzparolen um sich wirft, alle Ausländer hasst, und wohl so zwischen AfD und NPD wählen würde.
Jetzt hab ich aber mit der politischen Rechten überhaupt nichts zu tun. Was jetzt?
Das Problem ist die Linke die sich selbst verleugnet, sobald es um den Islam geht! Da gibt es erstmal was zu tun,
die Linke soll sich wieder wirklich auf links besinnen, zu Ihren Wurzeln finden!
Sie setzt Islamkritik mit Rassismus gleich.
Sie setzt den Islam mit den Muslimen gleich
Sie baut eine absolute Mauer um Islamkritik
Aus vermeintlicher Menschlichkeit!
Peter Friedrich am Permanenter Link
Aus den Beiträgen oben geht hervor, dass die politische Rechte und der autoritäre Islamismus strukturell eng miteinander verwandt sind.