Kommentar

Von wegen: Kirchensteuern für soziale Ausgaben

Eigentlich mag ich den Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) gern hören und lesen. So waren die Kollegen dort mit unter den Ersten, die über das unsägliche Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts berichteten, das eine 66-jährige Frau, die ihr Lebtag nichts mit der Kirche zu tun hatte, zur Nachzahlung von Kirchensteuern verdonnerte. Doch manchmal übertreiben sie es etwas mit der "Ausgewogenheit" der Berichterstattung.

In dem ersten Artikel bleibt der rbb sachlich und berichtet wertungsfrei über den Prozess. Die (im Moment 81) Kommentare unter dem Artikel, die sich zu großen Teilen sehr kritisch über das Urteil äußern und mehrfach zu Kirchenaustritten aufrufen, hat die Redaktion wohl dazu bewogen, einen Kommentar von Matthias Schirmer nachzuschieben. Darin bemüht sich dieser, Verständnis sowohl für Befürworter als auch für Kritiker des Urteils aufzubringen. Ein Unterfangen, das von Beginn an zum Scheitern verurteilt ist. Denn hier prallen die konservative Idee des "Bloß-nichts-ändern-Wollens" mit der Jetztzeit aufeinander.

Das weiß auch der Autor. Schreibt er doch: "Die Kritiker wollen, dass Christen sich als Erwachsene aktiv zu ihrem Glauben bekennen müssen – noch einmal 'Ja' sagen, bevor sie Kirchensteuern zahlen." Und fährt dann im nächsten Absatz fort mit den Worten: "Auf der anderen Seite pocht die Kirche darauf, dass die Kindestaufe nun einmal ein heiliger Akt ist: Eltern lassen ihre Kinder doch nicht 'mal eben so' taufen." Schon hier möchte man Herrn Schirmer zurufen: Doch. Genau so ist es! Wer kann behaupten, dass sich junge Eltern, die ihr Kind taufen, wirklich bewusst sind, dass dies für das Kind 18 Jahre später bedeutet, Kirchensteuern zahlen zu müssen. Ob das Kind dann an den Gott der Eltern glaubt oder nicht.

Dann folgt der kaum zu ertragende Satz: "Sie stellen ihre Kinder am Taufstein bewusst unter Gottes Segen und damit in eine Gemeinschaft von Überzeugten hinein." Hier irritiert nicht so sehr "Gottes Segen" – was immer das meint –, sondern der zweite Halbsatz: "in eine Gemeinschaft von Überzeugten". Eine Gemeinschaft von Überzeugten? Redet Matthias Schirmer tatsächlich von deutschen Christen der Gegenwart? Von denen nur noch etwas mehr als 30 Prozent tatsächlich an das glauben, an das sie glauben müssten, um sich der Glaubensgemeinschaft zugehörig zu beweisen? Man muss also davon ausgehen, dass selbst 70 Prozent derer, die ihre Kinder taufen lassen, nicht mehr Teil der "Gemeinschaft von Überzeugten" ist.

Doch richtig dumm wird der (teilweise nicht ganz verquere) Artikel dann im letzten Teil. Heißt es doch da tatsächlich: "Wenn's ums Prinzip geht, sucht man die Schuld gerne beim anderen und bedient das Vorurteil einer geldgierigen Kirche. Allerdings finanziert die mit Kirchensteuern unter anderem auch Krankenhäuser, Kindergärten, Pflegeheime, Obdachlosenasyle. Sie behält ihre Kohle nicht einfach so für sich, sondern setzt sie auch für das Gemeinwohl ein."

Dazu schrieb bereits 2012 das Magazin Die Wirtschaftswoche: "Zwar sind die Verbände [gemeint sind Caritas und Diakonie] steuerlich dem Gemeinwohl verpflichtet, doch in der Praxis kümmern sie sich zuvorderst um die Mehrung des eigenen Einflusses. Dabei helfen Privilegien, die einst für die innere Organisation der Kirche erdacht waren. Sie müssen keinerlei Unternehmensdaten veröffentlichen, ihre Aufträge erhalten sie in vielen Feldern ohne öffentliche Ausschreibung, und ihren Mitarbeitern ist es untersagt, sich gewerkschaftlich zu organisieren."

Tatsache ist, dass der Staat die oben genannten Einrichtungen zu weit über 90 Prozent finanziert, "wobei der Staat alleine für die römisch-katholische Caritas und das evangelische Diakonische Werk pro Jahr knapp 50 Milliarden Euro aufbringen muss." (Stand 2010!) Tatsächlich gibt die Kirche nur etwa 8 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für öffentlich-soziale Zwecke aus. Gerhard Rampp, langjähriger Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit (bfg) Augsburg, ermittelte: "Die Kosten von kirchlichen Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern, Altenheimen et cetera werden fast ganz – zwischen 85 und 100 Prozent – aus öffentlichen Steuermitteln finanziert oder von Elternbeiträgen, Krankenkassen et cetera gedeckt."

Wenn man sich nun genauer anschaut, wie hoch der tatsächlich von den Kirchen gezahlte Anteil an Sozialaufgaben ist, bleibt einem nicht viel mehr, als von der "geldgierigen Kirche" zu reden. Denn die schmückt sich seit Jahren – erfolgreich, wie man auch hier wieder sieht – mit diesen falschen Federn. Und so ist auch Matthias Schirmer der "Caritaslüge" aufgesessen.

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