Das Bundesverfassungsgericht hat heute den § 217 StGB für nichtig erklärt: Das Verbot geschäftsmäßiger Suizidhilfe hat keinen Bestand. Der Humanistische Verband Deutschlands begrüßt die damit verbundene Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und schlägt eine Neuregelung der Suizidhilfe vor.
Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) sieht seinen langwährenden Einsatz für die Autonomie am Lebensende durch das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts vollkommen bestätigt. Der Paternalismus von Gesetzgeber, Bundesärztekammer und weltanschaulich jenseitsgebundenen Positionen wird damit zurückgewiesen.
"Wir verfolgen seit Jahrzehnten schon das Ziel, dass das Selbstbestimmungsrecht auf den eigenen Tod respektiert und gewährleistet sein muss", erklärt Vorstandssprecher Erwin Kress, der bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe vor Ort war. "Es muss kompetente und auch organisierte Hilfe für Menschen geben, die sich aufgrund schwerer Krankheit oder hohen Alters nachhaltig und ernsthaft entschlossen haben, aus dem Leben zu scheiden. Natürlich müssen für die Suizidhilfe klare Regeln und ein Katalog von Sorgfaltskriterien eingehalten werden."
Mit dem Urteilsspruch von Karlsruhe gilt: Aufgeklärtheit, freie Willensbildung und Entscheidungsfähigkeit der Sterbewilligen sind von Ärzt*innen, Sterbehilfeorganisationen und allen zu beachten, die humane Hilfe zur Selbsttötung straffrei leisten wollen.
Die gesellschaftliche Anspruchshaltung, neben vielem anderen das eigene Lebensende selbstbestimmen und planen zu können, wird zunehmen. "Der Humanistische Verband Deutschlands versucht sich darauf einzustellen, dass ein Bedarf an Beratung, Hilfe und auch humanistischer Seelsorge im Kontext von assistiertem und begleitetem Sterben durch Selbsttötung zunehmen wird", erklärt Gita Neumann, HVD-Beauftragte für das Thema humanes Sterben.
Natürlich müssen Suizidwillige bewahrt werden vor einsamen und brutalen sowie vor unüberlegten und voreiligen Suizidversuchen, die einer depressiven Augenblicksstimmung entspringen oder Wissensmängeln über lebenszugewandte Alternativen. Daher schlägt der Humanistische Verband Deutschlands zu etablierende Anlaufstellen vor, in denen Hilfesuchende sich ergebnisoffen und freiwillig beraten lassen können.
Der HVD hat bereits gemeinsam mit medizinrechtlichen Expert*innen Lösungen anstelle des bisherigen, jetzt für verfassungswidrig erklärten, Paragrafen 217 des Strafgesetzbuches ausgearbeitet. Mit renommierten Persönlichkeiten aus Medizin, Recht und Ethik wurde ein Gesetzentwurf für die Regelung der Suizidhilfe konzipiert. Dieses enthält Voraussetzungen vor allem zur Prüfung der freien Willensbildung und Entscheidungsfähigkeit von Suizidwilligen sowie Vorschläge zu gesetzlichen Regelungen einer Suizidkonfliktberatung mit -prävention.
Erstveröffentlichung auf der Webseite des Humanistischen Verbandes Deutschlands.
10 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Da hat das BVerfG eigentlich nur seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit getan, unabhängig zu sein. Eine richtig gute Klatsche in die Gesichter von Spahn & Co. und insbesondere Pfaffia!
Jetzt muss als Nächstes die genitale Verstümmelung von Jungen für verfassungswidrig erklärt werden.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Genau so sehe ich das auch!
Thomas Spickmann am Permanenter Link
Dass das Beschneidungsgesetz in Angriff genommen wird, ist zwar wünschenswert, dürfte aber um Einiges schwieriger werden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich sehe beide Fälle vergleichbar schwierig bzw. einfach - es geht um Grundwerte. Im aktuellen Fall um Selbstbestimmung; gegen religiöse Bevormundung.
Unechter Pole am Permanenter Link
Die Schwierigkeit wird wohl eher sein, einen Rechtsfall zu konstruieren, der zur Verfassungsbeschwerde führen kann.
Andere Möglichkeiten kann man wohl in den nächsten Jahren ausschließen. Dass sich jemand im Bundestag jenseits der AfD auf eine abstrakte Normenkontrolle einlässt, und somit die AfD in ihren durchschaubaren Absichten bestärkt, halte ich für unwahrscheinlich.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Wieso AFD? Verfolgt die das noch?
Vom Rest der MdBs erwarte ich das keinesfalls; die haben die Jungen-Verstümmelung ja mehrheitlich durchgewunken.
Kinder haben leider keine Lobby.
Ich kenne jedenfalls keinen neugeborenen Jungen, der einem erwachsenen Mann erlauben würde oder erlaubt hätte, ihm aus irgendwelchen klerikalen Kackscheiß-Gründen die Penisvorhaut abzuschneiden.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Warum musste da vom HVD "ein Gesetzentwurf für die Regelung der Suizidhilfe konzipiert" werden? Das unterläuft nur wieder meine ureigene Entscheidung.
§ 217 ist weg - und gut is'.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ach so - weil das BVerfG-Urteil eine Sterbehilfe-Regelung (bzw. Regulierung) nahelegt?
Interessant immerhin, dass der HVD diese Konzipierung so flott hinbekam...
beckert am Permanenter Link
Bravo, es gibt doch noch ein paar Vernünftige.
26. 2. 20 Allionso
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Herrn Span und allen Politikern die mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht so recht klarkommen und schon an Einschränkungen basteln, empfehle ich, sich an den Gegebenheiten in Oregon zu orientieren.