Online-Petition gestartet

Wider die antidemokratische Inschrift auf dem Berliner Humboldt Forum

Das Berliner Stadtschloss wird als "Humboldt-Forum" wiedererrichtet. Neben dem Kreuz auf der Kuppel wird nun auch ein genauso frommer wie antidemokratischer Spruch dort platziert. Dagegen richtet sich eine unlängst gestartete Online-Petition.

Das Humboldt-Forum in Berlin, das in der Form des ehemaligen Berliner Stadtschlosses wiederaufgebaut wird, ist aktuell eines der größten und prestigeträchtigsten Bauvorhaben der Bundesrepublik Deutschland. Während die Anbringung eines christlichen, tonnenschweren goldenen Kreuzes prominent auf der Kuppel des Gebäudes 2017 erst nach langer Diskussion beschlossen wurde, wurde nun bekannt, dass auch die historische Inschrift der Kuppel des ehemaligen Schlosses wieder angebracht wird. Eine Diskussion in der Öffentlichkeit dazu gab es nicht, kritisiert Michael Geyer vom Bund für Geistesfreiheit (bfg) München in seiner Stellungnahme.

Gemäß SZ lautet die Inschrift: "Es ist kein ander Heil, es ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn der Name Jesu, zu Ehren des Vaters, dass im Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind."

Ist das Retro oder kann das weg? Es kann weg. Niemand in unserer demokratischen Gesellschaft ist gezwungen, vor irgendjemandem das Knie zu beugen. Das widerspricht zutiefst dem Selbstverständnis des Souveräns, der Bürgerinnen und Bürger.

Abgesehen davon, dass in einem modernen Staatsgebilde religiöse Dogmen keine Rolle spielen dürfen, also die Existenz oder Nichtexistenz eines Gottes, die Existenz Jesu sowie die Existenz von Himmel und Hölle einerlei sind, muss dieser Spruch an so prominenter Stelle unserer Republik jedem Demokraten Schmerzen bis in die Eingeweide verursachen.

So wie es verfehlt ist, bei einem Staatsakt zur Feier der Bayerischen Verfassung anstatt der Würdigung des Revolutionärs Kurt Eisner den Nachkommen der Monarchie zu begrüßen, dessen Vertreter man 1918 aus dem Land gejagt hatte, so ist es absurd, sich demütig über den eigenen Köpfen eine weithin sichtbare antidemokratische Aussage eines Königs zu montieren. Denn mit dieser Inschrift wollte Friedrich Wilhelm IV. seine Absicht zur Unterdrückung der Demokratie und Bürgerrechte hin zu einer absolutistischen Herrschaft offenkundig machen. Und nun soll sich ein republikanischer Staat mit solch einer Inschrift schmücken?

À propos König Friedrich Wilhelm IV. – war da nicht was? Richtig, die Dynastie der Hohenzollern, dessen letzter Spross seinem berühmten Vorfahren nun mit seinen "Eiern aus Stahl" alle Ehre macht, um sich Entschädigung für seine alten Adelspfründe von der Bundesrepublik zu erstreiten. Diesem edlen Geschlecht setzen wir Bürgerinnen und Bürgern der Bundesrepublik nun ein weiteres Denkmal.

Das Humboldt-Forum hat angekündigt, das Kreuz und die Inschrift historisch einzuordnen. Da stellt sich die Frage: Warum baut man erst etwas für Millionen Euro, wofür man dann absehbar, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, eine Erklärung nachschieben muss? Möglicherweise ist das Kreuz am Ende, so wie in Bayern nach dem Kruzfixurteil des Bundesverfassungsgerichts vor 25 Jahren, gar kein christliches Kreuz, sondern lediglich ein kulturelles Zeichen? Wenn diese historische Einordnung so gut gelingt, wie im Falle der "Judensau" in Wittenberg, na toll.

Baustelle des Humboldt-Forums
Blick auf das nach wie vor im Bau befindliche Humboldt-Forum mit eingerüsteter Kuppel (2019) (Foto: Paweł Drozd via Wikimedia Commons)

Es macht es nicht besser, dass Kreuz und Inschrift von Spenden finanziert werden. Den Löwenanteil mit 644 Millionen Euro Baukosten übernimmt laut Humboldt-Forum der Staat, demgegenüber stehen Spenden von 80 Millionen Euro für die Außenfassade und 25 Millionen Euro für die Kuppel. Mit einer vergleichsweise geringen Geldsumme wird hier ein komplettes, um ein vielfach kostspieligeres Gebäude regelrecht gekapert und der demokratischen Gesellschaft entfremdet.

Das Kreuz und die Inschrift auf dem Humboldt-Forum sind vermutlich nur deswegen kein formeller Verstoß gegen die Neutralität des Staates, da das Gebäude und die Ausstellung von einer Stiftung kuratiert wird – und somit zwar zum Großteil vom Staat bezahlt wird, der Staat jedoch eben nicht Eigentümer ist. Es ist somit vermutlich kein "öffentliches Gebäude" im eigentlichen Sinn.

Ungehindert dessen wird es jedoch weiterhin so sein, dass die Finanzierung der Stiftung auch in Zukunft maßgeblich durch den Staat erfolgen wird. Letztendlich wird das Humboldt-Forum, auch wenn es wohl nicht formell als staatliche Repräsentation gesehen werden kann, allein aufgrund der Geschichte und Lokalität des Ortes sowie der Ausstellungskonzepte als Aushängeschild der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin gesehen werden. Dies ist durchaus positiv, wenn durch geeignete Ausstellungen ein neues kulturelles Zentrum entsteht und gefördert wird.

Damit erhalten das Gebäude und die Ausstellung jedoch im Gegenzug die Verantwortung, im gesellschaftlichen Raum der Bundesrepublik sorgfältig zu agieren. Dem widerspricht aufs Tiefste ein tonnenschweres goldenes Kreuz, das die weltanschauliche Neutralität des Staates verletzt, und dem widerspricht umso mehr ein reaktionäres und geschichtsvergessenes Spruchbanner auf der Außenseite der Kuppel. Im Interview mit dem Deutschlandfunk nennt Nikolaus Bernau den aus der Bibel stammenden Spruch zu Recht "antidemokratische Propaganda".

Ist nun alles schon zu spät? Vermutlich: ja. Allerdings: Aktuell bis Mitte August 2020 kann man sich einer Online-Petition, initiiert von Andreas Kielmann vom bfg München, gegen Kreuz und Inschrift anschließen, um zumindest seinem Unwillen Ausdruck zu verleihen, diesen Missbrauch zu akzeptieren.

Vielleicht findet sich doch noch ein besserer Spruch – zur Auswahl haben wir viele. Wie wäre es mit "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Oder alternativ, im Sinne des Namensgebers Alexander von Humboldt: "Eine Eigentümlichkeit des Chamäleons ist sein Vermögen, zur gleichen Zeit nach verschiedenen Richtungen sehen zu können, mit dem einen Auge gen Himmel, mit dem anderen zur Erde. Es gleicht darin manchem Kirchendiener, der dasselbe ebenso gut kann."

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