Es sollte keine Pflicht zur Beratung geben

Auch die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) kritisiert die Auswahl der Experten, die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um ihre Expertise zur Neuregelung der Suizidassistenz gebeten wurden.

Nach Informationen der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit Abgabefrist bis zum 09. Juni 2020 eine Reihe von Institutionen und Experten eingeladen, ihre Expertise für eine mögliche "Neuregelung der Suizidassistenz" einzubringen.

"Bei diesem Vorgehen wundern wir uns doch sehr", kommentiert Professor Robert Roßbruch, Vizepräsident der DGHS. "Wir befürchten, dass das glasklare Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020 zum Recht jedes Einzelnen, sein grundgesetzlich verankertes Recht auf Suizidhilfe wahrzunehmen, doch noch durch die Hintertür allzu stark eingegrenzt werden könnte."

Ein Indiz dafür ist die Auswahl der von Spahn angeschriebenen Experten. Es dominieren kirchliche und konservative Stimmen. Roßbruch: "Bei dieser Auswahl der angefragten Experten kann man sich doch zusammenreimen, welche Argumente aus der Mottenkiste geholt werden. Der Schutz der Selbstbestimmung ist von dieser Seite bislang meist dem Schutz des Lebens nachgeordnet worden." Die mitgliederstarke und traditionsreiche Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben e. V., die sich dem Selbstbestimmungsrecht bis zum Lebensende verpflichtet fühlt, in den 40 Jahren ihres Bestehens wiederholt konstruktive Vorschläge für Regelungen der Suizidhilfe vorlegte und über ein großes Experten-Wissen in Fragen der Sterbebegleitung und -hilfe verfügt, wurde bezeichnenderweise nicht angefragt, obwohl Spahn nach der Urteilsverkündung vollmundig der Öffentlichkeit mitgeteilt hat, dass er nunmehr mit allen Beteiligten das Gespräch führen wolle.

Nach Auffassung der DGHS ist das Schreiben des CDU-Bundesgesundheitsministers überdeutlich von dessen parteipolitischer Geisteshaltung geprägt. Spahn betont in seiner Anfrage den Begriff Lebensschutz und eine mögliche Notwendigkeit, Menschen vor sich selbst zu schützen, falls eine Einschränkung der Selbstbestimmung vorliegen sollte. Er wolle die "Möglichkeit eines legislativen Schutzkonzepts nutzen". Roßbruch: "Wenn der Bundesgesundheitsminister es ernst meint mit seiner Ankündigung, in einen 'konstruktiven Dialog' zu treten, um 'Eckpunkte einer möglichen Neuregelung der Suizidassistenz' zu sammeln, sind wir ebenfalls gerne gesprächsbereit."

Für die DGHS sind zum Beispiel eine Änderung in der Musterberufsordnung der Ärzte, des Betäubungsmittelrechts und die Einhaltung medizinischer Sorgfaltskriterien zentral. Elementar für die DGHS ist die Freiverantwortlichkeit des Suizidwilligen. Diese liegt vor, wenn der Suizidwillige die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit für seinen Selbsttötungsentschluss besitzt, seine Entscheidung frei von Willensmängeln ist, sein Entschluss wohlerwogen und von einer inneren Festigkeit getragen ist.

Dabei ist die Urteils- und Entscheidungsfähigkeit, wie im gesamten Rechtsverkehr, zu unterstellen. Nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte hinsichtlich einer möglichen Einschränkung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit sollte eine fachpsychiatrische Begutachtung mit eingehender Prüfung der Einsichts- und Urteilsfähigkeit vorgenommen werden.

Im Rahmen eines zu schaffenden prozeduralen Sicherungskonzepts befürwortet die DGHS daher eine ausgewogene und umfassende Aufklärung über medizinische Alternativen zum beabsichtigten Suizid, lehnt aber eine wie auch immer geartete Beratungspflicht kategorisch ab. Denn eine solche Pflicht liefe auf eine Begründungs- und Rechtfertigungspflicht des Suizidwilligen hinaus. Die freiverantwortliche Entscheidung über das eigene Lebensende bedarf jedoch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber gerade "keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung".

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