Kolumne: Sitte & Anstand

Superspreader der Verdammnis

Erschrecken im Erzbistum Detroit: Ein Priester war nicht ordnungsgemäß getauft. Waren also alle seine Segnungen ungültig? Schmoren wegen eines Formfehlers arme Seelen in der Hölle? Vom Vatikan kam jetzt eine Antwort.

Gott und Priesterschaft stehen in einem seltsamen Abhängigkeitsverhältnis zueinander: Ohne Priester gibt es keinen Gott. Ohne Gott gibt es keine Priester. Gott scheint das im Großen und Ganzen eher egal zu sein, er muss nicht unbedingt immer da sein, muss sich nicht ständig um alles kümmern, manche sagen sogar, er habe sich zurückgezogen und lebe als gut angezogener Heavy-Metal-Dosenbiertrinker in Berlin-Prenzlauer Berg: Fernab nerviger menschlicher Mühsal sitze er dort nun täglich in der Sonne, seine Lederjacke glänze wie neu, in den Schaufensterscheiben der Touristen-Gaststätten und Nippesläden kontrolliere Gott ab und an, ob sein weißlich-graues Wallehaar noch gut liege, und zum Spaß grüße er Passanten manchmal mit der Heavy-Metal-Pommesgabel, denn Gott hat auf seine alten Tage einen gewissen Sinn für Humor entwickelt, und die Priester vermisst er nicht.

Die Priester aber, sie brauchen ihn täglich, oder zumindest brauchen sie täglich die Behauptung seiner Existenz, und Humor ist ihnen von Berufs wegen eher selten zu eigen. Je weniger greifbar dein Wirken ist, desto ausgefeilter muss dein Brimborium sein, desto mehr muss alles mit größtmöglicher Ernsthaftigkeit vonstatten gehen. Absurde rituelle Details können enorme Wichtigkeit erlangen. Und so ist anzunehmen, dass Pfarrer Matthew Hood im Erzbistum Detroit (USA) kürzlich ein schlimmer Schrecken durchfuhr: Er hatte alte Familienvideos herausgekramt, er sah sich selbst als Baby bei seiner eigenen Taufe, und da – zuckte er zusammen. Der Dekan hatte beim Taufen die falsche Zauberformel verwendet! Statt "Ich taufe dich ... blabla" sagte er tatsächlich "Wir taufen dich ... blabla".

Für die Gemeinde war das vielleicht ein netter Schwenk gewesen, eine Andeutung, dass der Täufling nun doch auch Halt in den Menschen um sich herum finden solle – für Father Matthew Hood brach eine Welt zusammen. Denn wie ihm nun schwante, war er also ungetauft. Auch Sakramente und Weihen, die er nachfolgend erhalten hatte – ungültig. Alles, was er selber als Priester über die Jahre getan hatte – Sünden vergeben, gesegnet, Sterbende gesalbt: War all das auch ungültig? War Father Hood ein Superspreader der Verdammnis?

Dies aufzuklären, ging die Sache bis zur vatikanischen Glaubenskongregation und kam von dort wieder zurück, das Erzbistum Detroit wertete aus, und katholisch.de fasst zusammen: "Wer bei Pfarrer Hood gebeichtet habe, sei nicht ohne ein gewisses Maß an Gnade und Vergebung Gottes geblieben." Todsünden müssen jedoch erneut gültig gebeichtet werden. Auch Gläubige, die aufgrund der falschen Taufformel ungetauft gestorben sind und solche, die vor ihrem Tod durch den vermeintlichen Priester die Absolution oder die Krankensalbung erhalten haben, hätten "dieses Leben nicht ohne Gnade und Vergebung verlassen".

Wie jetzt, "ein gewisses Maß an Gnade"? Braucht es die Zauberformeln der Priester oder braucht es sie nicht? Salomonisch verkündet Detroit: "Wir können zwar stets gewiss sein, dass Gott durch die Sakramente wirkt, wenn sie korrekt durch den rechtmäßigen Spender gespendet werden, Gott ist dadurch aber nicht in seiner Gnade beschränkt: Er kann seine Gnade eigenständig austeilen und tut es auch." Oder, auf Deutsch gesagt: Das geht auf Kulanz.

Wow! Gott, alter Schwede! Da hat ja wohl einer mächtig dazugelernt seit der Erfindung von Erbsünde und ewigem Feuerpfuhl voller Entsetzensschreie und ausgesuchtester Folter. Vermutlich hat das Privatiersleben in Prenzlauer Berg ihn milde und weich gemacht, und wahrscheinlich verkündet er bald offiziell: "Ach Leute, das mit den Sünden und der Vergebung war sowieso eine Quatschidee, sorryyyy!!! Habt einfach Spaß. Die nächste Runde geht auf mich. Und ihr Priester könnt alle nach Hause gehen. Heiraten. Rumknutschen. Mich einen guten Mann sein lassen. Prost." Und dann stoßen wir mit ihm an, mit Dosenbier.

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