Wer in Nordrhein-Westfalen aus der Kirche austreten will, hat es derzeit nicht leicht. Bei einigen Amtsgerichten gibt es die nächsten freien Termine frühestens im März.
An ihren Kircheneintritt können sich die Wenigsten erinnern. Kein Wunder, passiert dieser doch meistens ohne Einwilligung des Eintretenden im Kleinkindalter durch die Taufe. So leicht der Kircheneintritt ist, so aufwändig gestaltet sich mitunter der Kirchenaustritt. In jedem deutschen Bundesland sind hierfür unterschiedliche staatliche Behörden zuständig und auch die Kosten für den Austrittsakt unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland.
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen erfolgen Kirchenaustrittserklärungen ausschließlich gegenüber dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erklärende seinen Wohnsitz hat. Normalerweise bedarf der Besuch bei der Kirchenaustrittsstelle der Amtsgerichte keiner Anmeldung. Doch wegen des Coronavirus ist in diesem Jahr alles anders. Seit dem Sommer muss man sich für diese und andere Dienstleistungen der Gerichte vor dem Besuch online einen Termin besorgen. In einigen Amtsgerichten sind die Kirchenaustrittstermine jedoch bereits bis Anfang März ausgebucht, während an denselben Gerichten Termine für andere gerichtliche Dienstleistungen zeitnah zu bekommen sind.
Vom Engpass bei den Kirchenaustrittsterminen ist vor allem das Rheinland betroffen. Bei den Amtsgerichten Düsseldorf, Köln und Bonn sind die entsprechenden Termine seit Mitte Dezember bis Anfang März ausgebucht. Auffälligerweise befinden sich diese Gerichtsbezirke alle in Erzbistum Köln, das aufgrund seines problematischen Umgangs mit dem Missbrauchsskandal derzeit von einer veritablen Vertrauenskrise erschüttert wird.
Dass es 2020 einen besonderen Anstieg der Kirchenaustrittsbegehren gegeben hätte, können die Sprecher der Amtsgerichte Köln und Düsseldorf auf Nachfrage des hpd allerdings nicht bestätigen. Sowohl in Düsseldorf als auch in Köln bewegten sich die Kirchenaustrittszahlen nach dem Rekord-Austrittsjahr 2019 auf dem Niveau der Jahre 2017/2018.
Buchungen von Kirchenaustrittsterminen für März werden erst ab Anfang Januar im Online-System der Gerichte möglich sein. Wie bislang werde man dabei 16 Kirchenaustrittstermine pro Tag vergeben. Sollte die Nachfrage nach Kirchenaustritten weiterhin hoch bleiben, so die Sprecherin des Amtsgerichts Düsseldorf, überlege man, zusätzliche Kapazitäten zu schaffen.
Wer mit dem Kirchenaustritt keinesfalls bis März warten will, dem bleibt lediglich der Besuch beim Notar, der das Austrittsbegehren beglaubigt und ans Gericht weiterleitet. Zur gerichtlichen Austrittsgebühr kommen so allerdings noch die Notarkosten. Eine Austrittserklärung per einfachem Brief ans Amtsgericht ist hingegen nicht wirksam.
16 Kommentare
Kommentare
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Komisch. Man kann heutzutage ein PKW online am LRA anmelden, aber der Kirchenauftritt wird künstlich erschwert. Damit zahlt man länger Kirchensteuer und im besten Fall (für die Kirche) vergisst man den Termin.
Martin am Permanenter Link
Bzw. müßte die Mitgliedschaftsgebühr, wie bei anderen Vereinen auch, überwiesen werden.
Wer der Zahlungsverpflichtung nicht nachkommt, fliegt raus.
Unechter Pole am Permanenter Link
Man soll vielleicht darauf gewappnet sein, einen Verwaltungsprozess zur Einklagung eines rückwirkenden Kirchenaustritts zu führen. Sollte dieser nicht gewährt werden, haben wir m.E.
Stefan Räbiger am Permanenter Link
Ein Schelm der bösesdazu denkt, NRW ist ja auch als besonders Kirchen freundlich verrufen, da haben die Kirchen bei Politikern und Behörden einen großen Fuß in der Tür, das war auch zu SPD Zeiten nicht anders.
Tomato Soßus am Permanenter Link
Wenn die Amtsgerichte überlastet sind, kann sich die Kirche als Retter in der Not profilieren.
Dirk R. Schuchardt am Permanenter Link
Warum Kirchenaustritte in NRW nicht einfach beim Bürger- oder Standesamt erklärt werden können, ist mir schleierhaft.
Unechter Pole am Permanenter Link
Amtsgericht, Standesamt oder Bürgerbüro, das macht (abgesehen vom ländlichen Raum vielleicht) recht wenig Unterschied aus. Bürgerbüros seien auch bundesweit coronabedingt überlastet.
Dirk R. Schuchardt am Permanenter Link
Jein: Die "Hürden" bei Gericht mit der Sicherheitsschleuse sind schon andere, als in einem "normalen" Bürger- oder Standesamt.
M. Landau am Permanenter Link
Lange Schangen am kostenpflichtigen Ausgang in die Freiheit.
Unechter Pole am Permanenter Link
Diese Provision stellt aber nur einen Bruchteil der Einkommensteuer dar, die aufgrund der Absetzbarkeit der Kirchsteuer von ZvE dem Staat entgeht.
M. Landau am Permanenter Link
Stimmt auch wieder. Aus den derart verkürzten Steuereinnahmen erhalten die Kirchen unentwegt und ohne jeden trifftigen Grund auch noch enorme Zuwendungen hinterhergeworfen.
Anke Heitland am Permanenter Link
Also ganz ehrlich: Selbst als Hartz IV BezieherIn würde ich noch eher heute als morgen zu einem Notar rennen und allerschnellstens diese n Verein verlassen, als auch nur EINEN Tag länger diesen widerwärtigen und zum H
M. Landau am Permanenter Link
Es ist in Kirchenbelangen nicht weit her mit der von Politikern zu oft strapazierten Worthülsen zur sozialen Gerechtigkeit.
Maria R. am Permanenter Link
In Österreich geht das ganz einfach per e-mail an die Bezirkshauptmannschaft (mittels Formular und Kopie von Reisepass und Taufschein)
Paul München am Permanenter Link
16 Termine pro Tag!? Wie lang dauert so ein Termin?
Sauer, J. am Permanenter Link
Ein Kirchenaustritt dauert ca. 10-15min. Große Gerichte haben eigene Abteilungen dafür, die nur KA bearbeiten. Bei kleineren Gerichten sind viele Termine an einem Tag aufgrund Mischpensen gar nicht möglich.