Am vergangenen Freitag, 19. März, fand per Videokonferenz eine breite Diskussion statt, die sich mit der Zukunft des KORSO und seiner Weiterentwicklung als Lobbyorganisation für säkulare Anliegen befasste. Über 50 Menschen aus den unterschiedlichsten säkularen Organisationen nahmen teil.
Der KORSO-Vorsitzende Dr. Rainer Rosenzweig zeigte sich überwältigt von dem unerwartet großen Zuspruch und der lebhaften, stets konstruktiven Diskussion. In einer kurzen Einführung zeichnete er zu Beginn der Debatte die Historie des KORSO nach. Nach dessen in der Satzung verankerten Gründungsidee hat der KORSO die Aufgabe, nach innen koordinierend zu wirken und gemeinsame Positionen nach außen zu vertreten. Die Voraussetzungen dafür hat der KORSO in den letzten Jahren nach und nach erarbeitet. Auf einer Klausurtagung im Oktober 2020 verständigte man sich unter anderem darauf, den KORSO zu einer säkularen Lobbyorganisation weiterzuentwickeln.
Rosenzweig erläuterte, warum sich der KORSO bei seinem Auftreten nach außen stets sorgfältig darauf fokussiert, die Schnittmenge der Interessen der unterschiedlichen säkularen Verbände zugrunde zu legen. Der KORSO sei kein "kleinstes gemeinsames Vielfaches" der Verbände, anders als oftmals formuliert also kein Dachverband, sondern so etwas wie der "größte gemeinsame Teiler". Die Themenpalette sei breit, die Schnittmenge säkularer Interessen dementsprechend groß, das Arbeitsfeld des KORSO somit umfassend. Rosenzweig schlug vor, den KORSO strukturell weiterzuentwickeln, um über die bereits bestehende Einbindung der Verbände hinaus noch näher an säkular gesinnte, konfessionsfreie Menschen heranzutreten und deren Unterstützung zu suchen. Ziel sei es, eine möglichst breite Legitimationsbasis zu finden, mit der man an Medien, Politik und Gesellschaft mit dem Anspruch herantreten könne, eine starke Stimme für die Interessen säkular denkender, konfessionsfreier Menschen zu bilden.
Über dieses Konzept wurde vier Stunden lang breit und lebhaft diskutiert, ebenso über den Namen, unter dem der KORSO dann öffentlich auftreten sollte, der als Lobbyorganisation dann ja mehr sein wird als ein reiner "Koordinierungsrat".
"Der breite Meinungsaustausch war ein Meilenstein auf dem Weg zu einer längst überfälligen Stärkung der Interessen säkularer Menschen. Wer eine säkulare Gesellschaft will, braucht starke säkulare Organisationen. Die vielfältigen, nachvollziehbaren und legitimen Partikularinteressen dieser Verbände sind somit zu stärken. Gleichzeitig ist es wichtig, die gemeinsamen Anliegen konfessionsfreier Menschen zu benennen. Insgesamt will der KORSO ein gesellschaftliches Klima schaffen, das säkulare Belange in allen Teilbereichen des Lebens ernst nimmt", so Rosenzweig in einer Stellungnahme nach der Videokonferenz.
Die Diskussion war bereits die dritte Themenwerkstatt per Videokonferenz, die der KORSO durchführte und moderierte. Eine erste Verständigung gab es im Januar zur Autonomie am Lebensende und eine zweite im Februar zu den altrechtlichen Staatsleistungen. Die nächste Themenwerkstatt des KORSO findet – erneut online – am Nachmittag des 23. April 2021 statt. Thema ist das Konzept für ein "Festival Mensch", das bei der Gelegenheit erstmals vorgestellt wird. Wer sich für eine Teilnahme an derartigen Videokonferenzen interessiert, kann Name und Mailadresse unter info[at]korso-deutschland.de hinterlassen und wird in den Einladungs-Verteiler aufgenommen.
Erstveröffentlichung auf der Website des KORSO.
2 Kommentare
Kommentare
Carsten Ramsel am Permanenter Link
Ich forsche jetzt seit 10 Jahren zu den Säkularen und manches ist mir immer noch unklar. Vielleicht erfahre ich hier mehr.
1. Wer sind die „Säkularen“?
Die einzige Gemeinsamkeit, die ich bislang feststellen konnte, ist eine Negativ-Bestimmung entweder als im weitesten Sinne nicht religiös (vulgo: atheistisch) oder konfessionsfrei. Eine negative Identitätsbestimmung ist als Gruppenidentität unbefriedigend. (Was sind Nicht-Fußballspieler*innen?) Was ist den „Säkularen“ also gemein (außer (nach prozentualer Häufigkeit) männlich, im mittleren Alter, überdurchschnittlich gebildet, urban, ethisch und politsch liberal)?
2. Haben die „Säkularen“ gemeinsame politische Interessen? Und wenn ja, welche?
Da die einzige Bestimmung der Säkularen eine negative ist, verstehe ich nicht, woher die gemeinsamen politischen Interessen kommen oder welche diese überhaupt sind. Sie sind – für mich – im politischen Spektrum als genuin säkulare Interessen nicht erkennbar. Vieleicht schaue ich aber auch nicht gut genug hin.
3. In den säkularen Organisationen sind nicht einmal 1‰ der „Säkularen“ organisiert. (Nehmen wir 32Mio. Konfessionsfreie als Grundlage.) Wie wollen diese Organisationen die politischen Interessen der „Säkularen“ angesichts des Umstands vertreten, dass sie die postulierten gemeinsamen Interessen nicht kennen?
Die meisten säkularen Organisationen sind in ihrer historischen Genese antiklerikal. Den meisten „Säkularen“ ist die instutionalisierte Religion aber entweder egal, sonst wären sie nicht aus den Kirchen ausgetreten oder würden sich vermehrt politisch als „Säkulare“ organisieren; sie wissen nicht, um die politischen Verknüpfungen von Staat und Kirchen; oder die Kirchen genießen auch unter den „Säkularen“ einen größeren gesellschaftlichen Rückhalt als sich das die säkularen Organisationen vorstellen bzw. wünschen.
Für sachdienliche Hinweise wäre ich dankbar.
Rainer Rosenzweig am Permanenter Link
Lieber Herr Ramsel,
Ihre Nachfragen sind legitim.
Zu 1.: Bei der Gründung des KORSO hatte man sich auf die gemeinsame Formel "säkular" geeinigt, da es damals im Verständnis der Verbände eine gemeinsame Basis definierte. In der gegenwärtigen Situation halte ich eine Negativ-Bestimmung der gemeinsamen Identität nicht für ein Problem. Wenn die Gesellschaft so aufgebaut wäre dass Fußballspieler (beiderlei Geschlecht) in ungerechtfertigter Weise privilegiert würden (um Ihr Beispiel aufzugreifen), dann würde ich es für legitim halten, dass sich eine Lobby bildet, die sich für diejenigen einsetzt, die nicht zu dieser privilegierten Gruppe gehören. Ud zwar so lange bis sich ein faires Gleichgewicht eingestellt hat. Danach kann man sich dann ja immer noch streiten, ob man lieber Handball spielt oder Briefmarken sammelt. Was ist den säkularen gemein? Hier verweise ich auf die vielfältigen Studien von Fowid (https://fowid.de/), die zeigen, dass "säkulare" oft ähnlicher denken als "katholische" oder "evangelische".
Zu 2. Das gemeinsame säkulare Interesse besteht also darin, dass es bei der Verteilung von Privilegien in unserer Gesellschaft fair zugehen sollte. Nach Ansicht vieler ist das in der derzeitigen Situation nicht der Fall. Sollte das irgendwann erreicht sein und keine Gefahr bestehen, dahinter zurückzufallen, kann der KORSO sich ja auflösen. Ich denke aber nicht, dass das in absehbarer Zeit der Fall sein wird.
Zu 3. Das von Ihnen angesprochene Problem ist den säkularen Organisationen durchaus bewusst. Damit muss jede Organisation umgehen. Für den KORSO bedeutet das nur, dass es nicht um Partikularinteressen von Einzelpersonen oder Personengruppen oder Verbände gehen kann, sondern um eine faire Gesellschaft, in der einzelne Gruppen nicht bessergestellt werden sollten, nur weil sie sich durch einen cleveren Trick (etwa durch eine Kindstaufe) einen Mitgliedschaftsvorsprung verschafft haben (wie viele Kirchenmitglieder haben als geschäftsfähige Personen ihren Beitritt erklärt?) und nun auf Privilegien pochen, die sie zwar traditionell schon immer erhalten haben, die nun aber aufgrund der aktuellen gesellschaftlichen Situation immer mehr an Rechtfertigung verlieren. Es geht also beim KORSO nicht um "Antiklerikalität" (wie Sie das nennen), sondern um Fairness. Für diese Fairness setzen sich durchaus auch Menschen ein, die ein religiöses Weltbild haben möchten. Diese Menschen sind auch dem KORSO als Partner willkommen.