Um den islamischen Religionsunterricht neu aufzustellen, hat das nordrhein-westfälische Schulministerium den umstrittenen Moscheeverband Ditib mit an den Tisch geholt. Ditib steht wegen seiner Nähe zur türkischen Religionsbehörde Diyanet und damit zur türkischen Regierung in der Kritik. Während Beobachter wie Grünen-Politiker Cem Özdemir und das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) protestieren, verteidigt das Ministerium seinen Kuschelkurs.
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, kurz Ditib ist eine von sechs islamischen Organisationen, die das Ministerium mit ins Boot geholt hat. Die weiteren Beteiligten sind das Bündnis Marokkanische Gemeinde (BMG), die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), die Islamische Religionsgemeinschaft NRW (IRG NRW), die Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ). Jede Organisation hat einen Sitz in der Kommission.
Das Land hat dem neuen Gremium weitreichende Befugnisse bei der Gestaltung des Religionsunterrichts eingeräumt, wie es bereits bei den Kirchen üblich ist. Während NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) optimistisch ankündigt, mit diesem Schritt "gemeinsam ein neues Kapitel für den islamischen Religionsunterricht" aufzuschlagen, hat man andernorts die Zusammenarbeit mit Ditib schon wieder gestoppt. Gebauers Amtskollege Alexander Lorz in Hessen beendete die Kooperation 2020, weil bestehende Zweifel an der Unabhängigkeit des Verbandes von der türkischen Regierung nicht ausgeräumt werden konnten.
Mehr als nur Zweifel an der NRW-Entscheidung äußerte der Grünen-Politiker Cem Özdemir gegenüber der Welt am Sonntag. CDU und Landesregierung hätten dafür gesorgt, dass Erdogan Zugang zu deutschen Schulen bekomme. "Wir wollen keine Papageien, die die Agenda Ankaras oder Teherans nachplappern", so der Bundestagsabgeordnete. Notwendig sei stattdessen "eine Vertretung der in Deutschland lebenden Muslime auf dem Boden des Grundgesetzes". Kritik äußerten auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries und Stephan Thomae, Vizevorsitzender der FDP im Bundestag.
Das NRW-Schulministerium beeilt sich indes, jegliche Bedenken zu zerstreuen. Auf Anfrage des Kölner Stadt-Anzeigers teilte man dort mit, der Ditib-Landesverband habe "seine Satzung und die Satzungen seiner Regionalverbände so geändert, dass in der Zusammenarbeit beim islamischen Religionsunterricht von einer ausreichenden Unabhängigkeit vom Ditib-Bundesverband und vom türkischen Staat ausgegangen werden kann".
Trotz aller Beteuerungen bleiben entscheidende Punkte offen. Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) legt hierzu mit einem Fragenkatalog den Finger in die Wunde. Wie Ditib sich bei Konflikten zwischen staatlichen Gerichten und religiösen Rechtsnormen positioniert, wie sie zu den Rechten von Menschen nichtmuslimischen Glaubens, Frauen, ApostatInnen und LGBT-Personen steht – daran wird sich die Organisation messen lassen müssen.
9 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Die Haltung des NRW-Schulministeriums erachte ich als naiv.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Protestiert Cem Özdemir aus säkularer Überzeugung oder 'nur', weil er Ditib für Rechts hält?
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Und da soll keine Korruption im Spiel sein? Wer kriegt da Geld im Ministerium? Das ist doch nicht normal! Ausverkauf unserer Freiheit an DITIB!
Detlev F. Neufert am Permanenter Link
In welcher Blase leben einige Politiker? Jeder, der sich einigermaßen zur listigen DITIB informieren kann, findet genug Beispiele, um an deren Ehrlichkeit zu zweifeln.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Leider konnte man zu dem Beitrag "House of One" keinen Kommentar schreiben.
Die tatsächlichen Verhältnisse zu den Religionen werden dabei völlig ignoriert und übergangen.
Steuergelder, welche andernorts dringest benötigt würden, werden für aufgezwungene
Religionen verschwendet.
Haben unsere Politiker noch immer nicht begriffen, dass die Mehrheit der Menschen in der BDR nichts mehr mit Mittelalterlichen Geisterglauben am Hut haben.
Wacht auf und schaut der Realität ins Auge!
Humanistischer ... am Permanenter Link
Hallo Herr Baierlein! Wir haben gerade nachgeschaut. Das Kommentieren beim "House of One"-Artikel sollte jetzt funktionieren. - Die hpd-Redaktion
Rene Goeckel am Permanenter Link
Ich habe übrigens die kleine Rechenaufgabe gelöst: Für die Fördersumme von 10 Mios hätte man für die Berliner Schüler und Schülerinnen circa 30.000 Laptops kaufen können.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Das Verhalten der zuständigen Politiker zeigt deutlich wo deren Prioritäten liegen.
Das festhalten an Geisterglauben ist ihnen wichtiger als die Bildung der Jugend und damit der Zukunft unseres Landes.
opus am Permanenter Link
Der Papst, nicht demokratisch gewählt und nicht grundgesetztreu ( Siehe Zulassung von Frauen zu höheren Ämtern) hat Einfluss auf die Zulassung von Reli-Lehren über Kardinäle und Missio.
auch die Bestrebungen Erdogans nicht zu verhindern sind.
Aber mein Vorschlag ist:
Schafft den Reli-Unterricht ab und ersetze ihn wie in Berlin durch LER
Lebenskunde, Ethik und Religionskunde. fred.mandt@gmx.net