Bestechend stechend: Die Katholiken

Katholische Tattoo-Aktion in Wien

Die katholische Kirche in Wien bietet am kommenden Samstag im Rahmen eines "Free Tattoo Walk-in" Umsonst-Tattoos an. Das Event findet in der Begnungsstätte der österreichischen Ordensgemeinschaften "Quo vadis?" statt. Gestochen werden selbstverständlich nur christliche Motive auf christlichen Körperteilen. Ein Kommentar von Andreas Gradert.

Jetzt ist die Kirche schon so verzweifelt, dass sie meint, mit pseudocoolen Aktionen Leute zumindest einmal ins Gebäude locken zu müssen, so wie mit einer Kletterwand im Stephansdom zur Maturasegnung (nach dem 2022er Zoom-Segen) oder einem Escape Room im Linzer Dom.

Es ist im wahrsten Sinne bestechend, was sich dieses Mal die Katholischen haben einfallen lassen, und ich kann mir gut vorstellen, wie diese hochmoderne, hippe und überraschende Idee entstanden ist.

Da saßen also ein paar Marketingexperten zusammen, erkannten, dass immer mehr Mitglieder aus dem Verein, der sie mit Werbeaufträgen finanziert, austreten, und somit die Basis für zukünftige glänzende Geschäfte wegfällt.

"Da müssen wir etwas tun, Tattoos sind ja voll in bei den jungen Leuten, machen wir also eine voll coole Aktion mit allen, die das wollen." Schreiben wir gleich mal etwas:

Aviso: Gib dir ein Zeichen. Katholische Tattoo-Aktion im Quo vadis?

Christopher Paul Campbell, Leiter im Quo vadis?, sagt über die Tattoo-Aktion: "Es geht darum, die Zeichen ernst zu nehmen, die Menschen sich selbst geben. Die Geschichten hinter den Tätowierungen wahrzunehmen, den Glauben in allen Dingen zu finden. Wir wollen eine katholische Perspektive auf die Tätowierung mitgestalten, die nicht auf Verbot und Ablehnung, sondern auf Freundlichkeit und Augenhöhe basiert. Daher sehen wir die Tätowierung im Zusammenhang mit der tiefen Spiritualität der christlichen Religion." (APA-OTS)

Und so ist es dann geschehen, die Presse reißt sich mittlerweile darum:

Kreuzstich am Stephansplatz: Kostenlose Kirchen-Tattoos

Im Rahmen des Free Tattoo Walk-in können Gäste aus christlichen Motiven auswählen und sich diese direkt vor Ort von dem renommierten Tattoo-Artist Silas Becks aus Stuttgart stechen lassen. Voraussetzung ist die Volljährigkeit, Interessenten müssen einen Ausweis mit dabei haben. (Heute)

Ein Kreuz am Körper: Kostenlose katholische Tattoo-Aktion in Wien

Jesus am Unterarm oder ein Kreuz am Bein – klassische Tattoo-Motive sehen wahrlich anders aus. Und dennoch spielen Tattoos auch im Glauben eine große Rolle, sagt Christopher Paul Campebell, Leiter von "Quo vadis?", der Österreichischen Ordensgemeinschaft. (Kurier)

Kostenlose Peckerln: Katholische Tattoos in Wien

Neben der Jerusalemer Pilgertätowierung und ihrer jahrhundertealten Tradition spielt die Tätowierung in vielen Teilen des Christentums eine Rolle – etwa bei den Kopten in Ägypten und den eritreischen Christinnen und Christen. In Pilgerstätten in Jerusalem, in Loretto und Santiago de Compostela finden sich immer wieder Franziskaner oder Kapuziner in Verbindung mit der Tätowierung. (ORF)

Unser tägliches Tattoo gib uns heute

Fisch am Arm? Kreuz aufm Wadl? Katholische Körperkunst gibt es in Österreich jetzt kostenlos. Aber nur an "christlichen Körperteilen". (Süddeutsche Zeitung)

Tattoo-Aktion am 15.4.: Hier gibt's kostenlose katholische Peckerl

Tätowierer Silas Becks sei selbst überzeugter Katholik, der schon seit Jahren christliche Tattoo-Aktionen durchführt. Er hoffe, so den Menschen zu helfen, "ihr persönliches Zeugnis und die öffentliche Bekundung ihres Glaubens zu fördern", heißt es. (k-digital)

Katholische Kirche verschenkt kostenlose Tattoos

– aber nur fünf Motive

Auch wenn Papst Hadrian I. die Tattookunst im achten Jahrhundert untersagte, so habe das Tattoo im Christentum eine jahrhundertealte Tradition. Campbell hat selbst bereits ein Buch darüber geschrieben. Nun gehe es darum, christliche Konzepte fürs Tätowieren zu erarbeiten. "Etwa wie Zeichen in der Trauerseelsorge eingesetzt werden können", sagt Campbell. (Nordbayern)

Tätowierer sticht in Wien kostenlos katholische Tattoos – auf "christliche Körperteile"

Tätowiert würden jedoch nur "christliche Körperteile": "Wir machen keine Tattoos am Hintern", so der Ordens-Leiter augenzwinkernd. Die Organisatoren rechnen damit, um die 40 Personen bedienen zu können. (Sonntagsblatt)

WTF? Nur christliche Körperteile? Da kontert die Süddeutsche gleich einmal:

Wie bitte, ein Hintern ist nicht christlich? Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild erschuf, hat der Allmächtige dann etwa keinen Allerwertesten? Und sollten all die Klatschmagazine irren, die stets von Jennifer Lopez divine booty, ihrem göttlichen Hintern, schreiben? Vielleicht soll mit der Regel aber auch nur verhindert werden, dass ein ästhetisch fragwürdiges Franziskanerkreuz im Leistenbereich zu ungewollter Empfängnisverhütung führt. Das kann nun wirklich nicht im Sinne der katholischen Kirche sein.

Und sicherlich noch mehr, aber ich will ja nicht langweilen. Ein Zeichen setzen, so heißt die Kampagne – so ein Bullshit. Und der Ramsch-Charakter der Aktion wird von der Struktur "ist gratis, aber nur das, was wir anbieten" noch unterstrichen.

Liebe Katholiken, was sagt eigentlich Euer Buch dazu, jenes, welches aus dem Vorwort (Altes Testament) und dem Nachwort (Neues Testament) besteht, und wo sich jeder dazwischen seine Wahrheit sucht?

Was sagt also der Rabbi, der, der sich mit dem Vorwort gut auskennt?

"Tatsächlich ist die Tätowierung sogar ausdrücklich in der Tora und nicht nur durch die Weisen verboten worden. Es heißt nämlich 'und eingeätzte Schrift sollt ihr an euch nicht machen' (3. Moses 19, 28)". Daher ist das Tätowieren eine Sünde.

Shit. Und der Bischof von Rom, traditionell für das Nachwort zuständig?

"787 n. Chr. wurden Tätowierungen durch Papst Hadrian I. in dem Konzil von Calcuth in Northumberland als heidnische Bräuche aus dem Kulturkreis des Christentums verbannt." Daher ist das Tätowieren eine Sünde.

Doppelshit, und nun? Weitermachen, was schert Euch Eure eigene Lehrmeinung, nicht wahr?

(Wer tiefer in die Materie einsteigen will, dem sei übrigens ein Artikel zum Thema von Dr. Harald Strauß empfohlen, der die Professur für Kommunikation und Medien an der Hochschule für Kommunikation und Gestaltung in Stuttgart innehat.)

Besonders kurios: Bereits am Vortag findet ein sogenannter Tattoo-Gottesdienst als Heilige Messe für "bunte Menschen" (people with colour?) statt, ebenso ist eine Podiumsdiskussion mit Ordensleuten, Tätowierern und Kritikern zum Thema "Die Kontroverse vom Glauben, der unter die Haut geht", geplant. Dabei werden auch die Tätowierer und eingesetzten Tattoo-Maschinen gesegnet. Maschinen, die segnen, die kenne ich ja schon lange, aber Maschinen, die gesegnet werden, die gehen mir immer gegen den Strich.

Etwa vierzig Leute sollen dann am Termin tätowiert werden. Bei einer vergleichbaren Aktion in Stuttgart sei das Interesse jedoch so groß gewesen, dass 200 bis 300 Leute abgewiesen werden mussten, ich konnte leider noch nicht klären, ob die nun als Märtyrer verehrt werden. Praktisch werden also an dem Tag im April von 10 Uhr morgens bis 18 Uhr fünf katholische Motive zur Auswahl stehen, darunter das christliche Fisch-Symbol oder ein Franziskaner-Kreuz, so Campbell gegenüber dem Kurier.

Andere christliche Symbole sind ja auch sehr heikel, gell?

Regenbogen? Nach der Sintflut erschuf Gott laut Vorwort den Regenbogen als Zeichen des Bundes zwischen Gott und den Menschen, 1. Mose 8,22. Nicht auszudenken, der müsste ja sofort wegen der grassierenden LGBTIQ+-Phobie mit Weihwasser abgewischt werden, wenn es denn so leicht ginge. Fisch oder Lamm? Ach nein, zu unvegan. Brot und Wein? Geht nicht, wegen der Glutenunverträglichkeit, und Alkoholiker wollen wir ja auch nicht.

Sehr bestechend, die Auswahl.

Erstveröffentlichung des Textes auf der Webseite des Humanistischen Verbands Österreich (HVÖ). Übernahme mit freundlicher Genehmigung.

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