Die ARD-Serie "Die Zweiflers" ist vielfach preisgekrönt. In Bezug auf Kinderrechte sendet sie jedoch eine zweifelhafte Botschaft und ist Anlass für einen Appell an die Filmschaffenden.
Die ARD-Produktion "Die Zweiflers" hat bereits in mehreren Kategorien des Deutschen Fernsehpreises und des Cannes International Series Festivals sowie den Special Jury Prize des Venice TV Award 2024 gewonnen. Morgen wird die Miniserie über die privaten und geschäftlichen Geschicke einer jüdischen Familie in Frankfurt nun auch mit dem Hessischen Film- und Kinopreis ausgezeichnet.
Durch die sechs Folgen von "Die Zweiflers" zieht sich wie ein roter Faden die Frage, ob der neu in die jüdische Familie hineingeborene Sohn beschnitten werden soll oder nicht. In der letzten Folge wird die Vorhaut des Jungen schließlich abgeschnitten.
intaktiv e. V. – eine Stimme für genitale Selbstbestimmung setzt sich für das Recht aller Menschen ein, selbst darüber zu entscheiden, welche nicht unmittelbar medizinisch notwendigen Eingriffe an ihren Genitalien vorgenommen werden. Die Durchführung solcher Eingriffe an nicht einwilligungsfähigen Kindern sieht der gemeinnützige Verein als Verletzung der Kinderrechte an.
Unter den Mitgliedern von intaktiv sind auch Männer aus jüdischen Familien, die sich durch die im Säuglingsalter an ihnen durchgeführte Beschneidung körperlich und in ihrer Selbstbestimmung verletzt fühlen.
"Die Perspektive solcher Männer vermissen wir in der Serie," erklärt Dr. Meike Beier, Vorsitzende von intaktiv. Weiterhin fehle eine ernsthafte Auseinandersetzung damit, was der Eingriff für das Baby bedeute – nämlich extreme Schmerzen, erhebliche OP-Risiken und den lebenslangen Verlust eines wertvollen Körperteils mit vor allem sexuellen Funktionen.
intaktiv appelliert daher an die Filmschaffenden, zukünftig Stoffe zu entwickeln, die Beschneidung und die davon negativ Betroffenen nicht ins Lächerliche ziehen, sondern mit der angebrachten Ernsthaftigkeit darstellen. Eine Chance dafür böte auch die bereits angekündigte zweite Staffel von "Die Zweiflers".
5 Kommentare
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Kommentare
G.B. am Permanenter Link
Was eine der vielen sinnlosen Religion so alles anrichtet und die Männer schon im Kindesalter verstümmelt und unwiederbringlich damit verhindert, Lebenslang ein eingeschränktes Sexualleben zu haben, dies stellt nur ei
Es wird höchste Zeit, die Macht der Kirchen und Religionen zu brechen.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Da haben ja wohl wieder mal religiöse Menschen im Hintergrund die Strippen gezogen. Die Redaktionen sind ja inzwischen offenbar durchsetzt davon. So bleiben Kinderrechte auf der Strecke!
AW am Permanenter Link
Ich kann mich dem Appell von " intaktiv " nur anschließen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dieser Satz aus der Inhaltsangabe der Folge 6 zeigt die filmische Grundposition: "Die Beschneidung seines Sohnes und die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft scheint in unerreichbarer Ferne."
Die Beschneidung/Genitalverstümmelung wird instrumentalisiert und nicht als körperlicher Eingriff wahrgenommen. So gesehen ist die Darstellung (ich habe die Serie nicht gesehen und mutmaße nur) vermutlich einer in jüdischen Familien üblichen Praxis angepasst. In der Tat habe ich dies in Gesprächen oft gehört, dass Genitalverstümmelung eine Art Formalie sei, die man halt erfüllen müsse, wenn der Knabe "dazugehören" soll. Die körperliche Schädigung wird dabei verdrängt.
Daher auch der Aufschrei jüdischer Vertreter 2012, ohne Beschneidung sei kein jüdisches Leben in Deutschland mehr möglich. Das klingt im Land der Shoah natürlich besonders laut. Auch in diesen Debatten wurde die Vermeidung von Schmerz und Verstümmelung für ein jüdisches Kind nicht als Gegenteil der Vernichtung jüdischen Lebens wahrgenommen, sondern als unangemessene Beeinträchtigung jüdischen Lebens.
Das Baby spielt in all diesen Betrachtungen nicht die geringste Rolle. Und überhöht seine Rolle im gleichen Atemzug mit unerträglicher Hybris, da es durch die Verstümmelung ein Geschenk "Gottes" erhielte. Und wie das in Ideologien immer geschieht, immunisiert man sich durch Legenden, wie gesund, hygienisch und vorteilhaft beim Sex die Entfernung der überflüssigen Vorhaut sei.
Dabei hat der große jüdische Gelehrte Moses Maimonides im 12. Jh. Gründe und Wirkung der Genitalverstümmelung genau beschrieben: Sex soll dem Mann weniger Lust bereiten, sodass er es nicht so oft treibe. Und genau das sind medizinische Folgen der Entfernung vieler Nervenenden, die mit der Vorhaut verloren gehen.
Ich bin mir nicht sicher, ob das Serienformat den geeigneten Rahmen bilden kann, auf derartig indoktrinierte Verhaltensweisen detailliert einzugehen. Schlimmer war es sicher in dem KIKA-Film "Tahsins Beschneidungsfest", der Beschneidung als etwas ganz Tolles für Kinder (!) feiert.
Auf jeden wäre angesagt, dass man diese Problematik des falschen Blickwinkels auf die Vorhautamputation in einem eigenen Feature thematisiert, wo also die Ursache der internen Verharmlosung eines grausamen Rituals liegt. Dabei müsste man tief in die Religionsgeschichte eindringen und in einen bis heute wirkenden Mechanismus, der dem natürlichen Beschützerinstinkt einem Baby gegenüber ein scheinbar wichtigeres Interesse, nämlich einem "Gott" zu gefallen, überlagert.
Damit hätte man einen bis heute aktiven Fall unmittelbarer Schädlichkeit von Religion auf völlig religionsferne Kinder. Wenn es einzelnen Gemeinden - vor allem jüdischen und islamischen - daran gelegen ist, ihre Religionen im Einklang mit Menschenrechten zu praktizieren, dann sollte die tradierte Ideologie vom Kopf auf die Füße gestellt werden: Der Mensch zuerst und erst dann ein "Gott"! Mit einem Schlag wären alle mitmenschenschädliche Verhaltensweisen vom Tisch, bzw. würden nicht mehr in den Gotteshäusern gelehrt. Im Gegenteil. Man müsste aktiv auf die Gemeinde einwirken, dass sie ihren Glauben bitte nur mit sich und ihrem "Gott" ausmacht - und Dritte davon unberührt lässt...
Tim Mangold am Permanenter Link
Es ist ein barbarischer Brauch sich ohne medizinische Notwendigkeit an den Vorhäuten kleiner Jungs zu vergreifen.