Katholischer Krankenhausträger setzt sich vor Gericht gegen Chefarzt Joachim Volz durch

Abtreibungen in Lippstädter Klinik verboten

Ein Protestzug von etwa 2.000 Menschen zog am Freitagvormittag durch die Lippstädter Innenstadt bis vor das Gerichtsgebäude. Doch die Solidaritätsbekundungen für den Gynäkologen Prof. Joachim Volz konnten das in Lippstadt tagende Arbeitsgericht Hamm nicht umstimmen. Der Chefarzt der Lippstädter Klinik verlor den Rechtsstreit gegen seinen katholischen Arbeitgeber, der ihm Abtreibungen verbietet. Doch Volz will mit Unterstützung des Instituts für Weltanschauungsrecht weiter kämpfen.

Im Zuge der Krankenhausreform hatten in Lippstadt das evangelische Krankenhaus und das katholische Dreifaltigkeitskrankenhaus fusioniert. (Der hpd berichtete.)

Prof. Joachim Volz ist seit 2012 Leiter der Frauenklinik in diesem Krankenhaus. Außerdem betreibt das CDU-Mitglied im 50 Kilometer entfernten Bielefeld eine gynäkologische Praxis. Nach der Krankenhausfusion wurde Volz von der Klinikleitung angewiesen, ab Februar 2025 keine medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbrüche mehr durchzuführen – weder im Lippstädter Krankenhaus noch in seiner Bielefelder Privatpraxis. Einzige Ausnahme, wonach auch nach der Direktive des Krankenhauses ein Schwangerschaftsabbruch zulässig sein soll: Fälle akuter Lebensgefahr für die Mutter, soweit es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, mit der das Leben des ungeborenen Kindes gerettet werden kann.

Demonstrationsteilnehmer:innen
Demonstrationsteilnehmer:innen hatten kreative Schilder dabei, die die Haltung der katholischen Kirche kritisierten. Foto: © Evelin Frerk

Volz klagte vor dem Arbeitsgericht Hamm gegen die arbeitsrechtliche Dienstanweisung. Das Krankenhaus argumentiert, Schwangerschaftsabbrüche richteten sich gegen das ungeborene Leben und stünden daher im Widerstreit zu dem Selbstverständnis und den Grundwerten der römisch-katholischen Kirche, welche für die Klinik bindend und nicht verhandelbar seien.

Mehr als 233.000 Menschen zeigten Solidarität mit Volz

Die dagegen stehende Argumentation von Prof. Volz wird deutlich in einer von ihm gestarteten Online-Petition.

Dort schreibt er:

"Ich begleite Menschen in ihren verletzlichsten Momenten – bei unerfülltem Kinderwunsch oder wenn eine Schwangerschaft nicht mehr tragbar ist. Dazu braucht es medizinische Kompetenz, ethisches Feingefühl und vor allem großes Vertrauen. Dieses wird zerstört, wenn eine übergeordnete Institution in diese Entscheidungen eingreift – genau das ist geschehen … . Aus Sicht des katholischen Trägers ist jede Beendigung einer Schwangerschaft Mord, somit wären mein Team und ich 'Mörder'.

Ich soll meine Patientinnen im Stich lassen und sie kilometerweit wegschicken, obwohl ich helfen könnte. Selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus, bei Schwangerschaften nach Vergewaltigungen oder mit immensen gesundheitlichen Risiken. Das ist in meinen Augen schlicht unterlassene Hilfeleistung, es ist falsch und widerspricht unseren Gesetzen."

In der mittlerweile von mehr als 233.000 Menschen befürworteten Online-Petition fordert Volz: "Schluss mit religiösen Vorschriften in öffentlichen Krankenhäusern. Kirchliche Dogmen haben dort nichts zu suchen. Medizin braucht Herz und Verstand, keine Moralpredigt."

Mobile Demobühne vor dem Krankenhaus
Auf der mobile Bühne (hier vor dem Krankenhaus) wurde per Schild die Zahl der Petitionsunterstützer gezeigt. Foto: © Evelin Frerk

In einem Interview mit dem Sender ntv zeigte Volz die möglichen drastischen Konsequenzen der kirchlichen Verweigerungshaltung auf: "Die Kirche betrachtet den Lebensschutz als absolut. Da heißt es pauschal: Auch wenn das Kind keinen Schädel hat, kein Gehirn entwickelt wurde oder das Herz außerhalb des Körpers schlägt, muss die Frau die Schwangerschaft fortsetzen."

Der Gynäkologe beschreibt die Fälle des medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruchs (den ihm seine Klinik verbietet) so:

"In den meisten Fällen handelt es sich um schwerste Fehlbildungen, die mit dem Leben nicht vereinbar sind – wie Trisomie 13 oder 18. Es gibt aber auch Grenzfälle, etwa bei Trisomie 21, dem Down-Syndrom. Hier gibt es sowohl gesunde, glückliche Kinder als auch sehr kranke. Es ist Aufgabe eines Zentrums wie dem unseren, das zur höchsten Versorgungsstufe in der Region gehört, diese Diagnosen zu stellen und die Frauen umfassend zu beraten, über den Grad der Beeinträchtigung bis hin zur Lebensunfähigkeit. Die meisten dieser Kinder sind nicht oder nur sehr eingeschränkt lebensfähig und benötigen intensivmedizinische Betreuung. Die katholische Kirche verlangt dennoch, dass Frauen diese Schwangerschaften austragen. Viele dieser Kinder sterben noch im Mutterleib, nur ganz wenige überleben wenige Tage nach der Geburt."

Rückenwind bekam Volz auch von der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Deren Präsident Hans-Albert Gehle, warnt:

"Wir dürfen Frauen in einer solchen Ausnahmesituation nicht alleine lassen. Diese Frauen und ihre Familien stehen ohnehin schon unter enormem Druck und emotionaler Belastung. Es ist unethisch und nicht akzeptabel, erst dann zu handeln, wenn das Leben der Mutter akut gefährdet ist."

"Wir sind stolz – auf Professor Volz" skandierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Freitag auf der Protestdemo vor dem Gerichtsgebäude. Auf Transparenten war zu lesen: "Himmel Hölle Heuchelei! Kirche, lass die Frauen frei." Oder: "Jesus war kein Gynäkologe."

Joachim Volz (Mitte) mit seinen Rechtsvertretern Jessica Hamed, stellvertretende Direktorin des Instituts für Weltanschauungsrecht, und ifW-Beirat, Rechtsanwalt, Till Müller- Heidelberg. Foto: © Peter Kurz
Joachim Volz (Mitte) mit seinen Rechtsvertretern Jessica Hamed, stellvertretende Direktorin des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), und ifw-Beirat Till Müller-Heidelberg.
Foto: © Evelin Frerk

Im Gerichtssaal argumentierte Volz' Anwalt Till Müller-Heidelberg, der auch Beirat des Instituts für Weltanschauungsrecht ist, dass es um medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche gemäß Paragraf 218a Absatz 2 und Absatz 3 Strafgesetzbuch geht. Aufgrund des Dienstvertrages – seinerzeit geschlossen mit der "Evangelischen Krankenhaus Lippstadt gemeinnützige GmbH", wobei der Kläger bewusst einen evangelischen Arbeitgeber und keinen katholischen ausgewählt hatte, um Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu können – wurde dem Kläger die "fachliche Verantwortung für die Frauenklinik" übertragen und damit für alle medizinischen Fragen, auch die nach einer medizinischen Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Diesbezüglich könnten dem Kläger keine Weisungen erteilt werden.

Arbeitsgericht: Dienstanweisungen an den Professor sind rechtmäßig

Die Rechtsvertreter der Klinik hingegen argumentierten, über die Leistungsangebote der Klinik entscheide allein die Beklagte als Trägerin des Krankenhauses im Wege einer originären elementaren unternehmerischen Entscheidung, die auch nicht überprüft werden könne. In ihrer Entscheidung liege kein unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit des Klägers, der im Übrigen als Chefarzt die Klinik nach außen repräsentiere. Von ihm vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche seien nicht mit der Grundhaltung der Klinik vereinbar. Die Pflichten des Arbeitnehmers ergäben sich aus dem Arbeitsvertrag, und da gelte nun mal: Der Arbeitgeber sagt, welche Arbeit zu tun ist.

Klinikpersonal auf der Demonstration
Auch Klinikangestellte beteiligten sich an der Demonstration in Lippstadt.
Foto: © Evelin Frerk

Das Arbeitsgericht gab am Freitag der Klinik Recht. Beide Dienstanweisungen, keine Abtreibungen mehr vorzunehmen, seien rechtmäßig. Also auch die, die sich auf die 50 Kilometer entfernte Privatpraxis bezieht. Mehr wollte der Vorsitzende Richter nicht sagen. Weitere Ausführungen werde es demnächst in den schriftlichen Urteilsgründen geben.

Warum sich Volz nicht geschlagen gibt

Der in dem Rechtsstreit vom Institut für Weltanschauungsrecht unterstützte Joachim Volz kündigte an, Rechtsmittel einzulegen. Er setzt darauf, dass höhere gerichtliche Instanzen, gegebenenfalls auch das Bundesverfassungsgericht, ihm am Ende Recht geben.

Unterstützt wird Volz dabei weiterhin vom ifw, dessen stellvertretende Direktorin Jessica Hamed gegenüber dem hpd den (vorläufigen) Ausgang des Falles so kommentierte:

"Wir halten die Entscheidung rechtlich für falsch und werden Herrn Volz auch in der Berufung begleiten. Würde das Urteil rechtskräftig, so würde das bedeuten, dass Krankenhäuser – selbst wenn sie wie in diesem Fall eine Frauenklinik haben – frei entscheiden können, ob sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten oder nicht. Die Folge wäre: Krankenhäuser unter katholischer Trägerschaft würden ihrem Versorgungsauftrag, der ihnen vom Staat übertragen wird, in einem Fall wie dem von Herrn Volz nicht mehr gerecht."

Bundesweit, so Hamed, gebe es bereits mehr als 260 Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft. Der Staat sei verpflichtet, Schwangerschaftsabbrüche im geltenden gesetzlichen Rahmen zu ermöglichen. Er müsse sicherstellen, dass Krankenhäuser, die eine gynäkologische Abteilung haben, auch Schwangerschaftsabbrüche anbieten. Jessica Hamed denkt den Gedanken zu Ende: "In letzter Konsequenz wäre dann die Trägerschaft eines Krankenhauses, das einen staatlichen Versorgungsauftrag erfüllen soll, durch die katholische Kirche nicht mehr möglich."„

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