Erneute Diskriminierung von Konfessionsfreien

Rabbiner in der Bundeswehr

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Dr. Ralf Schöppner
Dr. Ralf Schöppner

Ende letzten Jahres meldete die Tagesschau, dass ein Staatsvertrag geschlossen wurde, der Militärrabbiner in der Bundeswehr ermöglichen wird. Dabei sollen 10 Rabbiner für 300 Soldatinnen und Soldaten jüdischen Glaubens zuständig sein. Der hpd sprach mit dem Bundesbeauftragten für "Humanismus und Bundeswehr" im Humanistischen Verband Deutschlands (HVD), Ralf Schöppner.

hpd: Was halten Sie von dem jüngst zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat der Juden geschlossenen Staatsvertrag über die Einführung von Rabbinern in der Bundeswehr?

Ralf Schöppner: Es gibt eine ganze Reihe von Berufsgruppen, in denen es Seelsorgebedarfe gibt: Ärzte, Kranken- und Altenpflegende, Polizist*innen, Soldat*innen und viele andere. Es gibt auch Institutionen wie Krankenhäuser oder Gefängnisse, deren Patient*innen beziehungsweise Insassen Seelsorgebedarfe artikulieren.

Überall, wo es solche Bedarfe gibt, sollte es ein pluralistisches Angebot geben, das heißt für Angehörige der verschiedenen Religionen wie für Religionsfreie, zum Beispiel Humanist*nnen. Form und Finanzierung können je nach Bereich unterschiedlich sein, dort dann jedoch für alle Anbieter gleich.

Wenn es in einem Bereich bereits Staatsverträge gibt und diese beibehalten werden sollen, dann müssen auch die neuen Anbieter Staatsverträge bekommen.

Weshalb gibt es dann noch keinen mit dem HVD? Als Körperschaft des öffentlichen Rechts hätte er doch jetzt die gleichen Möglichkeiten wie die Religionsgemeinschaften.

Der HVD Bundesverband, der in Bezug auf Soldat*innen der Bundeswehr der richtige Partner wäre, ist keine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dass einzelne Landesverbände hier Erfolg haben können, möchte ich bezweifeln.

In acht der 16 Bundesländer stellen bereits Ende 2019 Konfessionsfreie die Mehrheit – es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend deutschlandweit fortsetzen wird. Wenn man zudem davon ausgehen kann, dass der Anteil der Konfessionsfreien in der Bundeswehr noch höher ist: Wie lässt sich dann noch eine religiöse Seelsorge begründen?

Christliche Seelsorge wäre grundrechtlich auch noch für eine kleine christliche Minderheit begründbar. Nicht begründbar hingegen ist die Diskriminierung der Angehörigen einer religiösen oder weltanschaulichen Gruppe gegenüber einer anderen, so wie es jetzt der Fall ist.

Vielleicht ist eine Bemerkung zu den Konfessionsfreien erlaubt: Wir haben dort rechte und linke Atheisten, AfD-Wähler, bekennende Nazis, Gleichgültige, Humanist*innen, Religiöse und Esoteriker. Wir sollten uns nicht derart pauschal auf diese Gruppe beziehen.

Wäre Ihrer Meinung nach ein allgemeiner psychologischer Dienst oder Ähnliches nicht besser dafür geeignet, die psychischen Belastungen der Soldaten abzufedern?

Ich denke nein. Von Soldat*innen höre ich dazu immer wieder: Wer dort hingeht, werde nicht mehr richtig ernstgenommen und sei abgestempelt. Außerdem umfasst Seelsorge weitaus mehr als nur sogenannte "psychische Probleme". Sinn- und Moralfragen, Sorgen, Nöte oder Ängste sind nicht immer gleich ein "psychologisches Problem", es sind oft sogar weltanschauliche Orientierungsbedarfe.

Halten Sie die Begründung der Bundesregierung, mit der Berufung von Militärrabbinern etwas gegen den Antisemitismus in der Truppe zu unternehmen, für schlüssig?

Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Mond sicher, schrieb Hannah Arendt irgendwann Anfang der 1940er Jahre. Ich fürchte sehr, da ist auch heute noch was dran. Militärrabbiner jedenfalls dürfte man damit überfordern.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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