Ein Gesetz unter Freunden

Populistische Attitüden

Dafür birgt die geplante Novelle anderen Sprengstoff. Außenminister Kurz lanciert reichlich populistisch klingende Ideen, mit denen er das Kunststück zustande gebracht hat, auch IGGiÖ-Vorsitzenden Fuat Sanaç gegen sich aufzubringen.

Aus nicht näher bekannten Gründen besteht der Jungminister darauf, im Islamgesetz festzuhalten, dass staatliches Recht auf jeden Fall Vorrang vor religiösen Regeln hat. Das steht so in keinem anderen der zahlreichen Religionsgesetze der Republik.

Dass religiöse Vorstellungen staatliches Recht nicht aufheben, ist im bis heute gültigen “Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger” aus dem Jahr 1867 eindeutig geregelt – und gilt ohnehin für alle: “Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.” (Rechtschreibung im Original, Anm.) So der Artikel 15 des entsprechenden Gesetzes.

Eine eigene Regelung im Islamgesetz sei “überflüssig und diskrimierend”, sagt Sanaç “Wir können also nicht akzeptieren, dass mit einem solchen Zusatz Misstrauen gegen die Verfassungstreue der Muslime geschürt würde und damit populistischen Islamfeinden Nahrung gegeben würde”.

Mit der Einschätzung ist Sanaç ausnahmsweise einer Meinung mit Menschen sind, die sonst eher selten mit ihm übereinstimmen werden. Etwa der grüne Bundesrat Dönmez: “Für die überwiegende Mehrheit der Muslime stellt sich gar nicht die Frage, ob das österreichische Recht im Widerspruch zum Islam stehe. Jene die dies anders sehen, sind - wenn überhaupt - in den eigenen Reihen der IGGÖ zu finden bzw. gehören keiner offiziellen anerkannten Gruppierung an, wie Wanderprediger und salafistische Bewegungen.” Nicht nur Dönmez wirft Kurz hier plumpen Populismus vor.

Knackpunkt theologische Fakultät

Unklar bleibt auch ein zentraler Punkt des geplanten neuen Gesetzes. Nach langjährigen Forderungen soll offenbar der IGGiÖ eine islamisch-theologische Fakultät an einer österreichischen Universität zum Geschenk gemacht werden. Zur Imame-Ausbildung, wie es heißt.

Ungeachtet der Tatsache, dass es die IGGiÖ bislang selbst in der Hand gehabt hätte, eine Imame-Ausbildung in Österreich zu organisieren.

Dass sunnitische Kleriker bald eine Ausbildung an einer österreichischen Uni haben müssen, wird weitgehend begrüßt. Etwa von Efgani Dönmez. “Dass ein neues Islamgesetz Verbesserungen vorsieht, wie zum Beispiel die Ausbildung von Imamen in Österreich ist absolut begrüßenswert. Auf diese Notwendigkeit haben Herr Mouhanad Khorchide und ich bereits im Jahre 2008 hingewiesen, schön, wenn dieser Vorschlag, wenn auch mit Verspätung aufgegriffen wird.”

Ähnlich sieht es der Religionspädadoge Ednan Aslan in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung: “Ich wünsche mir auch, dass das geplante Islamgesetz Qualitätsstandards für Moscheen und Imame festlegt, einen Universitätsabschluss zum Beispiel oder Sprachkenntnisse. Nicht jeder, der irgendwo in Pakistan, in Afghanistan oder in der Türkei den Koran auswendig gelernt hat, soll hier als Imam arbeiten können.” Womit er auch die bisherigen innerreligiösen Missstände scharf kritisiert.

Zweiter Fall Khorchide programmiert?

Unklar bleibt freilich, welche Durchgriffsrechte die IGGiÖ auf eine derartige Fakultät haben kann. In Deutschland hat eine ähnlich diffuse Lage zu massiven Spannungen um den renommierten Theologen Khorchide geführt .

Und unklar bleibt, inwiefern Aleviten und Shiiten von einer derartigen Forderung betroffen sind – und ob sie gegebenenfalls Mitspracherechte bei der geplanten Fakultät haben werden, wenn die IGGiÖ solche eingeräumt erhält.

Laizisten fordern einheitliches Religionsgesetz

Vernichtende inhaltliche Kritik kommt von der Initiative gegen Kirchenprivilegien. Dass Shiiten und Aleviten ohnehin nicht von der Reform erfasst werden könnten, werfe die Frage auf, “inwiefern eine Gesetzesreform im derzeitigen rechtlichen Rahmen überhaupt sinnvoll ist”, sagt Sepp Rothwangl.

Initiativen-Mitglied und Nationalratsabgeordneter Niko Alm (NEOS) zeigt sich enttäuscht, dass es die Bundesregierung bei Flickwerk belasse, das noch dazu offenbar inhaltlich ungeeignet sei. Er fordert, dass es statt der zahlreichen Sonder- und Parallelgesetze für Religionen ein einheitliches Gesetz geben soll. “Der zuständige Minister Josef Ostermayer sollte die Initiative ergreifen und einen großen Schritt in Richtung Gleichstellung verschiedener Religionen und metaphysischen Weltanschauungen unternehmen und bei dieser Gelegenheit auch den längst überfälligen Abbau der Kirchen- und Religionsprivilegien im restlichen Gesetzesbestand beginnen.”

Womit auch der fachlich ohnehin nicht zuständige Außenminister Kurz ausgebremst wäre, der in dieser Causa alles andere als eine glückliche Figur gemacht hat. Die Umsetzungschancen von Alms Forderung tendieren freilich gegen Null.