Corona-Impfung: Fake News via Pfarrbrief

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Jeder Mensch hat das Recht auf einen eigenen Glauben. Anders sieht es jedoch aus, wenn es um die "eigenen Fakten" geht. Und wenn lupenreine Impfgegner-Propaganda vom Pfarramt verbreitet wird, platzt sogar einigen Kirchenoberen der Kragen. So geschehen in der Tausend-Seelen-Gemeinde Preitenegg (Kärnten), wo die Gläubigen via Pfarrbrief mit Falschbehauptungen gegen die Corona-Impfung bombardiert wurden.

Anstelle der gewohnten Termine und Infos aus ihrer Gemeinde St. Nikolaus fanden sie mit der August-Ausgabe pure Horrormythen im Briefkasten vor, und das über drei Seiten des vierseitigen Blättchens. Verschiedenen Medienberichten zufolge ging es darin um "12.000 Impfgetötete" und "800.000 Impfgeschädigte" in nur sechs Monaten, um angebliche Missbildungen und Unfruchtbarkeit durch die Corona-Impfung. Und ein rhetorischer Trick brachte sogar den "Genozid" durch "Fehlgeburten und Unfruchtbarmachung" ins Spiel. Das Pamphlet gipfelte schließlich in einem perfiden Spiel mit der Angst von Eltern: "Man wird Euch vielleicht sogar das Erziehungsrecht über Eure Kinder entziehen, wenn ihr Euch weigert. Väter! Mütter! Tut Euch zusammen und tretet der impfwütigen Verbrecherbande und ihren Kollaborateuren geschlossen entgegen!"

Indem sich der Text bei den Zahlenangaben auf die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) beruft, greift er auf eine alte, längst richtiggestellte Falschmeldung zurück, die im Frühjahr durch die Sozialen Medien geisterte. Denn die Datenbank der EMA gibt solche überbordenden Schlussfolgerungen überhaupt nicht her. Sie umfasst lediglich Verdachtsfälle, die kurz nach der Covid-Impfung von Patienten oder Pflegepersonal gemeldet wurden. Das lässt jedoch keineswegs den Schluss zu, die geschilderten Beschwerden seien durch die Impfung verursacht worden. Ausführliche Informationen hierzu hat die Journalistin Sarah Thust für Correctiv zusammengestellt.

Wie die Aluhut-Tirade nun in einen Pfarrbrief kam? Das weiß nur der Verantwortliche Eugeniusz Subocz (65), der die Pfarre als Provisor, also vertretungsweise, leitet. Den Beitrag habe er abgeschrieben – aus einer Zeitschrift namens Neues Groschenblatt, wo Subocz sich bereits für frühere Pfarrbrief-Ausgaben bedient habe, weil er die dort vertretenen Ansichten teile. Offenbar gilt dies nicht nur für den "unversehrten katholischen Glauben und [die] katholische […] Sittenlehre", denen sich das Groschenblatt laut Selbstdarstellung verpflichtet fühlt.

Subocz persönlich habe kein Vertrauen in die Impfung, wie er erklärt. Wohl deshalb folgte er dem Groschenblatt so vertrauensselig beim Ausflug aus der reaktionär-katholische Ecke in die Welt der Fake News. Als Bestätigung genügte ihm offenbar der Verweis auf den angeblichen Vortrag eines "Dr. med. Johann Wilde". Dass dort falsche Sachverhalte verbreitet werden, übersah der Pfarrer geflissentlich. "Die Leute sollen wissen, dass es viele Meinungen gibt", rechtfertigt er den Abdruck.

Immerhin gibt sich der Vertretungspfarrer im Interview mit dem TV-Sender OE24 fast etwas zerknirscht. Gefragt, ob er seinen Fehler einsehe, bekundet er Reue und verspricht, zur Buße "mindestens zehn Vaterunser" zu beten, obendrauf noch zehn "Gegrüßet seist Du, Maria".

Sein Vorgesetzter, Generalvikar Johann Sedlmaier von der Diözese Gurk-Klagenfurt, ließ die Affäre indes nicht mit ein paar Gebeten bewenden. Er distanzierte sich flugs "mit Entschiedenheit" von den Behauptungen im Pfarrbrief. Außerdem muss Subocz nun jede einzelne Veröffentlichung mit dem Generalvikariat abstimmen, ob es nun die Homepage betrifft oder den nächsten Pfarrbrief.

Noch vorher haben die Preitnegger Post von ihrem Bürgermeister Thomas Seelaus zu erwarten. Er hat angekündigt, in einem eigenen Schreiben die Fake News aus dem Pfarrbrief richtigzustellen. Eugeniusz Subocz dagegen wird der Gemeinde bald den Rücken kehren. Wie seit längerem geplant, geht er zum 1. November in Pension. Ob sich der Unterschied zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung bis dahin zu ihm herumgesprochen hat?

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