Urteil des BVerfG zum Feiertagsgesetz von 2016 nun auch in baden-württembergischer Hauptstadt akzeptiert

Stuttgart lenkt in letzter Minute ein

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Stuttgart, Kirche am Schillerplatz
Stuttgart

Seit 2018 beantragt die Regionalgruppe Stuttgart der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs Stuttgart) Ausnahmegenehmigungen vom Feiertagsgesetz für Karfreitagsveranstaltungen. Zweimal hat das Verwaltungsgericht zu ihren Gunsten entschieden. Die Stadt musste akzeptieren, dass nicht-christliche Veranstaltungen genehmigt werden müssen und dass Filme gezeigt werden dürfen – auch wenn sie keine Feiertagsfreigabe haben.

In diesem Jahr wollte die Stadt wieder ein Ausschankverbot als Bedingung auferlegen – ein Streitpunkt seit 2018. Der Anwalt der gbs-Regionalgruppe hat Stuttgart die rechtliche Situation detailliert dargelegt, wie sie auch vor Gericht vorgetragen worden wäre. Dazu hat er auch weitere strittige Punkte, wie die Befragung der Kirchen und die Gebühren für die Genehmigung einbezogen – beides ist für eine genehmigungsfähige, privilegierte weltanschauliche Veranstaltung abzulehnen. Die Stadt hat nun, zwei Monate nach Antragstellung, die Ausnahmegenehmigung wie gewünscht ohne Schankverbot und ohne Gebühren erteilt.

Die Zeitenwende ist im Ordnungsamt der Stadt Stuttgart angekommen. Seit 2018 musste sich die gbs Stuttgart jedes Jahr erneut mit dem Ordnungsamt auseinandersetzen, um die Ausnahmegenehmigung für eine Karfreitagsveranstaltung zu erhalten. Die Regionalgruppe wollten in Baden-Württemberg auch die Freiheiten durchsetzen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Jahr 2016 gegen das bayerische Feiertagsgesetz eingeräumt hat. In Bayern führt man seit 2017 in mehreren Städten Karfreitagsveranstaltungen unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual" durch.

Die Stadt Stuttgart versucht seit 2018, diese Freiheiten für Bürger nicht-christlicher Weltanschauungen zu verhindern. Auch in Stuttgart gibt es Bürger, die statt zu trauern lieber feiern, tanzen und Filme wie "Das Leben des Brian" oder "Heidi" sehen möchten. Dafür mussten mehrere Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart angestrengt werden, die zu Gunsten der gbs Stuttgart entschieden wurden. In diesem Jahr stand ein Gerichtsverfahren wegen des Schankverbots an, das die Stadt immer noch durchsetzen wollte. Warum wollte man die Ausnahmegenehmigung mit einem Alkoholverbot verknüpfen? Im Straßenverkehr gibt es keine Null-Promille-Grenze, Gaststätten haben geöffnet und selbst in der Kirche wird Wein ausgeschenkt.

Die detaillierte rechtliche Argumentation des Anwalts der gbs Stuttgart hat die Stadt wohl doch zu der Einsicht gebracht, dass man nicht-christliche Karfreitagsveranstaltungen nicht länger ausbremsen kann. Die Stadt hat die Methode same procedure as every year aufgegeben. Dabei musste sie auch weitere Zugeständnisse machen, die seit Jahren verlangt wurden. Für die Genehmigung wurde erstmals keine Gebühr berechnet. Dazu schreibt der Anwalt der gbs Stuttgart: "Aus dem Urteil des BVerfG geht klar hervor, dass weltanschaulichen Veranstaltungen im Rahmen von Feiertagen eine privilegierte Sonderstellung gegenüber sonstigen Veranstaltungen zukommt. Aufgrund der dargelegten Rechtslage hofft die Regionalgruppe auf eine baldige Genehmigung ohne die Auflage Nr. 1 (Ausschankverbot) und ohne Anhörung christlich-kirchlicher Stellen sowie ohne Gebührenfestsetzung".

Jetzt freut sich die gbs Stuttgart auf zahlreiche Gäste. Jede*r ist herzlich willkommen, auch Kirchenmitglieder! Man muss ja nicht trauern, wenn der Erlöser den Plan Gottes erfüllt hat und wieder auferstanden ist.

Befreiung nach dem Sonn- und Feiertagsgesetz

Die Ausnahmegenehmigung für den Antrag der gbs Stuttgart vom 24. Januar 2023 wurde am 28. März 2023 erteilt. Damit dürfte die seit 2018 jährlich (Ausnahme 2021 wegen Corona) stattfindende Auseinandersetzung mit dem Ordnungsamt der Stadt Stuttgart ohne ein weiteres Gerichtsverfahren abgeschlossen sein. Die Stadt musste akzeptieren, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2016 auch in Stuttgart gilt und dass dieses Urteil auch für Veranstaltungsorte gilt, die eine Schankerlaubnis haben. Die gbs Stuttgart hat in dieser Zeit mit Hilfe von Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß zwei Verfahren gegen die Stadt vor dem Verwaltungsgericht angestrengt und das Verwaltungsgericht hat gegen die Stadt entschieden.

In der Stuttgarter Zeitung kann man immer wieder lesen, dass das Ordnungsamt der Stadt Stuttgart unterbesetzt und überlastet ist. Nachdem die Angelegenheit fünf Jahre lang immer wieder das Ordnungsamt, die Gerichte, Rechtsbeistände und die Giordano-Bruno-Stiftung beschäftigt hat, könnte man auch nachdenklich werden und sich fragen, ob die Verwaltung Stuttgarts nicht Ressourcen für die missionarische Einhaltung des christlichen Feiertagsgesetzes verschwendet hat.

Die erteilte Ausnahmegenehmigung bringt es leider mit sich, dass kein gerichtlicher oder politischer Druck entsteht, das Feiertagsgesetz zu überarbeiten. Das christlich geprägte Feiertagsgesetz von Baden-Württemberg mit Tanz- und Ausschankverbot ist aus der Zeit gefallen und ist nicht vereinbar mit einem weltanschaulich neutralen Staat.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2016 das strikte Tanz- und Entertainmentverbot am Karfreitag gekippt und zum Teil für verfassungswidrig erklärt. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass ein absolutes und im Vorhinein ausgesprochenes Verbot solcher Veranstaltungen in Einzelfällen gegen die Freiheit der Weltanschauung und gegen die Versammlungsfreiheit verstoßen könne.

Das Land Baden-Württemberg hat zuletzt 2015 das Feiertagsgesetz überarbeitet und das Tanzverbot an Feiertagen gelockert. Es blieben aber immer noch sieben "stille Tage" mit Tanz- und Unterhaltungsverboten. Am entspanntesten gehen Berlin und Bremen mit dem Tanzverbot um (3 Tage), am strengsten ist Hessen (15 Tage) (Quelle: Wikipedia). Das Mittelfeld für Baden-Württemberg ist kein Grund, das Gesetz nicht zu ändern. Das Tanzverbot an "stillen Tagen" wurde in den letzten 20 Jahren in Österreich komplett abgeschafft, ebenso in einigen Kantonen der Schweiz. In anderen europäischen Ländern wie Italien, Polen oder Frankreich gibt es keinerlei Tanzverbote; Karfreitag ist dort nicht einmal ein Feiertag, sondern ein ganz normaler Arbeitstag.

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