Mit der Abwicklung des US-Bildungsministeriums erfüllt Donald Trump ein weiteres Wahlversprechen – eines, über dem ein langer Schatten liegt. Ein Blick auf die Geschichte der öffentlichen Bildung in den Vereinigten Staaten soll helfen, die überragende Tragweite dieser Maßnahme zu erfassen.
Per Exekutivbefehl ordnete Donald Trump kürzlich die Auflösung des Bildungsministeriums an. Die entsprechende Ministerin Linda McMahon bekräftigte zwar während ihrer Bestätigungsanhörung vor dem Senat, dass natürlich nur der Kongress die Macht habe, ein Ministerium vollständig aufzulösen, bekundete aber an anderer Stelle, dass sie "mit voller Überzeugung" hinter Trumps Plan stehe. Und falls Ihnen dieser Nachname bekannt vorkommt: Ja, Donald Trump hat in der Tat und in Ermangelung aller nennenswerten Qualifikationen die Ehefrau des Wrestlingstycoons Bill McMahon zur Bildungsministerin ernannt.
Um keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass wir es hier mit einer vollständigen Abwicklung zu tun haben: Als Trump McMahon nominierte, tat er das mit dem expliziten Versprechen, dass sie mit dem Ziel einer vollständigen Abschaffung der Behörde antrete. Dies bestätigte McMahon Ende April verbatim in einem bizarren Kabinettstreffen: "Nun, Mr. President, ich denke nicht, dass ich jemals so hart gearbeitet habe, um mich selbst zu feuern. Aber wir machen dahingehend auf jeden Fall große Fortschritte. Wir haben die Belegschaft des Bildungsministeriums bereits um 50 Prozent reduziert".
Brown v. Board of Education und die jahrhundertelangen Nachwirkungen des Bürgerkriegs
Es ist unmöglich, die Konsequenzen dieser Entscheidung zu skizzieren, ohne die Geschichte des Bildungssystems der Vereinigten Staaten nachzuzeichnen. Ein dezidiertes Bundesbildungsministerium gibt es nämlich erst seit 1980, also noch nicht einmal 50 Jahre. Zwischen 1953 und 1980 existierte das Ministerium für Gesundheit, Bildung und Sozialhilfe als Bundesbehörde, und davor – nun, davor existierte nichts.
1866 versuchte der Kongress im Nachgang des Bürgerkriegs erstmals, ein Bildungsministerium zu etablieren, doch die Behörde wurde binnen eines Jahres wieder abgeschafft. "Im Hinblick auf das kritische Thema der Bildungspolitik", schrieb Donald R. Warren einhundert Jahre später über die Nachwehen des Kriegs, "war eindeutig, dass die Südstaaten und die Vergangenheit den Bürgerkrieg gewinnen."
Das heißt, den längsten Teil der US-Geschichte über war Bildung einzig und allein Sache der Bundesstaaten. Und das wiederum heißt, den längsten Teil der US-Geschichte über war Bildung segregiert.
Bis zum Ende des Bürgerkriegs war der Besuch einer öffentlichen Schule in den Südstaaten Weißen Kindern vorbehalten, worauf unmittelbar die Ära Jim Crow folgte. In dieser Zeit waren öffentliche Schulen nach Race segregiert, was de facto bedeutete, dass die meisten Schwarzen Kinder bis in die 1950er-Jahre noch immer keine Schule besuchten, weil in ihrem Bezirk keine existierte, die sie aufgenommen hätte. Mitte der 1950er waren etwa 90 Prozent aller Kinder an öffentlichen Schulen Weiß.
Im Jahr 1954 entschied der Supreme Court (SCOTUS) im historischen Fall Brown v. Board of Education, dass segregierte öffentliche Schulen verfassungswidrig und zu integrieren sind. Das Gericht entschied auch, dass ein Grundrecht auf Bildung für alle Kinder besteht, dem der Staat nachzukommen verpflichtet ist – eine solche Konzeption war den Vereinigten Staaten bis dahin fremd.
"Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Doktrin 'getrennt, aber gleich' keinen Platz in der Sphäre öffentlicher Bildung hat. Segregierte Bildungseinrichtungen sind inhärent ungleich", konstatierte der SCOTUS 1954.
Dieser Entscheidung wiederum begegneten die ehemaligen Konföderiertenstaaten mit einer Mischung aus politischem Protest, wirtschaftlichem Boykott und offenen Gewaltausbrüchen. Mehrere hundert Südstaatenpolitiker*innen fanden sich zur Proklamation des "Manifests des Südens" zusammen, das eine Desegregation der Schulen strikt verweigerte.
Schwarze Lehrkräfte und Professor*innen wurden systematisch entlassen und aus dem Dienst gemobbt, denn noch katastrophaler als gemischte Klassen erschien dem Süden einzig ein gemischter Lehrkörper, der Weiße Kinder unterrichten soll. Das war in einigen Bundesstaaten gar strafrechtlich untersagt. Die Weiße Bevölkerung gründete außerdem sogenannte Citizen's Councils, die Boykotte und Schmutzkampagnen initiierten und nicht selten in Gewaltexzessen endeten.
Der Widerstand der Südstaaten war so gigantisch, dass gar das Militär anrücken musste, um die Entscheidung des Supreme Court durchzusetzen. Dennoch ging die Integration der Schulen allenfalls schleppend voran. 1964, 10 Jahre nach Brown v. Board waren lediglich 2 Prozent der Schulen desegregiert, im Jahr 1970 waren es immerhin schon 33 Prozent.
1974, genau zwei Dekaden nach Brown v. Board, fällte der SCOTUS eine nicht weniger folgenschwere Entscheidung, die die Finanzierung der Integrationsbemühungen auf kommunaler Ebene stark einschränkte. In den 1990ern schließlich begannen der SCOTUS und verschiedene untergeordnete Gerichte den Desegregationsprozess für beendet zu erklären. Ein überraschend hohes Ausmaß an Segregation und eine gravierende Ungleichverteilung der Geldmittel für öffentliche Schulen lassen sich jedoch bis heute statistisch nachweisen.
An dieser Stelle muss ich Ihnen einen bizarren Fakt mitteilen: So absurd es klingt, aber Donald Trump ist nicht der erste Republikanische Präsident, der mit dem Slogan "Make America Great Again" und dem Versprechen, das Bildungsministerium abzuschaffen, angetreten – und gewählt – worden ist. Das war Ronald Reagan.
In seiner State of the Union-Rede vor beiden Kammern des US-Kongress verkündete Reagan 1982, nur zwei Jahre nach Gründung des Ministeriums, dass sein Haushalt große Einsparungen durch die Abwicklung des Bildungsministeriums beinhalte. Das von der Demokratischen Partei gehaltene Haus schob dem einen Riegel vor und Reagan rückte schlussendlich von seinem Vorhaben ab, die Abschaffung des Bildungsministeriums allerdings blieb Republikanisches Kernanliegen.
Bildung ist (nicht) für alle da
Was gedenken Donald Trump und sein Kabinett durch die Abschaffung dieses Ministeriums letztendlich zu erreichen? Nun, in Linda McMahons eigenen Worten: "Meine Vision ist dieselbe wie die des Präsidenten: Bildung wieder zur Angelegenheit der Bundesstaaten machen und es allen Eltern ermöglichen, exzellente Bildungseinrichtungen für ihre Kinder zu wählen."
Einer der Haupstreitpunkte ist die vermeintliche Ineffizienz des Ministeriums. In der Tat befinden sich die Vereinigten Staaten relativ zur Größe ihrer Volkswirtschaft beeindruckend weit unten auf den internationalen Skalen für Alphabetisierung und durchschnittlichen Bildungsgrad, obwohl sie mehr als der OECD-Durchschnitt pro Schüler*in ausgeben. Gleichzeitig allerdings variieren die Bildungsausgaben des Bundes aber stark nach Bundestaat und Bezirk.
Die US-Regierung zielt darauf ab, künftig Pauschalförderungen (block grants) an die Staaten zu überweisen. Diese Pauschalen sind effektiv an keine Vorgaben gebunden und können von den Staaten nach Belieben verwendet werden. Kritiker*innen wenden ein, das Vorhaben würde eine Verschlimmerung der bestehenden Finanzierungsungleichgewichte zur Folge haben und Millionen sozioökonomisch benachteiligte Kinder vom Zugang zu einer fundierten Schulbildung ausschließen.
So versuchte beispielsweise das Center for American Progress, die von Projekt2025 avisierte Streichung des sogenannten Title I in belastbare Zahlen zu übersetzen. Title I ist ein Bundesgesetz, das das Bildungsministerium dazu verpflichtet, zusätzliche Fördergelder für Schulen in Bezirken, die überproportional von Armut betroffen sind, bereitzustellen. Dem Center for American Progress zufolge würden hierdurch bis zu 180.000 Stellen für Lehrkräfte wegfallen, wovon etwa 2,8 Millionen Schüler*innen betroffen wären.
Die National Education Association warnt außerdem vor dem Vorhaben, die im Bildungsministerium angesiedelte Abteilung für Grundrechtsfragen dem Justizministerium zuzuschlagen. Der NEA zufolge schränke das die Fähigkeit der Abteilung, Kinder vor Diskriminierung zu schützen, empfindlich ein. Ein Blick auf die unter Donald Trump rapide eskalierende Politisierung des Justizministeriums stützt diese Hypothese.
Die grenzenlose Heuchelei der Linda McMahon
Der zweite Kernaspekt der Republikanisch-konservativen Kritik am Bildungsministerium ist dessen vermeintlicher Bias in Richtung Progressivismus. Was hier allerdings als gemäßigte Position dargestellt wird, als Versuch, alle Seiten gleichermaßen kritisch zu beäugen, erweist sich bei genauerem Hinsehen als explosives Gemisch aus Doppelzüngigkeit und Geschichtsrevisionismus.
Florida beispielsweise möchte es sich von einem Bundesbildungsministerium nicht nehmen lassen, im Geschichtsunterricht auch darüber nachzudenken, ob die versklavten Millionen während ihrer Knechtschaft nicht nützliche Skills gelernt haben. Skills, die ihnen nach dem Bürgerkrieg auf dem freien Markt einen Wettbewerbsvorteil eingebracht hätten. Selbst wenn man diese irre Annahme akzeptiert: Florida war ein Jim Crow-Staat. Was, bitte, hätten die befreiten Massen mit ihren tollen Skills machen sollen? Achja: Sharecropping, alias Sklaverei unter neuem Branding.
Dann wäre da auch noch das liebste Schreckgespenst des modernen US-Konservatismus: die "Genderideologie". McMahon kritisiert unter anderem, dass Schulen und Lehrkräfte nicht dazu verpflichtet werden, Eltern darüber zu informieren, wenn ein Kind sich ihnen als homosexuell oder trans anvertraut. Die Privatsphäre des Kindes (insoweit die Vereinigten Staaten ein solches Konzept überhaupt kennen) solle vollumfänglich dem elterlichen Recht der Erziehungshoheit untergeordnet werden, fordert McMahon.
Kindern überhaupt nur zu erzählen, dass queere Menschen existieren, wird von konservativer Seite im Allgemeinen und McMahon im Speziellen als ideologisch motivierter Akt der Gewalt stilisiert. Diese Argumentation fand kürzlich sogar ihren Weg zum SCOTUS, der mit sechs zu drei entschied, dass Eltern ihre Kinder aus religiösen Gründen von Schulstunden freistellen dürfen, in denen Bücher gelesen werden, in denen queere Menschen oder Themen vorkommen.
Passend zum Narrativ der Republikanischen Partei ist Linda McMahon rhetorisch ganz groß, wenn es darum geht, Kinder vor dieser vermeintlich destruktiven "Genderideologie" zu schützen. Das Bildungsministerium hostete kürzlich gar ein Gesprächspanel zum Thema Detransition, in dem McMahon ohne jede Grundlage den Vorwurf erhob, Lehrkräfte würden Schüler*innen zu geschlechtsangleichenden Operationen zwingen.
Ein Blick hinter die rhetorische Fassade allerdings wirft ein gewisses Zwielicht auf die vermeintliche Kindswohlorientierung der Bildungsministerin: So stellte McMahon 2020 in ihrer Eigenschaft als Leiterin einer der zahllosen Wahlkampforganisationen Donald Trumps einen mutmaßlichen Pädokriminellen ein – unter der Auflage, der Mann solle, Zitat, "aufhören, Kindern hinterherzujagen". Fünf ehemalige Angestellte des Wrestlingsimperiums WWE erheben in einer Klageschrift außerdem schwere Vorwürfe gegen MacMahon und ihren Mann. Die beiden sollen sexuelle Übergriffe gegen sogenannte ring boys – also die Leute, die die Arena auf- und wieder abbauen – ignoriert und unter den Teppich gekehrt haben. Die Skandalwolke, die Linda McMahon umgibt, ist gigantisch.
McMahons Vita ist gerade deshalb alarmierend, weil das Bildungsministerium auch für die Einhaltung von Title IX zuständig ist, just dem Bundesgesetz, das Schüler*innen vor sexueller Gewalt und geschlechtsbasierter Diskriminierung schützen soll. Kenyora Parham, Vorsitzende der NGO End Rape on Campus, nennt die Vorwürfe gegen McMahon "erschreckend". Jasmine Bolton, die von 2021 bis 2023 in der Grundrechtsabteilung des Bildungsministeriums als Anwältin tätig war, äußert ebenfalls Besorgnis: "Wir senden damit eine Nachricht an unsere Kinder und an unsere Jugend, wenn Menschen, gegen die glaubhafte Anschuldigungen sexueller Gewalt erhoben werden oder die Anschuldigungen sexueller Gewalt unterdrückt haben, auf so hohe Posten berufen werden, ohne jemals Verantwortung für ihr Handeln übernehmen zu müssen", so Bolton.
Die Privatisierung der Bildung ist eine Resegregation durch die Hintertür
Womit wir schließlich beim letzten Teil der Republikanischen Vision angekommen wären: der freien Schulwahl. Die Idee ist, öffentliche Schulen durch Bildungsgutscheine zu ersetzen, die Eltern in einer Privat- oder Charterschule ihrer Wahl einlösen können. Texas ist der erste Bundesstaat, der dieses Modell übernimmt. Wenn Linda McMahon also sagt, sie möchte es "allen Eltern ermöglichen, exzellente Bildungseinrichtungen für ihre Kinder zu wählen", dann wirft das die Frage auf, was sie unter "Exzellenz" versteht.
Auch hier hilft ein kritischer Blick auf die US-Geschichte. Die bis heute in bestimmten Kreisen der Vereinigten Staaten ungebrochene Popularität eines vollständig privatisierten und auf Gutscheinen beruhenden Bildungssystems lässt sich ebenfalls auf Brown v. Board of Education zurückführen. Durch die Schließung öffentlicher Schulen und Bildungsgutscheine für segregierte Privatschulen versuchten große Teile der Südstaaten, sich der Integration zu entziehen.
All das wäre aber noch kein endgültiger Beweis dafür, dass die US-Regierung eine mit der umfangreichen Privatisierung des Bildungssektors einhergehende Regesegregation anstrebt oder wissentlich in Kauf nimmt – wäre da nicht auch noch dieses kleine präsidiale Memo. Die im Februar erlassene und kaum beachtete Anordnung revidiert eine jahrzehntealte Richtlinie, der zufolge die Bundesregierung und ihre Ministerien und Behörden keine Verträge mit Unternehmen oder Organisationen abschließen dürfen, die nach Race segregierte Einrichtungen wie Umkleideräume aufweisen. Wofür braucht es eine solche Anordnung, wenn nicht zur absichtlichen, schrittweisen Unterminierung von Brown v. Board sowie des 1964 durch den Kongress verabschiedeten Civil Rights Act?
Das Bild, das sich hier Puzzleteil für Puzzleteil zusammenfügt, ist ein ungeheuerliches: Statt öffentliche Schulen zu finanzieren, kann die US-Regierung künftig Verträge mit Charterschulen abschließen und muss sich nicht darum kümmern, ob diese segregierte Sporthallen oder einen dezidiert religiösen Lehrplan haben. Statt die Erreichbarkeit öffentlicher Schulen für alle Kinder zu gewährleisten, was in Bundesstaaten von der Größe europäischer Nationen rein geographisch bereits einer Mammutaufgabe gleichkommt, können die Staaten künftig Gutscheine ausgeben und müssen sich nicht darum kümmern, ob in diesem oder jenem armutsbetroffenen Bezirk überhaupt eine Privat- oder Charterschule existiert.
In letzter Instanz verabschieden sich die USA damit endgültig von der Idee, dass Bildung ein öffentliches Gut ist, auf das jeder Mensch ein Anrecht hat – einer Idee, die im harten Boden von institutioneller Skaverei und Jim Crow nur zarte Wurzeln schlagen konnte. Die "exzellenten Bildungseinrichtungen", von denen Linda McMahon schwärmt, sind nicht die Schulen der Zukunft, sondern der Vergangenheit.






