Der Ministerpräsident von Thüringen, Bodo Ramelow (Die Linke), sieht sich nicht in der Verantwortung, den Verfassungsauftrag zur Beendigung der Dauerzahlungen an die Kirchen umzusetzen.
Heute vor 99 Jahren, am 14. August 1919, trat die Weimarer Reichsverfassung in Kraft. Mit dem 99. Geburtstag des demokratischen Verfassungsstaates beginnt allerdings auch das "100. Jahr des Verfassungsbruchs", denn bis zum heutigen Tag wurde nicht umgesetzt, was die Weimarer Verfassung gefordert hatte, nämlich die Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen sowie die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.
Im Juni sorgte der Bund der Steuerzahler (BdSt) Rheinland-Pfalz für Schlagzeilen, als er die Landesregierung aufforderte, mit den Kirchen endlich eine Ablöse-Regelung für die Staatskirchenleistungen auszuhandeln. Auf Nachfrage des hpd bestätigten die meisten BdSt-Vereine in anderen Bundesländern, ebenfalls für eine Ablösung der Staatskirchenleistungen einzutreten.
Laut einer neuen Erhebung erhalten die Kirchen in diesem Jahr eine Rekordzahlung von 538 Millionen Euro. Kritiker fordern ein Ende dieser Staatsleistungen.
Staatsleistungen: In dubio pro ecclesia, so gefällt es offensichtlich der deutschen Politik, den deutschen Kirchen ohnehin. Gefällt es aber tatsächlich auch dem deutschen Steuerzahler? Eine erste Antwort müsste das offensichtlich bejahen, denn gegen die horrenden Staatsleistungen an die Kirchen, die von der gesamten steuerzahlenden Öffentlichkeit entrichtet werden, regt sich nur verhaltendes Murren, von Widerstand mag da nicht zu reden sein.
Seit fast 100 Jahren existiert der Verfassungsauftrag, die Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen. Ebenso lange wird dieser Auftrag ignoriert. Jüngste Äußerungen des Hessischen Kultusministers Ralph Alexander Lorz (CDU) zeigen, dass die Landesregierung dies auch weiterhin tun will.
Der Islam gehört nicht zu Deutschland ... Deutschland ist durch das Christentum geprägt, so tönt der neue Bundesinnenminister Seehofer landauf, landab durch die Medien. Angesichts dessen ist zu fragen: Von welchem Deutschland spricht er? Meint er den Staat Bundesrepublik Deutschland, die Nation, die sich auf verschlungenen Wegen bildete? Sind nur die Deutschen gemeint, die auch den deutschen Reisepaß besitzen? Von welchem Christentum redet er? Dem evangelikalen, dem orthodoxen, dem der Zeugen Jehovas, dem katholischen?
Im Jahr 2019 steht das unrühmliche 100-jährige Jubiläum der Missachtung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen an – wenn der neu gewählte Bundestag und die 14 betroffenen Länder nicht geeignete Schritte in die Wege leiten.
Wie schwer sich die deutschen Parteien mit dem Verhältnis von Staat und Kirchen tun, führte die LINKE auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende wie im Glashaus vor. Die Delegierten hatten Samstagnacht mit knapper Mehrheit für einen Antrag gestimmt, der deutlich über den Leitantrag des Parteivorstands hinausging. Der Antrag aus Hamburg sah ein Aufkündigen der Staatsverträge mit den Kirchen vor. Er verlangte darüber hinaus, staatliche Finanzierungen, darunter die der kirchlichen Militärseelsorge sowie der Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen, abzuschaffen.
Der Humanistischer Verband sieht Neuordnungen bei den finanziellen Verflechtungen zwischen Staat und Kirchen als unvermeidbar. Auch die Herstellung von Transparenz ist eine staatliche Aufgabe.
Nach dem Finanzausschuss hat nun wenig überraschend auch der Deutsche Bundestag die Einsetzung einer Kommission zur Überprüfung der Staatsleistungen abgelehnt. Die Linksfraktion im Bundestag hatte gefordert, dass eine Expertenkommission beim Finanzministerium "den Umfang der enteigneten Kircheneigentümer und der bisher geleisteten Entschädigungszahlungen evaluiert und prüft". Allein in diesem Jahr belaufen sich die bedingungslosen Subventionszahlungen an die Kirchen auf fast 524 Millionen Euro. Jeder Bürger unterstützt die Kirchen damit in diesem Jahr mit 6,38 Euro, ganz egal, ob er (oder sie) will oder nicht.
Am 9. März 2017 steht die Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Er entscheidet über einen vor zwei Jahren eingebrachten Antrag der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/4842 vom 6. Mai 2015), beim Bundesfinanzministerium eine Kommission zur Evaluierung dieser Staatsleistungen einzurichten. Bisher ist nicht bekannt, welche Beschlussempfehlungen die Ausschüsse für Finanzen sowie Innen und Recht aussprechen werden; sie treffen ihre Entscheidungen erst am Vortag der Plenarsitzung.
Anlässlich der Haushaltsberatungen im Niedersächsischen Landtag hatte die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union (HU) die Landtagsfraktionen in einem Schreiben von Anfang Dezember 2016 aufgefordert, bei der Bewilligung der sogenannten "Staatsleistungen" an die Kirchen die verfassungsrechtlichen Vorgaben (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) zu beachten.
Vor kurzem wurde mal wieder beim MDR über die seit mehr als zweihundert Jahren gezahlten und nach Grundgesetz eigentlich abzulösenden Staatsleistungen an die beiden christlichen Kirchen gestritten. Ein CDU-Landtagsabgeordneter stellte die Behauptung auf, die Kirchen seien zur Ablösung dieser Leistungen bereit. Dem musste widersprochen und festgestellt werden, dass das eigene Verhalten, beispielsweise bei den Baulasten in Thüringen, klar zeigt, dass die Kirchen weder bereit sind auf alte noch auf neue Privilegien zu verzichten.
Die Grünen in Nordrhein-Westfalen fordern ein Ende der Staatsleistungen an die Kirchen. Der Landesvorsitzende Sven Lehmann fordert die Bundesregierung auf, eine Expertenkommission einsetzen, die ein Ablösegrundsätzegesetz vorlegt. "Aber auch die Bundesländer und die Vertreter der Kirchen tun gut daran, Gespräche über das Ende dieser Zahlungen führen."