8,4 Millionen für Kirchentag 2017? Zugestimmt!

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Das Abgeordnetenhaus von Berlin - mit dem Hauptausschuss vor Sitzungsbeginn
Das Abgeordnetenhaus von Berlin - mit dem  Hauptausschuss vor Sitzungsbeginn

BERLIN. (hpd) Zugestimmt! Im Berliner Abgeordnetenhaus war alles ganz einfach: Der Senat muss nach der Geschäftsordnung den Hauptausschuss des Parlaments um sein Einvernehmen bitten für eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung – und dieses wurde ihm auch erteilt. Dahinter verbergen sich gestaffelt 2 Millionen Euro in 2016 und 6,4 Millionen Euro in 2017. Die Sitzung war öffentlich.

Der Vorsitzende Fréderic Verrycken, SPD, eröffnete im Hauptausschuss die Debatte. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die LINKE stellten die Zuschusshöhe in Frage.

Die Großveranstaltung soll insgesamt 23 Mio. Euro kosten. Eigenmittel des Veranstalters sind in Höhe von 7,4 Mio. Euro eingeplant. Neben den Zuschüssen des Landes Berlin übernehmen das Land Brandenburg 1 Mio. Euro und die Evangelische Landeskirche 3,7 Mio. Euro, Bundesmittel fließen in Höhe von 2,5 Mio. Euro. Somit übernimmt die öffentliche Hand insgesamt bereits 11,9 Mio. Euro – dies entspricht 51,7 Prozent der Gesamtkosten!

Damit hält sich die Kirche nicht einmal an das von ihr selbst immer wieder propagierte Prinzip der Drittelfinanzierung, wonach jeweils ein Drittel der Ausgaben finanziert werden soll durch die ausrichtende Landeskirche, durch Eigenmittel (insbesondere Eintrittsgelder) und durch öffentliche Zuschüsse. Die beschlossenen 11,9 Mio. Euro reichen zwar nicht ganz heran an die 14,83 Mio. Euro, mit denen der katholische "Weltjugendtag" 2005 subventioniert wurde.

Betrachtet man die Förderquote, so stellt der Kirchentag 2017 mit über 51 Prozent öffentlicher Mittel sogar einen neuen, traurigen Rekord auf!

Für die Fraktion Die LINKE birgt der Antrag in sich die grundsätzliche Frage: "Ist es überhaupt richtig, dass wir diesen Fall diskutieren? – Es geht um die Frage der Gleichberechtigung." Es gebe sehr viele gute touristische, gesellschaftliche und weltanschauliche Veranstaltungen. Werde diesem Antrag zugestimmt, sei davon auszugehen, dass weitere Anträge auf finanzielle Mitwirkung vorgelegt werden. Die Forderung des Senats von Berlin erschien der Fraktion Die LINKE nicht eindeutig. Man wolle vom Berliner Senat die Finanzierungsbegründung für diese Veranstaltung im Einzelnen wissen, man vermutet Ausweich-Argumente, da einer Pauschalfinanzierung zugestimmt werden solle. Die Finanzierung eines Kirchentages sei nicht grundsätzlich abzulehnen, aber es sei der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung einzubringen

Die Gegenrede der CDU betonte die Einmaligkeit: "Wir reden hier über eine historische Veranstaltung, die in einem besonderen historischen Kontext steht", um hier teilzunehmen, müsse man nicht protestantischer Christ sein. Die Einladung des Senats von Berlin gelte allen Menschen. Es gäbe nur wenige Veranstaltungen dieser Dimension und sie stehe Berlin gut an. Unausgesprochen blieb, was in dem Bericht des Senats alle Abgeordneten schwarz auf weiß vor sich hatten: Nur 2,9 Prozent der Besucher des ökomenischen Kirchentags 2003 in Berlin gehörten nicht dem christlichen Glauben an. Anscheinend wollen also nur wenige Nicht- und Andersgläubige die Einladung auch tatsächlich annehmen.

Das Aktionsbündnis 11. Gebot hatte den Parlamentariern zuvor die Information zukommen lassen, dass der Zuschuss gegen Artikel 16 Absatz 6 des Vertrages des Landes Berlin mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (Evangelischer Kirchenvertrag Berlin) vom 20. Februar 2006 verstößt. Dieser legt in Artikel 16 Absatz 1 fest, dass das Land u.a. "für kulturelle Zwecke" einen jährlichen "Gesamtzuschuss" leistet. Absatz 6 ergänzt: "Weitere Leistungen werden nur erbracht, wenn sie vertraglich oder gesetzlich vorgesehen sind." Da es eine solche vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Förderung von Kirchentagen aber nicht gibt, ist der Zuschuss nach Ansicht des Aktionsbündnisses rechtswidrig.

Das erwartete Ausweichmanöver, dass der Kirchentag nicht rechtsidentisch sei mit der evangelischen Landeskirche, kommentierte Maximilian Steinhaus vom 11. Gebot so: "Es ist grotesk: ZdK und DEKT versuchen Ansprüche herzuleiten aus dem Umstand, dass das Grundgesetz für Religionsgemeinschaften eine Zwangsmitgliedschaft (Parochialrecht) vorsieht und behauptet nun, die Christen müssten sich von ihrer eigenen Amtskirche emanzipieren. Das Demokratiedefizit innerhalb der Kirche soll also zulasten Nicht- und Andersgläubiger gehen. Das nennt man einen klassischen 'Vertrag zulasten Dritter' - der nach allgemeinem Rechtsverständnis unzulässig ist."

Die Fachberater der Senatsverwaltung von Berlin meinten hingegen, dass es sich um eine außerordentliche Zahlung handele, die nichts mit dem Staatsvertrag zu tun habe. "Das sind zwei ganz verschiedene Paar Schuhe", die nicht zusammenzubringen seien.

Zur Finanzierungshöhe habe man sich die gleichen Fragen gestellt und die Differenz läge in der Finanzkraft der verschiedenen evangelischen Kirchen. Auch denke man, für Finanzierungen von Veranstaltungen sei eine sachgerechte Vergleichbarkeit der Veranstaltungen gegeben: "Wir schauen uns alle Veranstaltungen an" – dabei sei die Anzahl der Besucher ein ausschlaggebender Faktor.

Die CDU führte zur Anzahl der Besucher vergleichsweise den "Karneval der Kulturen" ein. Dies war jedoch nicht so recht eingängig, schließlich weist dieses Event eine viel bessere Kosten-Nutzen-Effektivität auf: Im Jahr 2014 nahmen nach Veranstalterangaben 1,3 Millionen Menschen an dem mehrtägigen Fest in Berlin-Kreuzberg teil – und damit rund 9 (!) mal so viele Menschen wie sie vom Senat für den Kirchentag 2017 prognostiziert werden (140.000). Gleichzeitig kostete der letzte Karneval nur 780.000 Euro – im Vergleich zu den veranschlagten 23 Mio. Euro für den Kirchentag also ein Schnäppchen.