BERLIN. (hpd) Dem deutschen Bundestag liegen mittlerweile zwei Anträge zur Regelung der Suizidbeihilfe vor. Beide fordern eine Änderung des Strafgesetzbuches. Entgegen der Auffassung, dass kein Regelungsbedarf bestehe, forderten gestern zehn Bundestagsabgeordnete eine Änderung von Artikel 217 des Strafgesetzbuches und sehen bei "geschäftsmäßiger Förderung" eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bzw. eine Geldstrafe vor.
Deutschlandweit sind gibt es Stimmen, die sagen, dass kein Bedarf zu einer Änderung über die aktuelle gesetzliche Regelung hinausgehend bestehe. Unter der Überschrift "Krebsärzte sehen keinen Grund für Sterbehilfe-Gesetz" zum Beispiel forderte die Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie dazu auf, eine Versachlichung der Diskussion und Abstand von einer Neuregelung zu nehmen.
Als Ralf Meister, Landesbischof von Niedersachsen, sich vor ein paar Jahren auf das Wort zum Sonntag zur Sterbehilfe vorbereitete, besuchte er am Abend zuvor seine Mutter im Altersheim. Er berichtete ihr von seinen Überlegungen und Gedanken dazu. Ihre Antwort war direkt und einfach: "Mein Junge, das geht dich gar nichts an." Von diesem eindrucksvollen Erlebnis berichtete der Theologe dem Publikum auf dem Humanistentag 2013 in Hamburg.
"Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung"
Gestern, am 9. Juni 2015 stellten zehn Mitglieder des Deutschen Bundestags aus den Fraktionen CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen – Michael Brand, Kerstin Griese, Kathrin Vogler, Dr. Harald Terpe, Michel Frieser, Dr. Eva Högl, Halina Wawzyniak, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Claudia Lücking-Michel, Ansgar Hevelin – ihre Gedanken zum Suizid und der Beihilfe zum Suizid vor.
Geprüft haben die Politiker die "Strafbarkeit der Förderung der Selbsttötung". Sie kamen zu dem Entschluss, eine "geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung" sei "straffähig". Sie legten ihren "Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung" vor, da ihrer Auffassung nach die Strafbarkeit mit dem Grundgesetz und dem Strafrecht vereinbar sei. Die eine Änderung des Strafgesetzbuches fordernden MdB’s begründeten ihren Entschluss mit einem persönlichen Statement. Zur Sprache kam die Wichtigkeit und Richtigkeit des gemeinsamen Antrags, Belobigungen "mit der Unterstützung sachkundiger Expertinnen und Experten", "... in sorgfältiger Beratung" ...
Kathrin Vogler: "Wir wissen, des im Gesundheitswesen nicht alles so läuft wie es soll. Ein Angebot als assistierten Suizid wollen wir verhindern". Michael Brand will Missbrauch stoppen, sieht dauerhafte Hilfe in der Palliativ-Medizin und Hospizen und ist mit diesen in großer Einigkeit. "Gewinnorientiertes Handeln ist zu stoppen, während dem die Beihilfe zur Selbsttötung im Status Quo bleibt". Kerstin Griese: "Wir wollen die Solidargesellschaft". Auch Elisabeth Scharfenberg sieht in der Palliativ- und Hospiz-Fürsorge wie auch in der Suizid-Präventation ein wichtiges Thema. Michael Frieser:"“Ein schweres Thema für uns alle ...".
Geschäftsmäßigkeit? Zunehmend sollen Worte von Schwerstkranken mit Suizidgedanken gefallen sein, sie wollen niemanden zur Last fallen, jetzt, wo sie alt, schutz- und pflegebedürftig sind. Hier läge Gefahr, hier sei vorzubeugen. Beweise für diese Behauptungen fehlen jedoch.
Und unausgesprochen sitzt auf dem Podium ein Berliner Urologe, der, so wurde es auf der Pressekonferenz erwähnt, so um die 80 Jahre alt wäre.
Antrag Sensburg/Dörflinger
Mitte Mai hatten die beiden CDU-MdB's, Dr. Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger ihren Entwurf zur "Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung" vorgelegt: Bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe, wer andere anstiftet, sich selbst zu töten oder dazu Hilfe leistet - Angehörige inbegriffen - fordert ihre Gesetzesvorlage und auch der Versuch dazu ist strafbar. Das soll der Deutsche Bundestag noch in der 18. Wahlperiode beschließen.
Zwei weitere Anträge sind angekündigt.
5 Kommentare
Kommentare
Petra Posch am Permanenter Link
Wer kann, erkläre mir doch bitte ein einziges mal, ein allereinziges mal genügt völlig, weshalb sich Politiker anmaßen, gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (= ihrer Wähler) entscheiden zu wollen.
Ich habe mal gelernt, dass Demokratie bedeutet, dass die Macht vom Volke ausgeht. Haben die Leutchen das da auf dem Podium nicht gelernt?
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Wieso unsere Volksvertreter gegen die Mehrheit der Bevölkerung handeln?
1) Weil Abgeordnete nach Art 38 GG nur Ihrem Gewissen verpflichtet sind
-> Nur noch Poiltiker wählen die nicht nur darauf pochen, sondern auch Loyalität gegenüber Ihren Wählern kennen
2) Weil das System Berufspolitiker hervorbringt, die bis sie in den Bundestag kommen schon so lange auf niedrigeren Stufen von Lobbyisten bearbeitet wurden, sodass Sie den Bezug zur Bevölkerung verloren haben.
-> Auslosen statt Wählen. Das nennt sich auch Demarchie und ist eine bereits im antiken Griechenland aus Frust über die unzulänglichkeit des Wählens entwickelt Spielart der Demokratie. Jeder Wahlberechtigte könnte neben den bereits bestehenden Staatsbürgerlichen Pflichten (Wahlhelfer, Schöffe, Vormund) eine weitere dazu bekommen. Wird er ausgelost, muss er für eine Legislaturperiode Abgeordneter sein. Nicht auf einmal, sondern regelmäßig einen Teil der Parlamentarier ersetzen, damit eine kontinuierliche Arbeit möglich ist. Budget für persönliche Referenten die es jetzt schon gibt stellt sicher, dass sich die ausgelosten Bürger jemanden engagieren können, der weiß wie der Parlamentsbetrieb funktioniert.
Wenn sich also Berufspolitiker durch ihren Werdegang soweit von der Bevölkerung entfernen, muss man weg vom Berufspolitikertum, also auch von Wahlen und stattdessen Laien in die Parlamente wählen. Eine Auslosung aus der Bevölkerung stelle eine Parlament das repräsentativ für die Bevölkerung ist. Mehr Illoyalität als wir heute haben kann man meiner Meinung nach durchs Auslosen nicht errreichen. Also wäre es einen versuch wert. - Im übrigen. Wer seinen Job als ausgeloster Abgeordneter gut gemacht hat, findet sicherlich im Nachgang Beschäftigung als Berater eines neuen ausgelosten Laienabgeordneten.
Der Fehler liegt also nicht beim Wähler, sondern in der Wahl selbst begründet.
valtental am Permanenter Link
"...weshalb sich Politiker anmaßen, gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung (= ihrer Wähler) entscheiden zu wollen."
"Ich habe mal gelernt, dass Demokratie bedeutet, dass die Macht vom Volke ausgeht." In einer ausschließlich repräsentativen Demokratie nur eingeschränkt. Ein beeindruckendes Gegenbeispiel hat gerade Irland mit seiner Volkabstimmung zur Ehe-Definition abgeliefert.
(siehe zum Thema auch www.mehr-demokratie.de)
Hans Schulze am Permanenter Link
Angesichts dort sonst sehr informativen und guten Berichterstattung des hpd über Kriminalisierung der Sterbehilfe überrascht doch dieser - zurückhaltend formuliert - eher mäßige Artikel.
Wer eine Analyse der gegenwärtigen Antragssituation im Bundestag wünscht, muss schon in der WELT nachschauen: http://www.welt.de/politik/deutschland/article142203139/Was-bei-der-Sterbehilfe-kuenftig-erlaubt-sein-kann.html
Nun, das wird ja wohl nicht der letzte Artikel des hpd zu diesem Thema gewesen sein.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Deutschland hat sich ja schon mit überwältigender Mehrheit entschieden, in diesem Punkt liberal zu bleiben - zumindest von der Bevölkerung.
Das bereits angesprochene Prinzip Demarchie mag da helfen (es klappt ja auch bereits schon lange in bestimmten politischen Bereichen).
Oder schlicht Volksabstimmung. Und ZACK - gut is'!
Für mich persönlich habe ich eh schon abgestimmt: Mein Körper gehört ausschließlich mir (ich benötige noch nicht einmal eine Sterbehilfe)!
Da kann von GroKo&Co. kommen, was will.