Warum ich nicht zur katholischen Hochzeit gehen kann

Religion beruft sich bei ihren Aussagen auf Autorität, Offenbarung, Dogmen und Indoktrination. Sie kennt keine Mittel um ihre Glaubenssätze zu überprüfen und als falsch auszusortieren. Nichtwissen ist für Religion nützlicher als das Streben nach Wissen, denn die Lücken des Wissens lassen sich hervorragend mit Gott besetzen.

Michael Schmidt Salomon (2015) beschreit Religion als: "… institutionell abgesicherte Weltanschauungssysteme, die für sich reklamieren, im Besitz ewig gültiger Wahrheiten zu sein. Das Hauptproblem dieser religiösen Institutionen besteht darin, dass sie dazu neigen, überholte Vorstellungen vergangener Epochen in die heutige Zeit zu transportieren."

IV Menschenrechte

Am 26.06.2015 erklärte der US-amerikanische Supreme Court das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen für unvereinbar mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz. Dadurch wurde jeder der fünfzig Bundesstaaten verpflichtet die Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare zu ermöglichen. Der Bischof von Lafayette (Indiana, USA) Michael Jarrell erklärte daraufhin: "Lassen Sie mich deutlich sagen, dass kein menschliches Gericht die Autorität hat, das zu verändern, was Gott in das Gesetz der Schöpfung geschrieben hat." Er rief Katholiken auf, gegen die Gleichbehandlung von homosexuellen Menschen aktiv zu werden und empfahl zivilen Ungehorsam als richtigen Weg (vgl. queer.de, 14.07.2015).

Als am 22.05.2015 die Mehrheit der Iren in einem Referendum für eine Verfassungsänderung zur Schaffung von Rechtsgleichheit zwischen gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Ehen stimmte, war das ein GAU für die katholische Kirche. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, ein enger Vertrauter des Papstes, bezeichnete das Votum als eine "Niederlage für die Menschheit".

Diese Aussage zeigt, wie die Führer der katholischen Kirche noch immer denken: sie setzen das Interesse ihrer Organisation mit dem Interesse der Menschheit gleich und bestimmen, wer zur Menschheit gehört und wer nicht. Jahrhundertelang hat die Kirche die hierarchisch geordneten Gesellschaften stabilisiert, indem sie die gesellschaftliche Rangordnung als gottgegeben legitimierte und sich selber an die Spitze dieser Gesellschaften setzte. Moderne funktional differenzierte demokratische Gesellschaften sind für die Kirche bedrohlich, weil sie in diesen Gesellschaften nur noch ein System neben vielen anderen ist.

Bis heute hat die katholische Kirche die Menschenrechtscharta der UNO und die Europäische Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnet. Die Ausrufung der Menschenrechte während der Französischen Revolution wurde von Papst Pius VI als Widerspruch zur kirchlichen Lehre verurteilt und kommentiert mit den Worten: "Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren?"

Als Recht des Menschen über sich selbst zu bestimmen, formulieren die Menschenrechte, jene Rechte, die Individuen vom Staat einfordern können.

Für die katholische Kirche untergräbt das den päpstlichen Primat, denn der Papst sieht sich als dem Willen des menschlichen Gesetzgebers übergeordnet, da er seine Autorität von Gott erhält. Nach der Lehre der katholischen Kirche hat sich die menschliche Gesellschaft dem Willen Gottes unterzuordnen, nicht aber dem der Menschen.

Da Priester ihrem Gott alles in den Mund legen können und sicher sein dürfen, dass er nicht widersprechen wird, (weil es ihn nicht gibt), bestimmt letztlich die katholische Kirche, welche Menschen welche Rechte erhalten.

Bei der Rechtsprechung um die Ehe geht es immer um die Zivilehe, d. h. um staatliches Recht. Von der katholischen Kirche wird die Ehe jedoch vereinnahmt, als habe sie ein Recht ihre religiösen Vorstellungen nicht nur ihren Mitgliedern sondern der Gesamtgesellschaft aufzuzwingen.

Bleibt zu hoffen, dass wir schon in einigen Jahren mit völligem Unverständnis auf die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Rechtsgleichheit für heterosexuelle und homosexuelle Ehen zurück schauen werden. So, wie wir heute unverständlich zurück schauen auf die Auseinandersetzungen um die Aufhebung des Verbots von Ehen zwischen Weißen und Schwarzen. Damals argumentierten Religiöse, dass der Mensch nicht mischen dürfe was Gott als getrennte Rassen geschaffen habe.

V Sexualität

Warum ist die katholische Kirche so besessen von Themen, die mit Sexualität zu tun haben? Sind katholische Priester geborene Experten in Sexualfragen? Qualifizieren gar das Zölibat oder ihre umfangreichen Erfahrungen als Täter sexuellen Missbrauchs in Fragen der Sexualität?

Sexualität ist für die Kirche ein hervorragender Sündengenerator. Der Trick besteht darin, Sexualität so zuzuschneiden, dass sie keinem passt und diese Nichtpassung als Sünde oder Böses zu fassen. So schafft Religion die Nachfrage für ihr Angebot, die "Ware" Vergebung. Es geht also gerade nicht um die Eliminierung "sündhaften" Verhaltens, denn das hieße "die Kuh schlachten, die gemolken werden soll". Lust gehört so sehr zum Leben, dass die Kirche sicher sein kann, hier eine Quelle nicht versiegender "Sünde" gefunden zu haben. Der Trick ist ähnlich genial wie die Erfindung der Erbsünde: Schuld qua Geburt!

Die katholische Kirche knüpft Sinn und "sittliche Rechtmäßigkeit" der Sexualität an das Ziel der Fortpflanzung innerhalb einer Ehe (vgl. Sigusch 2011: 28). Dabei soll der Geschlechtsakt "in heiliger und ehrfürchtiger Weise" und "nicht in leidenschaftlicher Begierde" vollzogen werden. Wer "eine Frau [die Perspektive zeigt, dass der Text von Männern geschrieben wurde, Verf.] auch nur lüstern ansieht, hat in Gedanken schon Ehebruch mit ihr begangen". So steht es in der "Persona Humana – Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik" des Vatikans.

Wir stimmen sicher darin überein, dass Sex ohne Lust keinen Spaß macht. So funktioniert Sexualität einfach nicht. Sexuelle Lust sucht Lust, “… das elaborierte Spiel mit Erregung, Reizen und Lust, das Genießen der Erregung” (Schmidt 2014: 39). Etwas vereinfachend auf den Punkt gebracht, kann man es auch so formulieren: Menschen haben nicht Sex, damit sie sich fortpflanzen, sondern pflanzen sich fort, weil sie Sex haben.