Plädoyer für eine Welt ohne Monotheismen

Streit um Gottes Wille!

Wie ist also dieses Dilemma zu heilen? Dass es möglichst rasch geheilt werden muss ergibt sich aus der zunehmenden Globalisierung der Gesellschaft. Mit dem Flugzeug kommt man heute rasch von vielen Orten in die ganze Welt. Das Internet hilft Netzwerke aufzubauen, die die Betreiber der Kreuzzüge hätten vor Neid erblassen lassen. Moderne Distanzwaffen, Drohnen und radioaktive oder giftige Stoffe können ein Gefahrenpotential aufbauen, das Länder an den Rand ihrer Bewohnbarkeit bringen könnte. Diese Unsicherheit wächst stetig. Die Flüchtlingsströme sind ein deutliches Indiz dafür, dass Menschen nur mehr bedingt bereit sind, unnötig zu leiden. So verlassen sie nachvollziehbar die Krisenherde, die nach wie vor genau in jener Region zu finden sind, in der der monotheistische Wahnsinn geboren wurde.

Wir müssen und werden diese Hilfesuchenden aufnehmen – und wenn es unser letztes Hemd kosten sollte. Doch muss Politik auch erkennen, welche Rolle Religion bei diesem Drama spielt! Sätze wie "Das hat nichts mit Religion zu tun" oder "Dort wird eine Religion missbraucht" helfen keinen Millimeter weiter. Diese Aussagen mögen sogar in dem Sinne richtig sein, dass die spirituelle Seite der jeweiligen Religion in der Tat nicht die Quelle der Gewalt ist. Doch dies ist nur die halbe Wahrheit. Der Monotheismus verbittert Menschen gegeneinander, anstatt sie monistisch in einer friedlichen und toleranten Weltgemeinschaft zu vereinen. Menschliche Zwistigkeiten sind schon heftig genug – Neid, Eifersucht, Geltungsdrang, Schwäche und Stärke. Da braucht es nicht zusätzlich diese tiefen Gräben, welche Religionen in die menschliche Gesellschaft gegraben haben – ohne die geringste Chance, sie jemals zuzuschütten, weil deren Kernbotschaften (der angebliche Wille "Gottes") unerforschlich bleibt. Ob die Flüchtlinge – dann eventuell im Westen gut ausgebildet – jemals als Aufbauhelfer in ihre Heimatländer zurückkehren werden, wenn dort noch immer die archaischen Strukturen bronzezeitlicher Religionen herrschen, wage ich zu bezweifeln.

Politik sucht jedoch weiterhin in privilegierten Religionsgemeinschaften ihr Heil. Z.B. weil sie nicht versteht, dass eine bunte Gesellschaft aus vielen einander friedlich durchdringenden Farben bestehen sollte und nicht aus rechthaberischen Einzelfarben, die um Einfluss auf der Leinwand ringen. Doch dann bleibt nur eine schwache Hoffnung: Die monotheistischen Religionen selbst mögen ihren Betrieb einstellen - als heilbringenden Dienst an der Menschheit. Doch würden sie dadurch ihre Macht und ihren Einfluss – und damit sehr bequeme Einnahmequellen – aufgeben. Wer könnte das gegen klerikalen Lobbyismus durchsetzen? Der mutige Ausweg, von dem ich eingangs schrieb, könnte ein höchst ungewöhnlicher, aber vermutlich ebenso schwer zu gehender sein:

Dazu zitiere ich aus Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums", Band 1, S. 120: "Denn wie auch heute der Glaube der Naturvölker keinen Absolutheitsanspruch eines 'höchsten' Wesens kennt, so herrschte auch im antiken Hellenismus Toleranz. Exklusivität widersprach dem Polytheismus prinzipiell. Vaterländische Kulte konnten sich mit fremden verbinden. Man war großzügig, freundlich-kollegial, ließ zu allen möglichen Göttern beten, glaubte, in andren die eigenen wiederzufinden, und 'Bekehrung' betrieb man überhaupt nicht. Intoleranz, sagt Schopenhauer, ist nur dem Monotheismus wesentlich, ein alleiniger Gott, 'seiner Natur nach, ein eifersüchtiger Gott, der keinem andern das Leben gönnt. Hingegen sind polytheistische Götter, ihrer Natur nach, tolerant: sie leben und lassen leben: zunächst dulden sie gern ihre Kollegen, die Götter derselben Religion, und nachher erstreckt sich diese Toleranz auch auf fremde Götter.'" Wäre das die Lösung? Polytheismus anstelle des unheilbaren Monotheismus?

Was zunächst wie ein scheinbarer Rückschritt erscheint, könnte als Übergangslösung einen gangbaren Weg ebnen. Da Monismus ausgerechnet im Monotheismus nicht möglich ist, weil er keine verifizierbaren Fakten kennt, könnte ein antiker Polytheismus jenen Menschen mit spirituellen Bedürfnissen, mit unterforderter religiöser Musikalität den Übergang in eine evolutionär-humanistische Welt leichter gestalten. Dem Wesen nach ist gerade das Christentum mit seiner Trinitäts-Lehre noch am ehestens polytheistisch umzubauen. Judentum und Islam hätten damit größere Schwierigkeiten. Ich will das hier auch gar nicht weiter ausführen, weil ich weiß, dass dies unrealisierbar ist. Es ist allerdings ein Gedankenmodell, von dem ich überzeugt bin, dass es als Zwischenstation zu einer gottbefreiten Welt brauchbar wäre. Schließlich könnten Gläubige dann weiterhin beten und Riten feiern, jedoch ohne den fatalen Absolutheitsanspruch ihrer bisherigen Religion. Natürlich müsste dieser erneute Umbau der klerikalen Welt einhergehen mit einer Korrektur der "heiligen" Schriften. Entsprechend der Intention der bronzezeitlichen Autoren müssten modernste naturwissenschaftliche und philosophische Überlegungen in diese neuen Bücher einfließen. Nichts dürfte bestätigter Erkenntnis widersprechen, so dass die ethischen Gleichnisse und Geschichten auf festem Boden stünden. Das wäre eine reizvolle Aufgabe, der jedoch der Alleinvertretungsanspruch einer jeden monotheistischen Religion entgegensteht.

Bliebe letztlich wohl doch nur die Abstimmung mit den Füßen: Austreten, austreten, austreten. Und den Religionen keinen Nachwuchs schenken: Nicht taufen, nicht beschneiden. Und die anderen, die noch fest in religiöse Strukturen eingebunden sind? Die müssen wir aufklären, aufklären, aufklären. Wäre wenigstens diese Utopie in Deutschland realisierbar, dann könnte zum Beispiel ein großer Fehler der 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts vermieden werden: Damals dachte man, Gastarbeiter blieben nur für zwei Jahre und hat sich kaum um deren sprachliche Integration gekümmert. Heute wäre es mehr als eine Geste, wenn jeglicher Religionsunterricht zugunsten von Deutschunterricht für Flüchtlinge umgewidmet werden könnte. Dies wären 1,6 Mrd. Euro, die für die Integration besser investiert wären, als Schülern grauenvolle Schauermärchen aus der Bronzezeit vorzubeten. Ob die Kirchen und Islamverbände hierzu bereit wären? Oder ist der Graben so tief und breit, dass sie nicht einmal mehr das andere Ufer sehen? Ich fürchte, dass dies so ist – vor allem in den Brennpunkten des Nahen Ostens, in denen beide Konzepte (Humanismus, aber auch Polytheismus) langfristig unrealisierbar scheinen. Aber Träumen wird doch noch dürfen.