Offener Brief an Justizministerin Dr. Katarina Barley

Die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz darf nicht verhandelbar sein

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Dr. Katarina Barley

Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hat am gestrigen Tage einen Offenen Brief an die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Katarina Barley, verschickt. Hintergrund ist die Weigerung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sowie des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), eine höchstrichterliche Entscheidung umzusetzen.

Wie bekannt, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) dazu aufgefordert, den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig vom März 2017 zu ignorieren. Das Gericht hatte entschieden, dass das BfArM Schwerstkranken den Kauf von Natrium-Pentobarbital (NPA) in "extremen Notlagen" nicht verwehren dürfe.

ifw

Gesundheitsminister Spahn hat mit Schreiben vom 29. Juni jedoch das BfArM angewiesen, alle Anträge, die Todkranke und deren Anwälte stellen, um Natrium-Pentobarbital zum selbstbestimmten Sterben zu erhalten, "zu versagen". Wegen dieser Rechtsbeugung wendete sich das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) an die Justizministerin.

In diesem Brief schreibt das ifw unter anderem:

"Sehr geehrte Frau Bundesministerin,
wir sind der Auffassung, dass in unserem Rechtsstaat gelten muss, was unabhängige Gerichte entscheiden: Stimmen Sie der Ansicht zu, dass genauso wie das Land NRW Verwaltungsgerichtsurteile einzuhalten hat, auch letztinstanzliche Urteile des Bundesverwaltungsgerichts durch das Bundesgesundheitsministerium einzuhalten sind? Stimmen Sie zu, dass sich weder Länderbehörden noch Bundesbehörden aussuchen dürfen, welches letztinstanzliche Gerichtsurteil sie befolgen und welches nicht?"

Denn die Zeit für die Betroffenen drängt. In einem Interview mit dem hpd gab Rechtsanwalt Prof. Robert Roßbruch, der betroffene Patienten vertritt, bereits bekannt, dass er wegen der Verzögerungstaktik Untätigkeitsklagen beim zuständigen Verwaltungsgericht Köln eingereicht habe. Bislang ohne Ergebnis und Erfolg.

Ein solch eklatanter Verstoß gegen das Urteil eines höchsten Gerichts gab es in Deutschland in der Form noch nie:

"Wenn jeder Staatsvertreter, dem ein rechtskräftiger Richterspruch nicht passt, sich mittels selbstbeauftragtem und rechtlich irrelevantem Gutachten über ein Gericht hinwegsetzen kann, dann endet unser Land schlicht und einfach in einem Willkürregime. Jeder einzelne Behördenfall ist eine Gefährdung des Rechtsstaates. Dieser Umgang mit dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil muss jedoch umso schwerer wiegen, als es hier um das rechtswidrige Verhalten einer obersten Bundesbehörde geht. Hinzu kommen in diesem Fall das menschenunwürdige Leid von mehr als einhundert Antragstellern und die abschreckende Wirkung des Behördenhandelns auf womöglich tausende Todkranke und ihre Angehörigen, die gegebenenfalls zu einem Anstieg bei Brutalsuiziden und den negativen sozialen Folgen in unserer Gesellschaft führt, dass nur diejenigen, die über Geld und Netzwerke verfügen, über ihr Lebensende frei bestimmen können, indem sie rechtzeitig das liberale rechtsstaatliche Ausland aufsuchen."

Wie bereits Rolf Bergmeier klarstellt, ist es sehr wahrscheinlich, dass Gesundheitsminister Spahn seine Entscheidung "nicht dem Willen des deutschen Volkes und der Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes, sondern einer Ärztelobby, EKD-Funktionären und einer höchst persönlichen Glaubensüberzeugung" unterordnet.

Deshalb fordert das ifw von Ministerin Barley die Rückkehr zum Rechtsstaat:

"Wir bitten Sie deshalb darum, auch in diesem Fall Ihre Stimme für die Wahrung des Rechtsstaats in Deutschland zu erheben. Hier geht es jetzt darum, Schritte zu ergreifen, dass die Missachtung des Rechtsstaats durch die Hausleitungen des BMG und des BfArM schnellstmöglich beendet wird. Um ein eingangs zitiertes Wort von Ihnen aufzugreifen: Die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz darf nicht verhandelbar sein – auch nicht bei der Sterbehilfe."

Pressemitteilung des ifw vom 04.09.2018